4R242/23z – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch die Richterinnen Dr. in Angerer (Vorsitz), Mag. a Zeiler-Wlasich und Dr. in Jost-Draxl in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, Angestellter, **, vertreten durch die Prutsch-Lang Damitner Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei B * , FN **, **, vertreten durch Dr. Ernst Maiditsch und andere, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, wegen EUR 82.866,38 samt Anhang, über den Kostenrekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse EUR 4.453,00) gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 2. November 2023, 23 Cg 30/20s-78, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Kostenentscheidung wird teilweise bestätigt und teilweise abgeändert, sodass sie insgesamt neu gefasst lautet:
„ Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 23.007,18 (darin EUR 2.689,54 Umsatzsteuer und EUR 6.869,95 Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Kosten des Rekursverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
2. Der Antrag der klagenden Partei vom 1. Dezember 2023 wird zurückgewiesen .
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 5. April 2023, 23 Cg 30/20s-73, teilweise abgeändert durch das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 23. August 2023, 4 R 125/23v, wurde das Schadenersatzbegehren des Klägers in der Hauptsache rechtskräftig erledigt. Die Kostenentscheidung war gemäß § 52 Abs 1 und 2 ZPO bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache vorbehalten worden.
Mit dem angefochtenen Beschluss erkannte das Erstgericht die Beklagte schuldig, dem Kläger die mit EUR 20.983,07 bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen. Es bildete vier Verfahrensabschnitte, in denen es in den ersten beiden Abschnitten den Kläger als überwiegend und im dritten und vierten Abschnitt mit 81 % obsiegend betrachtete. Es honorierte dabei - den Einwendungen der Beklagten folgend - die Duplik des Klägers vom 24. September 2020 (ON 10) nicht, den Fortsetzungsantrag vom 7. Oktober 2021 (ON 28) nur nach TP 1 RATG, den Gutachtenserörterungsantrag vom 13. Juni 2022 (ON 50) nach TP 2 RATG und erachtete die Kosten des Berufungsverfahrens vom vierten und letzten Verfahrensabschnitt umfasst.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, ihm weitere Kosten von EUR 4.453,00 zuzusprechen, gesamt daher EUR 25.436,07 (darin EUR 3.094,35 Umsatzsteuer und EUR 6.869,95 an Barauslagen).
Die Beklagte erstattet eine Rekursbeantwortung .
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zum Teil berechtigt .
1. Sämtliche Kosten sind generell gemäß § 41 Abs 1 erster Satz ZPO nur unter der Voraussetzung ersatzfähig, dass sie notwendig und zweckmäßig aufgewendet wurden (RIS-Justiz RS0035774; Obermaier , Kostenhandbuch 3 Rz 1.245). Ist es daher möglich, mit kostensparenderen Handlungen das gleiche Ergebnis zu erzielen, können nur jene Kosten beansprucht werden, die den gleichen Zweck mit geringerem Aufwand erreicht hätten (RS0082636; RS0035774 [T2]; Obermaier , aaO Rz 1.246 uva). Bei Schriftsätzen ist dabei generell zu fragen, ob das darin enthaltene Vorbringen oder Beweisanbot ohne Nachteil bereits in der vorangegangenen Tagsatzung, in einem früheren Schriftsatz oder in der nächsten Tagsatzung hätte erstattet werden können (2 Ob 41/15s; 3 Ob 172/97h).
2. Zur Duplik des Klägers vom 24. September 2020 (ON 10)
Die (bloßen) Bestreitungen des Klägers im Schriftsatz ON 10 und geringfügigen Ergänzungen des Vorbringens hätten ohne Nachteil auch in der bereits anberaumten Tagsatzung vom 6. Oktober 2020 erfolgen können; im Übrigen besteht der Schriftsatz im Wesentlichen aus Wiederholungen (zum Verjährungsverzicht siehe ON 7 Punkt 4.1.; zu den Pflegeaufwendungen ON 7 Punkt 4.3.). Zu Recht erfolgte daher keine Honorierung durch das Erstgericht.
3. Zum Schriftsatz eingebracht am 7. Oktober 2021 (ON 28):
3.1. Die Streitteile brachten am 7. Juni 2021 eine gemeinsame Ruhensanzeige ein, weil sie vereinbart hätten, dass das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung in einem Parallelverfahren zwischen den selben Parteien über ähnliche Ansprüche des Klägers für einen früheren Zeitraum ruhen solle. Am 7. Oktober 2021 stellte der Kläger einen Fortsetzungsantrag vom 6. Oktober 2021, weil das (beigelegte) Berufungsurteil im Parallelverfahren nunmehr vorliege. Der Schriftsatz enthielt weiters eine Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts dieses Urteils zum Thema „Pflege und Betreuungsbedarf“. Der Kläger beantragt, diesen Schriftsatz nach TP 2 RATG zu honorieren.
3.2. Auch Schriftsätze, die weder unter § 257 Abs 3 ZPO fallen, noch vom Gericht aufgetragen, allerdings auch nicht zurückgewiesen, sondern verwertet wurden, sind nur dann nach dem Auffangtatbestand des TP 2 I. Z 1 lit e RATG zu honorieren, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (RS0121828; RW0000666; 3 Ob 116/18g; 9 Ob 50/09g). Die bloße Darstellung des Inhalts des mit dem Fortsetzungsantrag vorgelegten Urteils hätte auch im (honorierten) Schriftsatz vom 10. November 2021, eingelangt am 11. November 2021 (ON 31), in welchem der Kläger eine Klagsausdehnung vornahm, erfolgen können und war nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Die Honorierung des Fortsetzungsantrags nur nach TP 1 RATG ist nicht zu beanstanden.
4. Zum Antrag auf Gutachtenserörterung vom 13. Juni 2022 (ON 50)
4.1. Das Erstgericht stellte mit Note vom 19. Mai 2022 das Gutachten des Sachverständigen ON 44 samt Gebührennote zu und trug „ für den Fall des Antrags auf Gutachtenserörterung “ auf, „ die an den Sachverständigen zu stellenden Fragen bereits im schriftlichen Antrag im Einzelnen darzulegen “. In seinem Gutachtenserörterungsantrag formulierte der Kläger bezogen auf Ausführungen des Sachverständigen im schriftlichen Gutachten sechs Fragen. Er begehrt die Honorierung dieses Schriftsatzes nach TP 3A statt nach TP 2 RATG.
4.2. Der Oberste Gerichtshof entschied bereits zu 2 Ob 162/10b, dass es sich bei einem Schriftsatz mit vier Fragen an den Sachverständigen nach Ladung der Parteienvertreter mit dem Beisatz „ Gegenstand: Gutachtenserörterung ...; Fragenliste erscheint tunlich , …“ um einen aufgetragenen Schriftsatz gemäß TP 3A I. 1. lit d RATG handle (RS0126467).
4.3. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte honorierte jedoch nahezu einhellig einen schlichten Antrag auf Ladung des Sachverständigen zur Erörterung nach TP 1, Anträge auf Gutachtenserörterung mit Vorbringen und Fragen zum Thema nach TP 2 und gewährte in begründeten, komplexen Fällen einen Zuschlag nach § 21 Abs 1 RATG (siehe Obermaier , aaO Rz 3.70 und die dort zitierte Rechtsprechung).
4.4. Der Oberste Gerichtshof judizierte in jüngster Zeit mehrfach (2 Ob 82/23g; 7 Ob 212/22k; 7 Ob 184/22t; 2 Ob 186/21y) neuerlich, dass ein Antrag auf Gutachtenserörterung mit Fragenkatalog dann nach TP 3A RATG als aufgetragener Schriftsatz entlohnt werden könne, wenn die Partei aufgefordert wurde, im Falle eines Antrags auf Gutachtenserörterung eine konkrete Fragenliste vorzulegen.
4.5. Die jüngere Rechtsprechung der Oberlandesgerichte folgt nunmehr zum Teil dieser Judikaturlinie. Das Oberlandesgericht Innsbruck honoriert nun bei einem Auftrag, eine Fragenliste vorzulegen, einen solchen Schriftsatz im Regelfall nach TP 3A RATG (4 R 156/23g; RI0100090; RI0100056). Das Oberlandesgericht Wien (14 R 81/23v [unveröffentlicht]) differenziert danach, ob das Erstgericht nur die bereits kraft Gesetzes (§ 357 Abs 2 ZPO) bestehenden Anforderungen an einen ausreichend begründeten Antrag auf Gutachtenserörterung einforderte ( Auftrag anzugeben, worüber der Sachverständige mündlich Aufklärungen und Erläuterungen zu seinem Gutachten geben solle ) oder ob der Auftrag lautete, konkrete Fragen anzuführen (diesfalls Honorierung nach TP 3A I. 1. lit d RATG). Das Oberlandesgericht Linz (4 R 31/23s mwN [unveröffentlicht]) lehnt diese Ansicht ausdrücklich ab, weil der Auftrag, im Fall der Stellung eines Antrags auf Gutachtenserörterung eine Fragenliste anzuschließen, keinem Auftrag zur Einbringung eines vorbereitenden Schriftsatzes im Sinn des § 78 ZPO gleich komme. Ein solcher Schriftsatz sei vielmehr vergleichbar mit einem Beweisantrag. Der Senat 5 des Oberlandesgerichts Graz (5 R 72/23g [unveröffentlicht]) schloss sich jüngst der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs an.
4.6. Auch der Rekurssenat folgt nunmehr der Ansicht des Obersten Gerichtshofs zumindest in jenen Fällen, in denen die aufgetragene Fragenliste – wie vorliegend – über den Umfang von bloßen Beweisanträgen hinaus mehrere gehaltvolle Fragen enthält.
4.7. Der Antrag auf Gutachtenserörterung ist daher - ohne dass auf das weitere in diesem Schriftsatz erstattete, nicht aufgetragene Vorbringen einzugehen ist - nach TP 3A RATG zu honorieren. Der Kläger begehrt eine Differenz von EUR 636,75 netto (= EUR 764,10 brutto). Die Differenz zwischen der Honorierung nach TP 2 und TP 3A RATG errechnet sich jedoch richtig mit 473,97 brutto (TP 3A EUR 860,90 zuzüglich 50 % ES EUR 430,45 und ERV EUR 2,10 = EUR 1.293,45; TP 2 EUR 436,20 zuzüglich 50 % ES EUR 218,10 und ERV EUR 2,10 = EUR 656,40; Differenz = EUR 637,05 zuzüglich 20 % USt = EUR 764,46; davon 62 % [Kostenersatzquote im vierten Verfahrensabschnitt] = EUR 473,97). In diesem Punkt erweist sich somit das Rechtsmittel des Klägers mit EUR 473,97 (darin EUR 79,00 Umsatzsteuer) als berechtigt.
5. Zutreffend verweist der Kläger auch darauf, dass die Kosten des Berufungsverfahrens einen eigenen Verfahrensabschnitt bilden und das Obsiegen im Berufungsverfahren im Verhältnis zum Berufungsantrag zu beurteilen ist.
5.1. Der Berufungsstreitwert der Berufung des Klägers betrug EUR 40.076,15. Mit der Entscheidung des Berufungsgerichts wurde dem Kläger schließlich ein Mehrbetrag von EUR 39.176,15 (EUR 67.378,88 statt EUR 28.202,73) zugesprochen. Er unterlag daher nur mit einem geringfügigen Teil, der besondere Kosten nicht veranlasst hat. Dem Kläger stehen daher gemäß §§ 43 Abs 2, 50 ZPO die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens auf Basis eines Streitwerts von EUR 39.176,15 zu. Das Erstgericht sprach 62% der verzeichneten Berufungskosten (EUR 1.900,44) und 81 % der Pauschalgebühr (EUR 1.853,28) zu. Tatsächlich stehen dem Kläger 100% der Berufungskosten auf Basis von EUR 39.176,15 (EUR 3.673,32) und die gesamten Pauschalgebühren (EUR 2.288,00) zu.
5.2. Der Kläger errechnet die Differenz offensichtlich ohne Berücksichtigung der Tariferhöhung ab 1. Mai 2023 (wie bereits bei Verzeichnung der Berufungskosten), wenn er eine Differenz von EUR 967,65 netto (= 1.161,18 brutto, darin EUR 193,53 Umsatzsteuer) begehrt. Dieser Betrag ist ihm daher jedenfalls zuzusprechen. Auch hinsichtlich der Pauschalgebührendifferenz ist das Rekursgericht an den Rekursantrag (Erhöhung um EUR 388,96 ) gebunden (§ 405 ZPO).
6. Der Kostenzuspruch des Erstgerichts war daher um EUR 2.024,11 (darin EUR 388,96 Barauslagen und EUR 272,53 Umsatzsteuer) zu erhöhen.
7. Die Kostenentscheidung im Rekursverfahren gründet sich auf die §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Im Rekursverfahren ist von einem annähernd gleichteiligen Obsiegen auszugehen, weshalb die Kosten des Rekursverfahrens gegeneinander aufzuheben sind.
8. Der Revisionsrekurs ist nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.
9.1. Der Kläger stellte nach Vorlage des Rekurses an das Rekursgericht „das höfliche Ersuchen , eine mit der gerichtlichen Bestätigung der Teilrechtskraft und Teilvollstreckbarkeit versehene Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses zuzustellen“. Diese Eingabe ist als sinngemäßer Antrag nach § 490 ZPO zu werten. Ungeachtet der Frage, ob ein derartiger Antrag im Rekursverfahren möglich ist, ist die Rechtssache jedenfalls mit der Entscheidung des Rekursgerichts zu Punkt 1. abschließend erledigt, sodass dem Kläger kein rechtliches Interesse an der Antragstellung mehr zukommt (vgl RS0042090) und der Antrag zurückzuweisen ist.
9.2. Die von der Beklagten verzeichneten Kosten für die „Bekanntgabe“, dass das „höfliche Ersuchen“ wegen bereits erfolgter Zahlung gegenstandslos sei, war nicht zu honorieren, weil ein allfälliges Verfahren über die Bestätigung der Teilrechtskraft und Teilvollstreckbarkeit einseitig zu führen ist und eine Stellungnahme der Beklagten nicht vorgesehen ist ( Danzl , Geo 10 § 150 Anmerkung 2d; RS0001582 [T3] = 4 Ob 168/16h).