9Bs80/24v – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Kohlroser (Vorsitz), den Richter Mag. Obmann, LL.M. und die Richterin Mag a . Berzkovics in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Beschuldigten A* gegen die gerichtliche Bewilligung der Anordnung der Durchsuchung und Sicherstellung mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 5. März 2024, AZ 21 HR 185/17f (ON 1.4 der Akten 423 St 18/24t der Staatsanwaltschaft Graz) und die damit verbundenen Einsprüche wegen Rechtsverletzung des A* und der B* in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .
Die Entscheidung über die Einsprüche wegen Rechtsverletzung obliegt dem Landesgericht für Strafsachen Graz.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Text
BEGRÜNDUNG:
In dem zu AZ 423 St 18/24t gegen A* geführten Ermittlungsverfahren beantragte die Staatsanwaltschaft am 4. März 2024 beim Landesgericht für Strafsachen Graz die Bewilligung der Anordnung einer Durchsuchung (ON 1.3) und übermittelte eine schriftliche Ausfertigung, mit der zu Punkt I. gemäß §§ 117 Z 2, 119 Abs 1 StPO die Durchsuchung der vom Beschuldigten benutzten Wohnung in **, samt Neben- und Kellerräumlichkeiten und zu Punkt II. gemäß §§ 109 Z 1 lit a, 110 Abs 1 Z 1 StPO die Sicherstellung der vom Beschuldigten verwendeten Endgeräte (PC/Laptop/Smartphone) und sonstiger Datenträger (externe Festplatten, USB-Sticks etc.) angeordnet wurde (ON 5).
Auf Seite 4 der Anordnung vermerkte der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Graz wörtlich: „Befristung bis 5. Juni 2024“. Diesen Vermerk versah er mit einer qualifizierten elektronischen Signatur vom 5. März 2024. Einen Beschluss auf gerichtliche Bewilligung der Anordnung, etwa eine beschlussmäßige Bewilligung „aus den in der Anordnung angeführten Gründen“, wie dies auf Seite 2 des Formulars StPOForm Anordnung 3 vorgesehen ist, erließ er nicht.
Am Anordnungs- und Bewilligungsbogen findet sich der (nicht elektronisch signierte) Vermerk des Einzelrichters: „B.: Anordnung lt. Antrag/Entwurf ON 5 bewilligt. Befristung bis: 5. Juni 2024“ (ON 1.4).
Die angeordnete Durchsuchung wurde am 27. März 2024 vollzogen (ON 9.2).
Mit Eingabe vom 10. April 2024 erhob der Beschuldigte Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung der Anordnung. Verbunden mit der Beschwerde erhoben der Beschuldigte und seine Ehegattin B* Einsprüche wegen Rechtsverletzung (ON 13).
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde ist unzulässig.
Gemäß § 105 Abs 1 StPO hat das Gericht über Anträge der Staatsanwaltschaft auf Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft sowie auf Bewilligung bestimmter anderer Zwangsmittel, darunter auch die Durchsuchung von Orten und Gegenständen (§ 120 Abs 1 StPO) zu entscheiden und für die Durchführung der bewilligten Maßnahme eine Frist zu setzen. Die Entscheidung des Gerichts ergeht gemäß § 35 Abs 2 StPO mit Beschluss. Dieser hat gemäß § 86 Abs 1 StPO Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.
Im Spruch, der „Norm“ des Beschlusses, soll die Entscheidung des Gerichts klar zum Ausdruck kommen ( Kirchbacher , StPO 15 § 86 Rz 1; Tipold , WK-StPO § 86 Rz 7).
Im vorliegenden Fall mangelt es schon an einem Spruch, der erkennen ließe, dass das Gericht eine Entscheidung getroffen hat. Eine bloße Fristsetzung, aus der sich nicht einmal ergibt, wem wofür die Frist gesetzt wird, ist jedenfalls keine Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Bewilligung eines angeordneten Zwangsmittels und stellt auch sonst keinen Beschluss im Sinn des § 86 Abs 1 StPO dar.
Der oben zitierte Vermerk am Anordnungs- und Bewilligungsbogen (ON 1.4) ist schon deshalb nicht mit einem Bewilligungsbeschluss gleichzusetzen, weil er keine qualifizierte elektronische Signatur des Einzelrichters enthält und damit nicht die Urschrift des Beschlusses darstellen kann. Der Anordnungs- und Bewilligungsbogen dient nach Art 1 § 15a DV-StAG im Übrigen nur dazu, alle Anordnungen der Staatsanwaltschaft sowie Anträge, Erklärungen, Mitteilungen, Zuschriften und Erledigungen im Verkehr zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht entsprechend der Zeitfolge festzuhalten. Auch Anträge auf Bewilligung von Zwangsmitteln sind darauf zu erwähnen, sie sind aber als selbständige Ordnungsnummer zu behandeln. Der Umstand, dass der Einzelrichter den Inhalt jenes Beschlusses, den er offenbar fassen wollte, am Anordnungs- und Bewilligungsbogen festgehalten hat, ersetzt daher nicht die tatsächliche Beschlussfassung.
Aus dem Umstand, dass die Anordnung gar nicht mit Beschluss bewilligt wurde, folgt, dass keine Beschwerde gegen einen Bewilligungsbeschluss erhoben werden kann. Die Beschwerde ist daher gemäß § 89 Abs 2 StPO als unzulässig zurückzuweisen.
Gemäß § 106 Abs 2 StPO ist, soweit gegen die Bewilligung einer Ermittlungsmaßnahme Beschwerde erhoben wird, ein Einspruch gegen deren Anordnung oder Durchführung mit der Beschwerde zu verbinden. Nur in einem solchen Fall entscheidet das Beschwerdegericht auch über den Einspruch.
In Ermangelung einer zulässigen Beschwerde scheidet im vorliegenden Fall eine Verbindung mit einem Einspruch wegen Rechtsverletzung aus. Die Entscheidung über die Einsprüche obliegt daher gemäß § 31 Abs 1 Z 3 StPO dem Einzelrichter des Landesgerichts.