JudikaturOLG Graz

10Bs111/24k – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
24. April 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag. a Tröster und Dr. in Steindl-Neumayr in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 22. März 2024, GZ 16 Hv 112/23b-57 in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Text

BEGRÜNDUNG :

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 27. November 2023, AZ 16 Hv 112/23b, in der Fassung des Urteils des Oberlandesgerichts Graz vom 27. Februar 2024, AZ 10 Bs 16/24i, wurde A* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme auf § 29 StGB sowie gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 6. Juli 2023, AZ 151 Hv 34/23z, nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB zur Zusatzfreiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt

Der Verurteilte beantragte bereits am 18. Jänner 2024 einen Aufschub des Strafvollzugs, um seine (für die Straftaten maßgebliche) Drogen- und Spielsuchtabhängigkeit bewältigen zu können, und erklärte seine Bereitschaft, sich einer gesundheitsbezogenen Maßnahme zu unterziehen, wobei er eine Zusage des B* für seine Betreuung habe (ON 49).

Die Staatsanwaltschaft trat dem Antrag entgegen (ON 1.38).

Mit dem angefochtenen Beschluss wurde der Antrag des Verurteilten auf Strafaufschub nach § 39 Abs 1 SMG abgewiesen, weil der Verurteilte nach seinen eigenen Angaben in der Hauptverhandlung das durch die Betrugshandlungen erbeutete Geld verspielt habe und daher kein (für einen Aufschub nach § 39 SMG vorausgesetzter) Fall einer indirekten Beschaffungskriminalität, dh der Verübung einer Straftat, um Geld- oder Tauschmittel für den Erwerb von Drogen zu beschaffen, vorliege (ON 57).

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Verurteilten (ON 59), in der er geltend macht, dass seine Straftaten hauptsächlich mit seiner früheren Kokainsucht zu tun hätten und er dies immer – insbesondere in Gesprächen mit den Therapeuten - erwähnt habe. Er habe „schwerst abhängig“ täglich Kokain konsumiert, um den Tag zu bewältigen. Außerdem habe er gesagt, dass er spielsüchtig gewesen sei und das Geld auch verspielt habe. Nunmehr wolle er eine professionelle Drogen-Therapie machen.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft inhaltlich nicht äußerte, ist nicht berechtigt.

Gemäß § 39 Abs 1 SMG ist der Vollzug einer nach diesem Bundesgesetz (außer nach § 28a Abs 2, 4 oder 5 SMG) oder einer wegen einer Straftat, die mit der Beschaffung von Suchtmitteln in Zusammenhang steht, verhängten (hier relevant) drei Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe nach Anhörung der Staatsanwaltschaft auch noch nach Übernahme in den Strafvollzug (§ 3 Abs 4 StVG) für die Dauer von höchstens zwei Jahren aufzuschieben, wenn 1. der Verurteilte an Suchtmittel gewöhnt ist und sich bereit erklärt, sich einer notwendigen und zweckmäßigen, ihm nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahme zu unterziehen, und 2. im Fall der Verurteilung zu einer 18 Monate übersteigenden Freiheitsstrafe wegen einer Straftat, die mit der Beschaffung von Suchtmitteln in Zusammenhang steht, der Vollzug der Freiheitsstrafe nicht im Hinblick auf die Gefährlichkeit des Täters geboten erscheint, insbesondere weil die Verurteilung wegen Straftaten erfolgt ist, die unter Anwendung erheblicher Gewalt gegen Personen begangen worden sind.

Eine Straftat nach dem Suchtmittelgesetz liegt der vollzugsgegenständlichen Verurteilung nicht zugrunde. Zur sogenannten Versorgungs- oder Beschaffungskriminalität gehören Straftaten, die begangen werden, um Drogen zu erlangen (direkte Beschaffungsdelikte) und solche Straftaten, die verübt werden, um Geld und Tauschmittel für den Erwerb von Drogen zu beschaffen (indirekte Beschaffungskriminalität ). Dazu zählen Vermögensentziehungsdelikte aller Art, wobei die Abhängigkeit und die mit dem Unterbleiben der Suchtmittelzufuhr verbundenen körperlichen oder zumindest psychischen Entzugserscheinungen in gewissen Maßen dazu „zwingen“, sich irgendwie den dringend benötigten „Stoff“ zu beschaffen ( Schwaighofer in WK 2 § 35 SMG Rz 27f). Die vom Gesetz als Aufschubsvoraussetzung geforderte Gewöhnung an ein Suchtmittel muss für die Tatbegehung (zumindest mit-)kausal gewesen sein, weil die Behandlung einer Sucht, die keinen Kausalzusammenhang mit der abgeurteilten Straftat aufweist, nicht als geeignet angesehen werden kann, künftiges strafbares Verhalten des Täters zu verhindern (RIS-Justiz RS0119760). Maßgeblich ist, ob eines der die Anwendung des § 39 Abs 1 SMG begründenden Delikte strafsatzbestimmend ist (vgl RIS-Justiz RS0122195, Schwaighofer in WK 2 § 39 SMG Rz 11). Straftaten, bei denen kein Zusammenhang mit der Suchtmittelbeschaffung herzustellen ist („Begleitkriminalität iwS“), sowie Straftaten, die als Folge des Missbrauchs verwirklicht werden („Folgekriminalität“), sind nicht von der Möglichkeit des Aufschubs des Strafvollzugs umfasst ( Hinterhofer in Hinterhofer , SMG 2 § 35 Rz 48f, Oshidari in Hinterhofer , SMG² § 39 Rz 13). Bei stoffungebundenen Süchten, wie etwa der Kauf-, Internet- oder auch der (Glücks-)Spielsucht , kommt ein Aufschub nach § 39 Abs 1 SMG ebenso nicht in Betracht (vgl OLG Linz 8 Bs 12/21b).

Fallbezogen erklärte der Verurteilte im Verfahren zwar pauschal, dass die Taten mit seiner langjährigen Kokain- und Spielsucht zu tun hätten, er im Tatzeitraum Depressionen gehabt und auch wieder Drogen konsumiert habe (ON 40, AS 3, auch ON 30), berief sich im Zusammenhang mit der Mittelverwendung abgesehen von einem allgemein gehaltenen Hinweis auf Glücksspiel, Schulden und (auch) Drogen im Zusammenhang mit Faktum 1 (ON 20.3, AS 6) bei seiner Einvernahme anlässlich der Hauptverhandlung aber nur darauf, wieder zu spielen angefangen und dabei das ganze Geld verloren zu haben (ON 40, AS 3). Der daraus abzuleitende de facto Verbrauch der betrügerisch erlangten Gelder durch das Glücksspiel ist bei Bedachtnahme auf die beträchtlichen Summen der seinen Opfern in einem Zeitraum von nur rund 7 Monaten herausgelockten Gelder (von mehr als EUR 50.000,--) schlüssig. Selbst wenn man dem Verurteilten zugesteht, dass er aufgrund seiner nach der Aktenlage allgemein prekären finanziellen Situation (US 3) einen untergeordneten Teil des Geldes auch für seinen (durch Suchtgiftkonsum erhöhten) Lebensunterhalt verwendete, kann unter den dargestellten Umständen nicht davon ausgegangen werden, dass die geltend gemachte Suchtgiftgewöhnung eine relevante Rolle für die urteilsgegenständlichen vom Verurteilten im großen Stil begangenen gewerbsmäßigen schweren Betrugshandlungen gespielt hat. Soweit der Verurteilte in seiner Beschwerde Gegenteiliges behauptet, ist er auf seine im Sinne der obigen Ausführungen schlüssigen, anderslautenden früheren Aussagen zu verweisen. Da sich solcherart die strafsatzbestimmende Qualifikation des gewerbsmäßigen schweren Betrugs im vorliegenden Fall aus der Finanzierung der Spielsucht ableitet, liegt keine einen Aufschub nach § 39 Abs 1 SMG eröffnende Beschaffungstat vor (vgl auch OLG Wien 21 Bs 207/21a).

Der Beschwerde muss daher der Erfolg versagt bleiben.

Der Ausschluss eines weiteren Rechtszugs ergibt sich aus § 89 Abs 6 StPO.

Rückverweise