10Bs359/23d – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag. a Tröster und Dr. in Steindl-Neumayr in der Straf- und Medienrechtssache des Privatanklägers A* gegen den Angeklagten B* wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB und Anträgen nach dem MedienG über die Beschwerde des Privatanklägers gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 15. November 2023, GZ 34 Hv 82/23s-22, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss soweit die Anträge des Privatanklägers, den Angeklagten zum Ersatz der Kosten des Durchsetzungsverfahrens zu verpflichten abgewiesen, und dem Privatankläger die Kosten des Durchsetzungsverfahrens auferlegt wurden, aufgehoben und der Angeklagte zum Ersatz der Kosten des Durchsetzungsverfahrens verpflichtet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Last.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit Privatanklage vom 18. September 2023 (ON 2) legte A* B* das Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB zur Last und beantragte (für das Beschwerdeverfahren relevant) die Anordnung der Veröffentlichung einer Mitteilung gemäß § 37 Abs 1 MedienG.
Mit Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 19. September 2023 (ON 3), bestätigt mit Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 9. November 2023, AZ 10 Bs 304/23s (ON 21.3), wurde der Angeklagte B* gemäß § 37 Abs 1 MedienG verpflichtet, binnen fünf Werktagen ab Zustellung des Beschlusses die darin im Einzelnen definierte Mitteilung über das eingeleitete Gerichtsverfahren auf seinem Facebookprofil „**“ zu veröffentlichen.
Der Beschluss vom 19. September 2023 wurde dem Angeklagten am 26. September 2023 zu eigenen Handen zugestellt ( Zustellnachweis ).
Mit Durchsetzungsantrag vom 3. Oktober 2023 und Folgeanträgen vom 6., 10., 13. und 17. Oktober 2023 beantragte der Privatankläger jeweils, den Angeklagten wegen der Nichtveröffentlichung der Mitteilung gemäß § 37 Abs 1 MedienG von 2. bis 16. Oktober 2023, zur Zahlung (je) einer Geldbuße und zum Ersatz der Kosten des Durchsetzungsverfahrens zu verpflichten, weil der Angeklagte die Mitteilung nicht veröffentlicht, jedenfalls aber den Privatankläger nicht von der Veröffentlichung verständigt habe (ON 6, 8, 9, 10, 11).
Der Angeklagte äußerte sich dazu mit der am 18. Oktober 2023 beim Erstgericht eingelangten Eingabe dahingehend, dass er der gerichtlichen Aufforderung am 29. September 2023 nachgekommen sei und den aufgetragenen Text auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht habe. Auch den Vertreter des Privatanklägers habe er schriftlich verständigt, jedoch nicht mittels Einschreibens, dessen Kosten er sparen habe wollen (ON 13).
Der Vertreter des Privatanklägers bestritt in seiner Stellungnahme vom 18. Oktober 2023 den Erhalt der Verständigung (ON 17).
Mit dem angefochtenen Beschluss wurden (1.) die Durchsetzungs- bzw Folgeanträge des Privatanklägers vom 3., 6., 10., 13. und 17. Oktober 2023 mit dem jeweiligen Begehren, den Angeklagten zur Zahlung von Geldbußen und zum Ersatz der Kosten des Durchsetzungsverfahrens zu verpflichten, abgewiesen und (2.) dem Privatankläger gemäß § 20 Abs 3 MedienG die Kosten des Durchsetzungsverfahrens auferlegt. Dies wurde damit begründet, dass durch den vom Angeklagten vorgelegten Screenshot vom 29. September 2023 sowie die im Zweifel nicht zu widerlegende eidesstattliche Erklärung der Ehegattin des Angeklagten, wonach diese die Verständigung an den Privatanklagevertreter am 2. Oktober 2023 bei der Post aufgegeben habe, als erwiesen anzusehen sei, dass der Angeklagte sowohl seiner Veröffentlichungs- als auch seiner Verständigungsverpflichtung jeweils rechtzeitig nachgekommen sei (ON 22).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Privatanklägers, mit der er unter Hinweis darauf, dass ein sorgfältiger Antragsgegner die Mitteilung per Einschreiben verschickt hätte und diesen auch sonst das Risiko des Verlusts der Verständigung auf dem Postweg treffe, eine Verletzung im Recht auf Kostenersatz geltend macht (ON 23).
Der Angeklagte trat der Beschwerde in seiner Äußerung vom 4. Dezember 2023 entgegen und brachte vor, dass ihn kein Verschulden daran treffe, dass die nicht als Einschreiben verschickte Mitteilung dem Privatankläger nicht zugekommen sei.
Die Oberstaatsanwaltschaft erklärte, sich am Rechtsmittelverfahren nicht zu beteiligen.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde ist berechtigt.
Gemäß § 37 Abs 3 MedienG iVm § 34 Abs 4 MedienG gelten für die Veröffentlichung einer Mitteilung nach § 37 Abs 1 MedienG und deren Durchsetzung die §§ 13 und 20 MedienG sinngemäß ( Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal , MedienG 4 § 37 Rz 23, Brandstetter/Schmid , MedienG 2 § 20 Rz 2).
Der Beschwerdeführer bekämpft den Beschluss vom 15. November 2023 ausdrücklich nur in seinem Recht auf Kostenersatz, dh insoweit, als seine Anträge auf Kostenersatz abgewiesen und ihm die Kosten des Durchsetzungsverfahrens auferlegt wurden. Im Übrigen wird die Abweisung der Durchsetzungs- und Folgeanträge vom 3. bis 17. Oktober 2023 (infolge rechtzeitiger gehöriger Veröffentlichung der Mitteilung gemäß § 37 Abs 1 MedienG am 29. September 2023) in der Beschwerde nicht bemängelt, weshalb in diesem Umfang (Teil-)Rechtskraft eingetreten ist (§ 41 Abs 1 MedienG iVm § 89 Abs 2b StPO, vgl Kirchbacher, StPO 15 § 89 Rz 4).
Das Durchsetzungsverfahren nach § 20 MedienG ist vom Ausgang des Hauptverfahrens unabhängig. Es hat daher ein Kostenausspruch zu erfolgen, der nur das Durchsetzungsverfahren betrifft ( Rami in WK² MedienG § 20 Rz 45; Röggla in Röggla/Wittmann/Zöchbauer , MedienG § 20 Rz 2, Brandstetter/Schmid , MedienG 2 § 20 Rz 3). Mangels spezieller Regeln im MedienG sind die Kosten nach Maßgabe des Obsiegens unter sinngemäßer Heranziehung der Bestimmungen der §§ 389, 390 und 390a StPO zu bestimmen, wobei das Absehen von einer Geldbuße nach § 20 Abs 3 MedienG zufolge der ausdrücklichen Anordnung des 2. Satzes leg cit auf die Kostenentscheidung ohne Auswirkungen bleibt ( Brandstetter/Schmid , MedienG 2 § 20 Rz 16).
Auch in jenen Konstellationen, in denen der Privatankläger mit seinem Begehren auf Verhängung einer Geldbuße deshalb erfolglos bleibt, weil er mangels einer (auch bei einer Veröffentlichung nach § 37 MedienG gebotenen) Verständigung gemäß § 13 Abs 8 MedienG seinen Durchsetzungsantrag nach § 20 MedienG (und allfällige Folgeanträge) in Unkenntnis der Tatsache einbrachte, dass der Antragsteller bereits zuvor in Entsprechung der gerichtlichen Anordnung veröffentlicht hatte, vertritt die herrschende Lehre und Rechtsprechung unter Hinweis auf die sich aus dem MedienG ergebenden Wertungen eine Abweichung vom kostenrechtlichen Erfolgsprinzip, die auf eine Analogie zu § 19 Abs 2 Z 3 MedienG (OLG Wien 18 Bs 209/00, MR 2000, 362; OLG Graz 10 Bs 407/14z) oder zu § 20 Abs 3 MedienG (OLG Linz 8 Bs 271/15g, MR 2015, 228) gestützt wird ( Rami in WK² MedienG § 20 Rz 46).
Zweck des § 13 Abs 8 MedienG ist es, dem Veröffentlichungswerber abzunehmen, die Veröffentlichung der Mitteilung zu überwachen, insbesondere soll dieser nicht genötigt sein, Folgenummern des Mediums käuflich zu erwerben ( Rami in WK² MedienG § 13 Rz 71). Es handelt sich um keine echte Rechtspflicht, sondern bloß um eine Obliegenheit ( Rami in WK² MedienG § 13 Rz 69). Eine Sanktion für die Unterlassung der Verständigung ist nicht vorgesehen, die Nichtverständigung hat jedoch Kostenfolgen, indem der Medieninhaber die Kosten des Durchsetzungsantrags zu tragen hat ( Röggla in Röggla/Wittmann/Zöchbauer , MedienG § 13 Rz 8).
Der Angeklagte hat durch die eidesstattliche Erklärung seiner Gattin (ON 20.2) (nur) die Absendung, nicht jedoch den Zugang der Verständigung beim Privatankläger bzw dessen Vertreter nachgewiesen. Das Risiko des Abhandenkommens einer (empfangsbedürftigen) Briefsendung trifft den mit der Verständigungsobliegenheit nach § 13 Abs 8 MedienG belasteten Angeklagten, der die Verständigung – wie sich aus seinem Vorbringen ergibt - nicht eingeschrieben schickte und sich nach der Aktenlage auch sonst nicht über deren Eingang beim Empfänger vergewisserte, was ihm als Sorgfaltspflichtverletzung anzulasten ist, während der Privatankläger zu einer Überwachung der Facebook-Seite des Angeklagten nicht verhalten war und nach der Aktenlage erst nach dem letzten Durchsetzungsantrag Kenntnis von der erfolgten Veröffentlichung durch den Angeklagten erlangte (vgl Vfg ON 1.9 und Stellungnahme ON 17).
Im Beschluss nach § 20 MedienG ist dem Grunde nach über die Kosten zu entscheiden ( Brandstetter/Schmid , MedienG 2 § 20 Rz 18, Rami in WK² MedienG § 20 Rz 46).
In Stattgebung der Beschwerde ist daher der Angeklagte zum Ersatz der Kosten des Durchsetzungsverfahrens zu verpflichten. Ihm fallen damit auch die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens zur Last (§ 41 Abs 1 MedienG iVm § 390a Abs 1 StPO).
Der Ausschluss eines weiteren Rechtszugs ergibt sich aus § 89 Abs 6 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG.