JudikaturOLG Graz

122Ds2/17y – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
31. August 2017

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Disziplinargericht für Notare durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Graz Dr. René Bornet (Vorsitz), die Richterin des Oberlandesgerichtes Graz Mag a . Karin Kohlroser sowie den öffentlichen Notar Dr. Johann Lederer (BE) in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag a . Katharina Schenk, MSc, als Schriftführerin und des Disziplinaranwaltes Oberstaatsanwalt Mag. Erich Leitner sowie des Disziplinarbeschuldigten ***** , öffentlicher Notar in *****, in öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

***** ist schuldig ,

er hat als öffentlicher Notar in *****:

Er hat hiedurch zu 1. und 3. b) Disziplinarvergehen nach § 156 Abs 1 Z 2 (zu 3.b)) bzw Z 3 (zu 1.) NO und zu 2., 3. a), c) und d) sowie 4. Ordnungswidrigkeiten gemäß § 156 Abs 2 NO begangen.

Über ihn wird hiefür gemäß §§ 157 Abs 1, 158 Abs 1 Z 2 und § 159 Abs 1 NO eine

Geldbuße von EUR 5.000,00

verhängt.

Gemäß § 184 Abs 2 NO hat ***** den mit EUR 1.000,00 bestimmten Pauschalkostenbeitrag zu ersetzen.

Text

GRÜNDE:

Auf Grund des Antrages der Oberstaatsanwaltschaft Graz vom 21. Juli 2017 wurde vom Disziplinargericht gemäß § 177 Abs 1 NO ohne Fassung eines besonderen Einleitungsbeschlusses die mündliche Verhandlung und die unmittelbare Ladung des beschuldigten Notars angeordnet. Nach dem Ergebnis der mündlichen Disziplinarverhandlung vom 31. August 2017 wird folgendes festgestellt:

***** (Disziplinarbeschuldigter = DB) ist am ***** geboren. Er ist Notar in ***** seit 1994.

Er ist verheiratet, unterhaltspflichtig für seine Ehegattin (die aber auch eine Eigenpension bezieht) und eine studierende Tochter. Er hat ein monatliches Nettoeinkommen von rund EUR 8.000,-- bis EUR 10.000,--. Er besitzt ein Einfamilienhaus in ***** mit einem Wert von ca. EUR 600.000,--. Er hat Schulden in der Höhe von ca. EUR 50.000,-- aus dem Kauf einer Eigentumswohnung für seine Ehegattin.

Am 27. August 2010 errichtete der DB einen Notariatsakt zwischen dem österreichischen Staatsbürger *****, geboren 06. März 1964, und der Staatsbürgerin der Volksrepublik China *****, geboren 19. März 1980. Beide Vertragsparteien waren Brautleute und beabsichtigten, miteinander die Ehe zu schließen. Gegenstand des Notariatsaktes war eine Vereinbarung für den Fall der Scheidung der Ehe. Im Falle der Scheidung der Ehe sollte ***** Alleineigentümer seiner Eigentumswohnung in 1180 Wien, *****, bleiben. ***** wurde von ***** als Abfertigungsanspruch für alle ihre Ansprüche der Betrag von EUR 130.000,-- angeboten. Bei der Errichtung dieses Notariatsaktes hat es der DB fahrlässigerweise unterlassen, die Deutschkenntnisse der ***** aus eigenem zu überprüfen. Er hat auf Grund der ihm bekannten längeren Beziehung zwischen den Vertragsparteien angenommen, dass ***** über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt. Die am 28. September 2010 vor dem Standesamt in *****, China, geschlossene Ehe der Vertragsparteien wurde vom Bezirksgericht ***** am 05. Juli 2012 aus alleinigem Verschulden der ***** geschieden. In weiterer Folge hat ***** ihren Anspruch aus dem Notariatsakt gegenüber ***** beim Bezirksgericht ***** eingeklagt (Verfahren 2 C 20/13 w). Im Zuge dieses Verfahrens wurde der DB als Zeuge geladen. Trotz eines vorangegangenen schriftlichen Hinweises der zuständigen Richterin vom 26. November 2013, dass der von ihm angegebene Entschuldigungsgrund nicht ausreichend sei, hat der DB die Zeugenladung für den 18. Dezember 2013 nicht befolgt. Die Notariatskammer für ***** wurde hievon mit Schreiben der zuständigen Richterin des Bezirksgericht ***** vom 14. Jänner 2014 in Kenntnis gesetzt. Dieses Schreiben langte am 14. Februar 2014 in der Notariatskammer für ***** ein. Am 07. Jänner 2014 haben die Vertragsparteien ***** und ***** einen Vergleich beim Bezirksgericht ***** abgeschlossen, in welchem sich ***** zur Zahlung von EUR 86.000,-- an ***** verpflichtet hat.

Am 24. November 2014 wurde durch Notar ***** eine Regelrevision in der Notarstelle des DB in ***** durchgeführt. Dabei wurden folgende Mängel festgestellt:

● dass entgegen § 41 Abs 3 NO für Neusiegel keine Bewilligung der Notariatskammer eingeholt wurde,

● dass entgegen § 36a Abs 2 NO keine angemessenen und geeigneten Strategien und Verfahren zur Erfüllung der im Rahmen der Bekämpfung von Geldwäscherei (§ 165 StGB) und Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) auferlegten Sorgfaltspflicht innerhalb der Kanzlei eingeführt wurden, um Transaktionen, die mit Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung zusammenhängen, vorzubeugen und diese zu verhindern;

● dass entgegen § 4 Abs 3 der Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer vom 27. Oktober 1993 für das Beurkundungsregister, das Unterschriftenregister und das Geschäftsregister die Vermerkblätter nicht am Ende des Kalenderjahres geheftet und mit dem Amtssiegel versehen wurden,

● dass entgegen Punkt 22 der Richtlinien der Österreichischen Notariatskammer vom 08. Juni 1999 über die Vorgangsweise bei notariellen Treuhandschaften (THR 1999) nur teilweise Vereinbarungen über die Übernahme des Treuhandauftrages mit seinen Treugebern bzw. deren Vertretern oder Bevollmächtigten schriftlich abgeschlossen wurden.

Am 12. Jänner 2015 wurden dem DB die festgestellten Mängel durch Notar ***** schriftlich bekannt gegeben.

Am 04. Mai 2016 fand in der Notariatskanzlei des DB eine unangekündigte Revision durch *****, Präsident der Notariatskammer für *****, und *****, Präsident-Stellvertreter der Notariatskammer für *****, sowie *****, Notar in *****, statt. Bei dieser unangekündigten Revision wurde festgestellt, dass die mit Schreiben vom 12. Jänner 2015 gerügten Mängel noch nicht beseitigt waren.

In seinem Schreiben vom 05. August 2016 an die Notariatskammer für ***** hat der DB die unangekündigte Revision als „widerlichen, respektlosen, frechen, arroganten, präpotenten und hinterlistigen Revisionsüberfall“ bezeichnet.

Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des DB stützen sich auf dessen glaubwürdige Angaben.

Die Feststellungen hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Sachverhalte stützen sich auf das durchgeführte Beweisverfahren, insbesonders auf die Vernehmung des DB durch die Untersuchungskommissärin vom 24. April 2017 und die Vernehmung in der Disziplinarverhandlung vom 31. August 2017. Der DB hat die Feststellungen zu den verfahrensgegenständlichen Sachverhalten nicht bestritten und die festgestellten Standespflichtverletzungen zugestanden, was sich mit den weiteren Verfahrensergebnissen deckt. Diesbezüglich sei insbesondere auf den Notariatsakt vom 27. August 2010 (zu ON 3, AS 61 bis 65), das Schreiben des Bezirksgerichtes ***** vom 14. Jänner 2014 (zu ON 3, AS 37 bis 39), das Schreiben ***** vom 9. Mai 2016 (zu ON 1, Seite 5f) sowie das Schreiben des DB vom 5. August 2016 (zu ON 9, Seite 3) verwiesen.

Rechtliche Beurteilung:

Rechtliche Beurteilung

Das zu 1. angeführte Disziplinarvergehen (Notariatsaktserrichtung vom 27.08.2010) ist gemäß § 160 Abs 1 NO noch nicht verjährt, weil der DB innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist (Ende: 27. August 2015) eine neue Standespflichtverletzung (Nichtbefolgung der Zeugenladung für 18. Dezember 2013) begangen hat. Die Notariatskammer für ***** erlangte mit Schreiben vom 14. Jänner 2014 (eingelangt am 14. Februar 2014) Kenntnis von dieser neuen Standespflichtverletzung. Für diese Ordnungswidrigkeit besteht eine einjährige Verjährungsfrist ab Kenntnis der Notariatskammer vom zu Grunde liegenden Sachverhalt. Begeht der Notar innerhalb der Verjährungsfrist eine neue Standespflichtverletzung, so tritt die Verjährung gemäß § 160 Abs 3 NO nicht ein, bevor auch für diese (neue) Standespflichtverletzung die Verjährungsfrist nicht abgelaufen ist. Da somit innerhalb der Fünfjahresfrist nach Errichtung des Notariatsaktes vom 27. August 2010 und innerhalb der Einjahresfrist ab Kenntnis der Notariatskammer für ***** von der Nichtbefolgung der Zeugenladung (14. Februar 2014) weitere Standespflichtverletzungen durch den DB begangen wurden, liegt keine Verjährung vor.

Die zu 1. festgestellte Standespflichtverletzung (Notariatsakt vom 27. August 2010) war gemäß § 156 Abs 1 Z 3 NO als Disziplinarvergehen zu werten, weil sie geeignet war, bei einem anderen einen EUR 3.600,-- übersteigenden Schaden herbeizuführen. Bei der Vertragspartei ***** ist bei Vergleich ihres vertraglich zugesicherten Anspruches (EUR 130.000,--) mit dem durch gerichtlichen Vergleich vom 07. Jänner 2014 vereinbarten Anspruch (EUR 86.000,--) ein Vermögensnachteil (Schaden) von wesentlich mehr als EUR 3.600,-- eingetreten.

Die zu 3.b) festgestellte Standespflichtverletzung (keine Maßnahmen gegen Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung) ist gemäß § 156 Abs 1 Z 2 NO als Disziplinarvergehen zu werten, da sie vorsätzlich begangen wurde. Der DB hat überhaupt keine Maßnahmen gesetzt, um den zuvor durch eine Kanzleirevision festgestellten Mangel zu beheben. Diese Standespflichtverletzung ist geeignet, einen bedeutenden Schaden nach sich zu ziehen.

Die übrigen Standespflichtverletzungen sind als Ordnungswidrigkeiten zu beurteilen.

Bei der Strafbemessung waren folgende Umstände als erschwerend zu werten:

- Die Verletzung einer wesentlichen Bestimmung der Notariatsordnung bei Errichtung eines Notariatsaktes (zu 1.),

- der Eintritt eines Vermögensnachteiles (Schadens) bei einer Vertragspartei (*****),

- das Begehen mehrerer Standespflichtverletzungen über einen längeren Zeitraum,

- dass einige der festgestellten Standespflichtverletzungen vorsätzlich bzw trotz schriftlichen Mängelbekanntgabe (weiter) begangen wurden.

Bei der Strafbemessung waren folgende Umstände als mildernd zu bewerten:

- Die bisherige disziplinargerichtliche Unbescholtenheit des DB,

- das Mitwirken des DB an der Klärung der zu beurteilenden Sachverhalte,

- das Schuldeingeständnis des DB.

Bei Beachtung der im § 159 Abs 1 NO genannten Strafzumessungsgründe ist gemäß § 158 Abs 1 Z 2 NO mit einer Geldbuße vorzugehen, da ein bloßer Verweis im Hinblick auf die Art und Zahl der begangenen Standespflichtverletzungen nicht ausreicht. Insbesonders ist zu berücksichtigen, dass durch das zu 1. angeführte Disziplinarvergehen ein größerer Schaden verursacht wurde und die Pflichtverletzung geeignet war, dem Notariatsakt die Kraft einer öffentlichen Urkunde zu nehmen. Eine Suspension oder Entsetzung vom Amt wäre aber inadäquat. Bei der Bemessung der Geldbuße erscheint ausgehend von den festgestellten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des DB in Verbindung mit den dargelegten Strafzumessungsgründen ein Betrag von EUR 5.000,-- als angemessen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 184 Abs 2 NO. Da der Verfahrensaufwand doch relativ groß war, wird ein Kostenbeitrag von EUR 1.000, - als angemessen angesehen.

Oberlandesgericht Graz, Abteilung Abt

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