JudikaturOLG Graz

8Bs137/24v – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
14. Mai 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten Mag. Ohrnhofer als Vorsitzenden und die Richter Mag. Petzner, Bakk. und Mag. Koller in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung aus der Freiheitsstrafe nach § 46 Abs 1 StGB über die Beschwerde des Strafgefangenen gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 21. April 2024, GZ 2 BE 91/24h - 6 und  GZ 2 BE 90/24m-6, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Beschwerde wird die Anordnung der Bewährungshilfe aufgehoben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Text

begründung:

Der am ** geborene österreichische Staatsangehörige A* verbüßt in Form des elektronisch überwachten Hausarrests den unbedingten Teil (von sechs Monaten) der über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14. Oktober 2021, AZ 14 Hv 51/20p, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB, der Verbrechen des betrügerischen Anmeldens zur Sozialversicherung oder Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse nach § 153d Abs 1, Abs 2 und Abs 3 erste Alternative StGB und des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 161 Abs 1 StGB verhängten Freiheitsstrafe von 18 Monaten, von der gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil von zwölf Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Das Strafende fällt auf den 21. August 2024; die Hälfte der Strafzeit wird am 21. Mai 2024 vollzogen sein, zwei Drittel am 21. Juni 2024.

Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Erstgericht zu Punkt I. die bedingte Entlassung des A* zum Hälfte-Stichtag aus generalpräventiven Gründen ab und sprach zu Punkt II. aus, dass dem Strafgefangenen nach dem Vollzug von zwei Dritteln der Rest der Strafe von einem Drittel (zwei Monate) bedingt nachgesehen und er am 21. Juni 2024 bedingt entlassen wird. Die Probezeit wurde mit drei Jahren bestimmt und für deren Dauer die Bewährungshilfe angeordnet (GZ 2 BE 90/24m-6; GZ 2 BE 91/24h-6).

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Strafgefangenen (GZ 2 BE 90/24m-7; GZ 2 BE 91/24h-7), die sich gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung zum Hälfte-Stichtag (Punkt I.) sowie zu Punkt II. ausschließlich (zur Einschränkung des Beschwerdebegehrens: Tipold , WK StPO § 88 Rz 4 mwN) gegen die Anordnung der Bewährungshilfe für die Dauer der Probezeit wendet.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel hat im Umfang der Anfechtung der Anordnung der Bewährungshilfe Erfolg.

Im bekämpften Beschluss stellte das Erstgericht die Anlassverurteilung des Beschwerdeführers, die Stellungnahmen des Anstaltsleiters, des Verein Neustart und der Anklagebehörde sowie die für die bedingte Entlassung maßgebliche Norm (§ 46 Abs StGB), somit die Sach- und Rechtslage zutreffend fest, weshalb darauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

Zu Punkt I. des angefochtenen Beschlusses:

Das erstgerichtliche Kalkül, wonach die bedingte Entlassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt an generalpräventiven – in der Schwere der Anlasstaten gelegenen – Gründen (§ 46 Abs 2 StGB) scheitert, weshalb es ausnahmsweise des weiteren Vollzugs bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, erweist sich als zutreffend. Die Wortfolge „Schwere der Tat“ stellt auf den sozialen Störwert (die kriminelle Bedeutung [RIS-Justiz RS0091863]) einer Tat ab, der durch Handlungs- und Erfolgsunwert determiniert wird. Die dem Strafgefangenen (unter anderem) zur Last liegenden Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB sowie der betrügerischen Krida nach den §§ 156 Abs 1 und 2, 161 Abs 1 StGB sind jeweils mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bedroht. Hierin liegt eine gesetzliche Vorbewertung, die bereits zum Ausdruck bringt, dass es sich um ein Delikt mit einem hohen sozialen Störwert handelt. Zudem zeichnen sich die vom Beschwerdeführer verübten Verbrechen durch einen hohen Handlungs-, Gesinnungs- und Erfolgsunwert aus, zumal er mit Mittätern während eines langen Deliktszeitraums mehrere – jeweils in mehrfachen Angriffen verwirklichte – Verbrechen beging, von denen das des Betrugs zusätzlich wegen dessen gewerbsmäßiger Begehung qualifiziert ist, wobei ein hoher Schaden von mehr als EUR 800.000,-- verursacht wurde, sodass der von § 46 Abs 2 StGB geforderte Schweregrad vorliegt. Fallbezogen bedarf es daher des weiteren Vollzugs der Strafe sowohl zur Abschreckung potentieller Täter (negative Generalprävention) als auch zur Bekräftigung des Geltungsanspruchs der Rechtsordnung, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung des Vertrauens der Bevölkerung auf die Durchsetzung des Rechts sowie zur Vermeidung einer Bagatellisierung derartiger Taten (positive Generalprävention; Jerabek/Ropper, WK 2 StGB § 46 Rz 16 und § 43 Rz 18).

Weil somit im Gegenstand eine bedingte Entlassung zum Hälftestichtag bereits aus generalpräventiven Gründen ausscheidet, können spezialpräventive Erwägungen dahinstehen.

Zu Punkt II. des angefochtenen Beschlusses:

Bewährungshilfe nach § 50 Abs 1 StGB ist anzuordnen ist, soweit sie (nach den Umständen des Einzelfalls [RIS-Justiz RS0088442]) notwendig oder zweckmäßig ist, um den Rechtsbrecher von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten. Als notwendig in diesem Sinn ist Bewährungshilfe anzusehen, wenn ohne sie der anzustrebende ordentliche Lebenswandel nicht möglich wäre, als zweckmäßig, wenn dadurch die Wahrscheinlichkeit künftiger Delinquenz verringert wird. Bei Prüfung der Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit ist nicht nur auf die konkrete Straftat, sondern auch auf die Person des Rechtsbrechers, sein Vorleben und auf das soziale Umfeld abzustellen ( Schroll/Oshidari, WK 2 StGB § 50 Rz 3f mwN). Der Strafgefangene weist neben der Anlassverurteilung keine weitere Verurteilung auf, wobei der Deliktszeitraum im November 2016 endete. Die in Form elektronisch überwachten Hausarrests verbüßte Strafe hat er am 20. März 2024 selbst angetreten. Die Anstaltsleitung attestiert dem im Erstvollzug befindlichen Strafgefangenen eine gute Führung (ON 2.1). Er verfügt über ein stabiles soziales Umfeld und einen gesicherten Pensionsbezug. Aufgrund des (bloß) viermonatigen, in Form elektronisch überwachten Hausarrests vollzogenen Strafvollzugs war der Strafgefangene auch nicht in einem solchen Maße aus der Gesellschaft entfernt, dass er – anders etwa als bei Entlassungen aus langjährigen Strafvollzügen – einer Unterstützung bei der Wiedereingliederung in den strafvollzugsfremden Alltag bedürfte. Zudem kommt in seiner geständigen Verantwortung im Verfahren AZ 14 Hv 51/20p des Landesgerichts für Strafsachen Graz eine Reflexion des eigenen delinquenten Verhaltens zum Ausdruck. Zu berücksichtigen ist, dass die Taten lange zurückliegen und er sich seither (nunmehr schon seit mehreren Jahren) wohlverhalten hat. Letztlich lässt sich sein Beschwerdevorbringen, wonach er bereits mehr als drei Jahre erfolgreich durch eine Bewährungshelferin betreut worden sei, durch Einsicht in das VJ-Register verifizieren: Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 24. März 2020, GZ 14 Hv 82/19w-347, wurde die am 20. Dezember 2016 anlässlich seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft angeordnete vorläufige Bewährungshilfe aufgehoben, da diese nicht mehr geboten war, um die Bemühungen des Angeklagten um eine Lebensführung und Einstellung, die ihn in Zukunft von der Begehung strafbarer Handlungen abhalten werde, zu fördern; dieser Entscheidung lag ein Ersuchen des vorläufigen Bewährungshelfers aufgrund des positiven Betreuungsverlaufs nach über drei Jahren Betreuung zugrunde. Auch in der Stellungnahme des Vereins Neustart vom 16. April 2024 ergibt sich ein (im Rahmen des elektronisch überwachten Hausarrests) positiver Betreuungsverlauf und ein stabiles Umfeld. In Ansehung dieser für Stabilität und künftige Rechtstreue sprechenden Umstände kann auch unter Berücksichtigung der Art der dem Vollzug zugrunde liegenden Straftaten mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Verurteilte auch ohne Bewährungshilfe einen ordentlichen Lebenswandel führen wird, weshalb die weder notwendige noch zweckmäßige Anordnung der Bewährungshilfe aufzuheben ist.

Der Ausschluss eines weiteren Rechtszugs gründet auf § 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO.

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