JudikaturOLG Graz

3R40/17b – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
30. März 2018

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch die Richter Dr. Sommerauer (Vorsitz), Mag a . Weiß und Mag a . Dieber in der Insolvenzsache der Schuldnerin *****, wegen Bestimmung einer Pauschalgebühr nach Tarifpost 6 GGG über den Rekurs der Republik Österreich, vertreten durch die Revisorin beim Oberlandesgericht Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom 27. Februar 2017, 17 S 87/12f-48, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .

Text

begründung:

Das im November 2012 eingeleitete Konkursverfahren endete im Oktober 2014 nach Durchführung des Verwertungsverfahrens und Verteilung (Beschluss vom 2. Oktober 2014, ON 41). Zuvor hatte das Gericht in der Prüfungs-, Schlussrechnungs- und Verteilungstagsatzung am 24. September 2014 die Entlohnung des Masseverwalters mit EUR 11.880,00 brutto und die Pauschalgebühr mit EUR 1.425,00 (= 15/100 der Netto-Masseverwalterentlohnung von EUR 9.500,00) bestimmt. Der Masseverwalter entrichtete die Pauschalgebühr (ON 38f).

Mit Schriftsatz vom 6. März 2015 (ON 43) brachte der seinerzeitige Masseverwalter einen Nachtragsverteilungsentwurf ein, weil ihm aufgrund des am 12. Juli 2013 im Verfahren 6 Cg 24/13w des Landesgerichtes Leoben geschlossenen Vergleichs nach Aufhebung des Konkurses der Betrag von EUR 15.069,85 zugegangen war. Mit Beschluss vom 12. März 2015 (ON 44) setzte das Gericht den früheren Masseverwalter wieder in sein Amt ein; es genehmigte schließlich seinen Nachtragsverteilungsentwurf und bestimmte seine Entlohnung mit EUR 3.600,00 brutto (EUR 3.000,00 zuzüglich Umsatzsteuer) (ON 44). Nach erbrachtem Nachweis über die Nachtragsverteilung (ON 45) schloss das Gericht das Nachtragsverteilungsverfahren ab und es enthob den Masseverwalter wieder seines Amtes (ON 46, Beschluss vom 20. Mai 2015).

Am 1. Februar 2017 „verfügte“ die Revisorin beim Oberlandesgericht Graz die Vorlage des Aktes an die zuständige Insolvenzrichterin zur Bestimmung der Pauschalgebühr TP 6 GGG im Hinblick auf die Antwort zur Frage 11 der Revisorentagung 2016 . Sie schloss den Auszug einer offenbar bei der erwähnten Revisorentagung verteilten Unterlage an, aus der hervorgeht, dass das Bundesministerium für Justiz die Ansicht vertrete, die Pauschalgebühr nach TP 6 GGG falle auch bei einer Nachtragsverteilung an, wenn sich aus deren Anlass die Entlohnung des Insolvenzverwalters erhöhe, obwohl in der Tarifpost 6 nur die Schlussverteilung und nicht auch die Nachtragsverteilung genannt sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Erstgericht aus, es sehe von der Bestimmung einer Pauschalgebühr für die am 12. März 2015 durchgeführte Nachtragsverteilung ab .

Es begründete, in TP 6 Iit a GGG sei der Fall der Nachtragsverteilung als gebühren-auslösender Tatbestand nicht genannt. Eine Nachtragsverteilung sei auch keine verfahrens-beendende Entscheidung, wie dies die in der genannten Norm aufgezählten Fälle allesamt seien (Beendigung durch Schlussverteilung, durch gerichtliche Bestätigung des Sanierungs- oder Zahlungsplans, durch Einleitung des Abschöpfungsverfahrens oder mit Einverständnis der Gläubiger).

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Revisorin mit dem Abänderungsantrag dahin, dem Erstgericht wolle die Bestimmung der Pauschalgebühr nach TP 6 lit a GGG in Höhe von EUR 450,00 aufgetragen werden . Hilfsweise stellt sie auch einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag. Sie führt eine Rechtsrüge aus.

Der Rekurs ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Normenlage:

Gemäß Tarifpost 6 I lit a GGG ist für das Insolvenzverfahren im Falle der Beendigung durch Schlussverteilung, der Beendigung durch gerichtliche Bestätigung des Sanierungs- oder Zahlungsplans, der Beendigung durch Einleitung des Abschöpfungsverfahrens oder der Beendigung mit Einverständnis der Gläubiger eine Pauschalgebühr in Höhe von 15 von Hundert der Entlohnung des Insolvenzverwalters nach §§ 82 bis 82c IO, mindestens jedoch EUR 423,00, zu entrichten. Nach der Anmerkung 1 zu dieser Tarifpost hängt die Aufhebung des Konkurses davon ab, dass die Pauschalgebühr bezahlt wird. Nach Anmerkung 2 ist die Pauschalgebühr für das Insolvenzverfahren wie eine Masseforderung zu behandeln.

Für die Bestimmung dieser Pauschalgebühr ordnet § 4 Abs 1 GEG Folgendes an:

Wenn entweder im Konkursverfahren vor dem Gerichtshof oder im Schuldenregulierungsverfahren vor dem Bezirksgericht bei Bestellung eines Masseverwalters alle sonstigen Voraussetzungen für die Aufhebung des Konkursverfahrens nach Schlussverteilung oder mit Einverständnis der Gläubiger erfüllt sind oder alle Voraussetzungen für die Bestätigung des Sanierungs- oder Zahlungsplans oder für die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens vorliegen, hat das Insolvenzgericht mit Beschluss die Pauschalgebühr nach Tarifpost 6 GGG zu bestimmen und den Masseverwalter zur Zahlung dieser Gebühr aufzufordern. In den Beschluss ist ein Hinweis auf die Rechtsfolgen aufzunehmen, die bei Nichtzahlung der Pauschalgebühr eintreten.

Derartige Beschlüsse gemäß § 4 Abs 1 GEG sind nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung zu fassen; sie können vom Masseverwalter und vom Schuldner, soweit er zahlungspflichtig ist, mit Rekurs angefochten werden (§ 4 Abs 3 GEG).

§ 22 Abs 1 GGG regelt schließlich, dass im Falle der Beendigung des Konkursverfahrens vor dem Gerichtshof durch Schlussverteilung oder Bestätigung des Sanierungsplans der Masseverwalter verpflichtet ist, die Pauschalgebühr aus der Insolvenzmasse zu zahlen. Wird die Pauschalgebühr nach der Aufhebung des Konkursverfahrens erhöht, obliegt die Zahlung des Erhöhungsbetrags dem Schuldner; dafür sind weiters auch die Personen zahlungspflichtig, die die Haftung für die Verbindlichkeiten des Schuldners übernommen haben. Gemäß § 22 Abs 4 GGG ist für die Entrichtung der Pauschalgebühr für das Insolvenzverfahren nach rechtskräftiger Aufhebung des Konkurses auch der Masseverwalter zahlungspflichtig, wenn ihm hinsichtlich dieser Gebühr ein Verschulden an einer Gebührenverkürzung zur Last fällt.

2. Zur Problemstellung:

Die Insolvenzordnung unterscheidet zwischen der in § 136 IO geregelten Schlussverteilung nach vollständiger Verwertung der Masse, deren Vollzug zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens gemäß § 139 IO führt, und der in § 138 IO geregelten Nachtragsverteilung für nach der Schlussverteilung freiwerdendes oder zum Vorschein kommendes Insolvenzvermögen. Dabei ändert die konkursgerichtliche Anordnung einer Nachtragsverteilung nach herrschender Ansicht nichts an der Aufhebung des Konkurses und deren Wirkung; die Rechtskraft des (ursprünglichen) Verteilungsbeschlusses erstreckt sich auch auf etwaige Nachtragsverteilungen ( Mohr IO 11 § 138 E 8 und 34).

Es fehlt aber eine klare gesetzliche Anordnung, wie die Entlohnung des Insolvenzverwalters (§§ 82 bis 82c IO), die Belohnung der bevorrechteten Gläubigerschutzverbände (§ 87a IO) und die Pauschalgebühr in Fällen einer Nachtragsverteilung zu bemessen sind; dennoch werden – nach jeweiliger örtlicher Praxis – dem Insolvenzverwalter eine (weitere) Entlohnung und den Gläubigerschutzverbänden eine (weitere) Belohnung zuerkannt, haben sie im Nachtragsverteilungsverfahren doch auch Aufgaben zu erfüllen ( Havas/Neumayr , Die Verfahrenskosten bei der Nachtragsverteilung nach § 138 IO, ZIK 2016/60, 56 [57]; Poltsch/Reckenzaun in Poltsch/Bertl/Fraberger/Reckenzaun/Isola/Petsch, Praxishandbuch Insolvenzabwicklung, 908).

Zur Pauschalgebühr nach Tarifpost 6 meinen Wais/Dokalik (in GGG 12 TP 6 Bem 3), die Höhe der Pauschalgebühr hänge unmittelbar von der Höhe der Entlohnung des Insolvenzverwalters ab, daher müsse eine Erhöhung seiner Entlohnung bei einer Nachtragsverteilung auch auf die Höhe der Gerichtsgebühr durchschlagen: Bei einer Entlohnung des Insolvenzverwalters im Nachtragsverteilungsverfahren habe das Gericht auch eine ergänzende Gerichtsgebühr zu bestimmen.

Dieser Auffassung folgend ließ die Revisorin im Zuge der Nachprüfung der Gebühren und Kosten im Jahre 2017 den vorliegenden Akt zur Bestimmung einer (ergänzenden) Pauschalgebühr der Insolvenzrichterin vorlegen, weil eine solche – nach ihrer Auffassung – im Nachtragsverteilungsverfahren zu Unrecht unterblieben sei. In ihrem Rekurs meint sie, wegen des aufgehobenen Konkurses sei die Gebühr der Schuldnerin vorzuschreiben.

3. Zur Zulässigkeit des Rekurses:

Während sonst die Bestimmung und Vorschreibung der Gerichtsgebühren dem Kostenbeamten obliegt, hat nach § 4 Abs 3 GEG ausnahmsweise das Insolvenzgericht die Pauschalgebühr nach Tarifpost 6 GGG zu bestimmen; das Gesetz nennt nur den Masseverwalter und den Schuldner, letzterer in den Fällen seiner Zahlungspflicht, als rekurslegitimiert. Diese (Sonder-)Bestimmung sieht kein Rekursrecht des Revisors vor. Dies ist möglicherweise der verfahrensrechtliche Hintergrund, dass in der Praxis insolvenzgerichtliche Beschlüsse über die Bestimmung der Pauschalgebühr nach Tarifpost 6 GGG kaum vorkommen: Der Insolvenzverwalter sorgt nämlich in der Regel aus eigenem für die Zahlung, das Gericht prüft die Zahlung über die Schlussrechnung und vor Fassung des Aufhebungsbeschlusses. Die Höhe ist seit dem IRÄG 1994 durch das Anlegen eines Prozentsatzes an die bestimmte Nettoentlohnung des Verwalters problemlos zu errechnen ( Engelhart in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 46 IO Rz 23 [Stand: 1.11.2012 rdb.at]). Eine Befassung des Revisors durch Zustellung des Gebührenbestimmungsbeschlusses unterbleibt im Insolvenzverfahren daher regelmäßig.

Dennoch vertritt der Rekurssenat die Auffassung, dass der hier vorliegende Rekurs zulässig ist. § 4 Abs 3 GEG ordnet nämlich auch an, dass derartige Gebührenbestimmungsbeschlüsse nach der Insolvenzordnung zu fassen sind. Im Insolvenzverfahren ist aber grundsätzlich jeder zum Rekurs befugt, der in seinem Recht beschwert ist. Voraussetzung der Rekurslegitimation ist nur, dass der Rekurswerber in seinem Recht verletzt sein kann; ein bloß wirtschaftliches Interesse genügt freilich nicht (RIS-Justiz RS0065135). Dass der Gebührenanspruch der Republik Österreich durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt sein könnte, ist evident und die Rekurslegitimation der Revisorin nach Auffassung des Rekursgerichtes im vorliegenden Fall schon nach dem genannten allgemeinen Verfahrensgrundsatz im Insolvenzverfahren gegeben. Der Rekurs ist daher zulässig.

4. Zur fehlenden inhaltlichen Berechtigung des Rechtsmittels:

Die Auffassung der Rekurswerberin, anlässlich einer Nachtragsverteilung sei im Falle der Erhöhung der Entlohnung des Insolvenzverwalters auch eine ergänzende Pauschalgebühr zu bestimmen und einzuheben, ist grundsätzlich gut nachvollziehbar. Die Höhe der ergänzenden Pauschalgebühr könnte dabei aus der Differenz zwischen der „Gesamtpauschalgebühr“ und der bereits anlässlich der Schlussverteilung festgesetzten Pauschalgebühr errechnet werden.

Diese Argumentation hat allerdings gegen sich, dass in der Tarifpost 6 I lit a GGG ausdrücklich nur die Schlussverteilung und nicht auch eine allfällige Nachtragsverteilung als die Pauschalgebühr auslösender Tatbestand genannt ist. Auch alle anderen dort erwähnten gebührenrelevanten Tatbestände sind solche, die das Insolvenzverfahren beenden. Dies trifft auf eine allfällige Nachtragsverteilung nicht zu.

Wie bereits erwähnt, fehlt auch für die Entlohnung des Insolvenzverwalters und die Belohnung der bevorrechteten Gläubigerschutzverbände im Falle einer Nachtragsverteilung eine klare gesetzliche Anordnung. Die örtliche Praxis der Insolvenzgerichte spielt dabei eine große Rolle ( Petsch in Petsch/Reckenzaun/Bertl/Isola, Praxishandbuch Konkursabwicklung² [2003], 769; Poltsch/Reckenzaun in Poltsch et. al., Praxishandbuch Insolvenzabwicklung, 908).

Das Gerichtsgebührengesetz knüpft dagegen bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Diesem Prinzip widerspräche eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elementes des im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestandes hinwegsieht, an den das Gesetz die Gebührenpflicht oder die Ausnahme knüpft. Es würde den Prinzipien des Gerichtsgebührengesetzes daher zuwiderlaufen, würde ein nicht ausdrücklich genannter Gerichtsgebührentatbestand im Wege der Analogie geschaffen. Auch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise eignet sich nicht als Maßstab für gebührenrechtliche Tatbestände ( Wais/Dokalik, GGG 12 § 1 GGG E 13; VwGH 2012/16/0063). Diese Sicht ist auch ein Tribut an die Rechtssicherheit in Gebührenangelegenheiten, zumal gerade im vorliegenden Fall die persönliche Haftung des Masseverwalters und/oder der Schuldnerin für eine Gebührennachforderung im Range einer Masseforderung bei vollständig verteiltem Massevermögen folgen müsste ( Havas/Neumayr , Die Verfahrenskosten bei der Nachtragsverteilung nach § 138 IO, ZIK 2016/60, 56 [58]).

Vor diesem Hintergrund kann sich das Rekursgericht der von der Rekurswerberin geforderten Einbeziehung der Nachtragsverteilung als weiteren gebührenauslösenden Tatbestand in den Katalog der in Tarifpost 6 I lit a GGG genannten Fälle im Wege der Analogie nicht anschließen.

Hiezu kommt, dass gemäß § 4 Abs 1 GEG dem Insolvenzgericht die Kompetenz zur Gebührenbestimmung zwischen dem Zeitpunkt, in dem alle sonstigen Voraussetzungen für die Aufhebung des Konkursverfahrens nach Schlussverteilung vorliegen, und der Aufhebung des Konkurses zukommt. Auch einen solchen Zeitraum gibt es bei der Nachtragsverteilung naturgemäß nicht, sodass – würde eine Gebührenpflicht in Nachtragsverteilungsfällen grundsätzlich bejaht werden – weiters unklar sein könnte, ob die Bestimmung dieser Gebühr dann in die besondere Kompetenz des Insolvenzgerichtes oder in die allgemeine Kompetenz des Kostenbeamten fiele.

5. Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass aufgrund der geltenden Rechtslage eine Nachtragsverteilung auch im Falle der Erhöhung der Entlohnung des Masseverwalters keine (ergänzende) Gebührenpflicht nach TP 6 I lit a GGG auslöst. Ein anders lautendes Verständnis bedürfte einer expliziten Klarstellung im Gesetzt (so zutreffend Havas/Neumayr , Verfahrenskosten, ZIK 2016/60, 56 [58]).

Der bekämpfte Beschluss, mit dem die Erstrichterin von der von der Revisorin geforderten Bestimmung einer Pauschalgebühr für die am 12. März 2015 durchgeführte Nachtragsverteilung absah, entspricht daher dem Gesetz, weshalb der Rekurs scheitert. Die angefochtene Entscheidung war zu bestätigen.

Gemäß § 252 IO sind die Bestimmungen über den Revisionsrekurs der ZPO sinngemäß anzuwenden. Daher ist der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig, weil es sich um eine Entscheidung über einen Kostenpunkt handelt. Unter diesen Ausschlusstatbestand fallen nach der Rechtsprechung des Höchstgerichtes alle Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form über Kosten entschieden wird (Klauser/Kodek JN-ZPO17 § 528 E 113, 134a und 137).

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 3

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