122Ds3/17w – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Disziplinargericht für Notare durch den Richter Dr. Bornet (Vorsitz), die Richterin Mag a . Kohlroser und die Richterin aus dem Notarenstand Mag a . Ursula Thier (Berichterstatterin), in der Disziplinarsache gegen Dr. ***** , Notar in *****, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen Dr.*****, Notar in *****, wird gemäß § 176 erster Fall NO abgelehnt und die Sache nach Rechtskraft dieses Beschlusses an die Notariatskammer für Steiermark abgetreten .
Text
BEGRÜNDUNG:
Aus der Anzeige der Notariatskammer für Steiermark vom 28.Juni 2017 (ON 1) ergab sich der Verdacht, der Notar Dr.***** (kurz: Notar) habe mehrfach notarielle Urkunden, vor allem erst 2016 errichtete Notariatsakte auf den 29., 30. oder 31.Dezember 2015 rückdatiert.
Dieser Verdacht resultierte aus den Wahrnehmungen der Notare Mag a .***** und Mag.***** bei der von ihnen am 7.Juli 2016 beim Notar durchgeführten Revision. Wegen Abweichungen zwischen dem statistischen Ausweis für 2015 und dem Geschäftsregister, eines Krankenhausaufenthaltes des Notars am 29. und 30.Dezember 2015 und der vom Notar dazu den Revisoren gemachten Angaben, die diese als Geständnis der Rückdatierung verstanden, hatten die Revisoren den Verdacht auf rechtswidrige Rückdatierung von Verträgen (s. insbesondere ON 40 und 41).
Bei seiner Einvernahme im Rahmen der Vorerhebungen bestritt der Notar vehement, Rückdatierungen vorgenommen zu haben; alle Verträge seien an den in diesen angegebenen Tagen tatsächlich unterzeichnet worden. Während seines Krankenhausaufenthaltes habe er das Krankenhaus verlassen und seine nahegelegene Kanzlei aufgesucht, wo Verträge unterfertigt worden seien; einige Vertragsparteien seien sogar zur Unterfertigung ins Krankenhaus gekommen (ON 38).
Zur Klärung des Sachverhaltes wurden schon im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Wien mehrere Zeugen vernommen (103 BAZ 1342/17a; s. dort ON 19: Mag. Klaus ***** [AS 11ff], Josef ***** [AS 29ff], Helga und Franz ***** [AS 41ff]; Xiaohoa ***** [AS 55ff], Patrick ***** [AS 71ff] und Josef ***** [AS 47ff]). Einige dieser Zeugen (J. *****, H. und F. *****, J. *****) gaben ausdrücklich an, die Verträge seien am auf der Urkunde aufscheinenden Datum unterfertigt worden. Mag. ***** hatte keine genaue Erinnerung an den Unterzeichnungstermin. Die an einem Übergabsvertrag vom 30.Dezember 2015 (GZ 5013) beteiligten Zeugen ***** machten divergierende Angaben. Während Xiaohoa ***** von einer Unterfertigung im Winter spricht, gibt Patrick ***** eine solche im Frühling oder Sommer 2016 an. Nach Vorliegen dieser Zeugenaussagen stellte die Staatsanwaltschaft Wien das Ermittlungsverfahren am 23.August 2018 gemäß § 190 Z 2 StPO ein.
Zur Überprüfung der korrekten Datierung weiterer Verträge wurden im Rahmen von Vorerhebungen durch das Disziplinargericht zahlreiche weitere Zeugen vernommen.
Hinsichtlich des Übergabsvertrages vom 29.Dezember 2015 (GZ 4981) bestätigten die daran Beteiligten Josef ***** (ON 15), Irene ***** (ON 17) und DI Dietmar ***** (ON 18) die Unterfertigung am 29.Dezember 2015, womit auch die Aussage der Herta ***** (ON 16: „zwischen den Weihnachtsfeiertagen“) im Einklang steht. Betreffend den Übergabs- und Erbverzichtsvertrag vom 29.Dezember 2015 (GZ 4994) konnte infolge der Angaben der Zeugen Romana ***** (ON 19), Joachim ***** (ON 20) und Barbara ***** (ON 21) der Rückdatierungsverdacht nicht bestätigt werden, weil die Zeugen von einer Unterfertigung „im Winter“ (R. *****), wahrscheinlich im Jahr 2015 (J. *****) und „um die Weihnachtszeit“ (B. *****) sprechen. Zum Übergabs- und Erbverzichtsvertrag vom 30.Dezember 2015 (GZ 5010) gab Karin ***** zuerst an, der Vertrag sei sicher noch im Dezember 2015 unterfertigt worden; idF konnte sie nicht ausschließen, dass der Termin erst am 12.Jänner stattgefunden hat. Im Hinblick auf die Widersprüche lässt sich eine Rückdatierung nicht erweisen. Zum Übergabs- und partiellen Erbverzichtsvertrag vom 29.Dezember 2015 (GZ 4987) gehen die daran Beteiligten Gerhard ***** (ON 23) und Elisabeth ***** (ON 24) vom Unterzeichnungsdatum 29.Dezember 2015 aus, während Karl ***** (ON 25) keine Erinnerung an das Datum hat. Zum Übergabsvertrag auf dem Todesfall vom 31.Dezember 2015 (GZ 5030) bestätigen Franz ***** (ON 26) und Margarete ***** (ON 27) die Unterfertigung am 31.Dezember 2015; Heide ***** (ON 28) nimmt eine Unterfertigung ebenfalls am 31.Dezember 2015 an. Zum Übergabs- und Erbverzichtsvertrag vom 30.Dezember 2015 (GZ 5007) haben Franz ***** (ON 29) und Roswitha ***** (ON 30) keine Erinnerung an das Unterzeichnungsdatum. Bezüglich den Übergabsvertrag vom 31.Dezember 2015 (GZ 5048a), bei dem der Verdacht bestand, er sei erst am 9.Juni 2016 errichtet worden, gaben Monika ***** (ON 31) Rosina ***** (ON 32) und Barbara ***** (ON 33) jedenfalls eine Unterfertigung im Winter an und schlossen eine spätere Unterfertigung am 9.Juni 2016 ausdrücklich aus.
Rechtliche Beurteilung
Nach den Ergebnissen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und der Vorerhebungen des Disziplinargerichts lässt sich der in der Revision entstandene Verdacht der Rückdatierung von Urkunden durch den Notar nicht erhärten, weshalb davon auszugehen ist, dass eine konkrete, als Disziplinarvergehen zu ahndende Pflichtverletzung des Notars nicht erweislich ist. Weil ein Disziplinarverfahren noch nicht eingeleitet wurde (ein solches liegt erst vor, wenn ein Beschluss auf Einleitung der Disziplinaruntersuchung oder auf sofortige Verweisung der Sache zur mündlichen Verhandlung gefasst wurde [s. §§ 170, 176 bis 178 NO, § 123 Abs 6 RStDG), ist daher – gemäß dem Antrag des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Graz als Disziplinaranwalt (ON 47) – die Einleitung des Disziplinarverfahrens abzulehnen und die Sache nach Rechtskraft dieses Beschlusses an die Notariatskammer für Steiermark abzutreten (§ 176 NO).
Oberlandesgericht Graz, Abteilung Abt