112Ds4/17v – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Greller als Vorsitzenden sowie die Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Bott und DI Dr.Luger, im Beisein des Richteramtsanwärters Mag.Scherr als Schriftführer, in der Dienststrafsache gegen den Richter des Landesgerichtes ***** Mag.***** nach nichtöffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Ersten Oberstaatsanwaltes Mag.Kloibhofer als Disziplinaranwalt und des Beschuldigten sowie seines Verteidigers Dr.***** R*****, Rechtsanwalt in W*****, zu Recht erkannt:
Spruch
Mag.***** ist schuldig ,
er hat als Richter des Landesgerichtes ***** dadurch, dass er am 18.Dezember 2015 vor bzw im Zuge der Weihnachtsfeier des Landesgerichtes ***** durch Konsum von Wodka und Wein bei vorangehender Einnahme von Tranquilizern in hoher Dosis sich, wenn auch nur fahrlässig, in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzte und in diesem Zustand an der von vielen Gerichtsbediensteten besuchten Weihnachtsfeier im Gerichtsgebäude teilnahm und im Rahmen dieser Weihnachtsfeier die ***** 1998 geborene Verwaltungsassistentin T***** D***** durch das in Gegenwart von anderen Gerichtsbediensteten erfolgte nicht bloß flüchtige Streicheln eines ihrer nur mit einer Strumpfhose bekleideten Oberschenkel sowie verbal durch das Anbieten von EUR 50,00 für den Ankauf und das anschließende Vorführen einer Strumpfhose sexuell belästigte, die in § 57 Abs 3 RStDG normierte Pflicht, sich im und außer Dienst so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen seines Berufsstandes nicht gefährdet wird, verletzt.
Er hat hiedurch ein Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG begangen.
Über ihn wird hiefür gemäß § 104 Abs 1 lit b RStDG die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.500,00 verhängt.
Gemäß § 137 Abs 2 zweiter Satz RStDG hat der Beschuldigte die mit EUR 1.000,00 bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.
Hingegen wird Mag.***** vom weiteren Vorwurf, er habe im Februar 2015 am Landesgericht ***** in dem ihm zugewiesenen Amtsraum die Ordnung und Hygiene nachhaltig vernachlässigt, indem im ganzen Raum Unordnung herrschte, eine Unterhose sowie Schuhe sowie ein stark verschmutztes Leintuch im Raum verstreut herumlagen, in der Dusche ein übel riechendes Leintuch vorgefunden wurde und das WC, offensichtlich weil nach der letzten Benützung die Spülung nicht aktiviert worden war, ebenfalls verschmutzt war,
freigesprochen .
Text
GRÜNDE:
Mit Sachverhaltsdarstellung vom 5.Jänner 2016 setzte der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien das Oberlandesgericht Graz als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte in Kenntnis, dass der als Richter des Landesgerichtes ***** tätige Beschuldigte Mag.***** anlässlich der gerichtlichen Weihnachtsfeier am 18.Dezember 2015 eine 17-jährige Verwaltungsassistentin unsittlich belästigt und weiters im Februar 2015 in seinem Dienstzimmer Ordnung und Hygiene empfindlich vernachlässigt habe (ON 1, AS 1f).
Nach Vernehmung des Beschuldigten durch den Untersuchungskommissär (ON 9) und Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens (ON 15) wurde die Disziplinarsache mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte vom 24.November 2016 gemäß § 123 Abs 4 zweiter Fall RStDG zur mündlichen Verhandlung verwiesen (ON 22).
Zur Person des Beschuldigten:
Der am ***** geborene Beschuldigte wurde nach Ablegung der Richteramtsprüfung mit ausgezeichnetem Erfolg ***** 1998 zum Richter ernannt. Er war vorerst beim Bezirksgericht M***** und ist seit ***** 2008 beim Landesgericht ***** tätig, wo er vorerst als Rechtsmittelrichter in Zivilrechtssachen arbeitete und seit 2012 je zur Hälfte in erstinstanzlichen Zivil- bzw Arbeits- und Sozialrechtssachen eingesetzt ist. Er ist ledig, hat keine Sorgepflichten, bezog für März 2017 (ohne anteilige Sonderzahlung und Aufwandsentschädigung) ein Bruttoentgelt von EUR 6.414,48 (ON 32) und hat Kreditverbindlichkeiten von ca EUR 20.000,00 (ON 9, AS 2). Mit 1.August 2016 verlegte er seinen Wohnsitz von ***** W*****, ***** nach ***** W*****, *****.
Schon etwa 2001 hatte der Beschuldigte gröbere Alkoholprobleme, weswegen er ***** eine stationäre Alkoholentwöhnungsbehandlung absolvierte und seit damals auch durchgehend in psychiatrisch-neurologischer Facharztbehandlung bei Dr.H***** P***** steht, zumal er eine rezidivierende depressive Symptomatik sowie Angststörungen mit zum Teil panikartigen Zustandsbildern aufweist und auch an Fettleibigkeit litt, weswegen er sich ***** einer Magen-Bypass-Operation *****, unterzog. Über Verordnung von Dr.P*****, bei dem er auch 14-tägige Therapiegespräche absolviert, nahm er zur Behandlung seiner Depressionen größere Mengen von Tranquilizern, unter anderem die Medikamente Alprazolam, Praxiten, Enterobene, Mirtabene, Efectin, Lyrica und Seroquel ein. Ungeachtet dessen verstärkte sich insbesondere im November 2015 das Krankheitsbild zu einer schweren Depression. Bedingt unter anderem durch eine Krebsdiagnose bei seiner Mutter sprach er wieder vermehrt dem Alkohol zu, nachdem laut Dienstbeschreibung vom 31.März 2003 die vom Personalsenat schon am 22.März 2001 konstatierte Alkoholkrankheit infolge der obgenannten Therapie und durch völlige Alkoholabstinenz kein Problem mehr mit sich gebracht hatte. Zwischenzeitig hat der Beschuldigte zwischen September und Dezember 2016 eine neuerliche stationäre Alkoholentzugsbehandlung absolviert, wodurch sich im Zusammenhang mit völliger Alkohol- und Tranquilizerabstinenz durch die etablierte Medikation mit Efectin, Mirtabene, Lyrica und Seroquel der Zustand des Beschuldigten, der weiterhin bei Dr.P***** in dauernder Behandlung steht, deutlich gebessert hat.
Zur Sache:
Bedingt durch den Wohnort des Beschuldigten im nördlichen W***** und die dadurch notwendige ca zweistündige Wegzeit zum Gericht wurde dem Beschuldigten etwa 2013 am Landesgericht ***** ein mit Dusche, WC, Handwaschbecken und Bett ausgestattetes Arbeitszimmer, das früher als Gästewohnung und dann als kindergerecht ausgestattetes Zimmer für kontradiktorische Vernehmungen gedient hatte, zur Verfügung gestellt. In diesem Dienstzimmer nächtigte der Beschuldigte mit Zustimmung des Präsidenten des Gerichtshofes mehrfach pro Woche. Infolge der Stoffwechselerkrankung des Beschuldigten, die mit Magenblutungen sowie Magen- und Verdauungsproblemen einherging, traten krankheitsbedingte Verschmutzungen auf, die es zB notwendig machten, dass der Beschuldigte seinen Sessel mit Papier auslegte, um Verschmutzungen des Sessels hintanzuhalten. Diese Unpässlichkeiten des Beschuldigten und ein Arbeitsanfall, der umfangreiche Literaturrecherchen erforderte, bedingten, dass sich die für dieses Dienstzimmer zuständige Reinigungskraft im Herbst 2014 über jene Hygiene- bzw Sauberkeitsmängel im Präsidium des Gerichtshofes beschwerte. Anlässlich einer von der Präsidentin des Gerichtshofes am 6.Februar 2015 vorgenommenen Kontrolle des Amtsraumes wurde festgestellt, dass sich dieser in einem chaotischen Zustand befand. Auf der Bettbank lag ein offensichtlich mit Körperflüssigkeiten verschmutztes Leintuch, eine Unterhose und Schuhe des Beschuldigten lagen verstreut unter dem Schreibtisch. Das WC im Nassraum war, weil offensichtlich nach der letzten Benützung die Spülung nicht aktiviert worden war, ebenfalls verschmutzt. In der Dusche lag ein übel riechendes Leintuch. Der Geruch im Zimmer war übelriechend. Diese Missstände hinsichtlich Ordnung und Hygiene im ihm zugewiesenen Amtsraum wurden dem Beschuldigten umgehend von der Präsidentin des Gerichtshofes zur Kenntnis gebracht. Er wurde aufgefordert, die Missstände sofort abzustellen und allfällige Spuren einer Übernachtung jeweils ehestmöglichst zu beseitigen, Ordnung auch im Nassraum zu halten und regelmäßig das Zimmer zu lüften. Nicht feststellbar ist, dass der Beschuldigte diese Anweisungen in der Folge missachtete bzw weitere Ordnungs- und Hygienemängel in seinem Zimmer, in dem es schon wegen der abgeschiedenen Lage praktisch nie zu Parteienverkehr kam, verursachte. Schließlich wurde dem Beschuldigten im Jänner 2016 ein anderes Dienstzimmer zugewiesen.
Die im Gerichtsgebäude des Landesgerichtes ***** in den Nachmittags- bzw Abendstunden des 18.Dezember 2015 veranstaltete gerichtsinterne Weihnachtsfeier wollte der Beschuldigte vorerst aufgrund seines beeinträchtigten Gesundheitszustandes nicht besuchen. Er ließ sich zur Teilnahme allerdings von Kollegen überreden. Schon vor dem Besuch der Feier trank der Beschuldigte, um bei dieser geselliger zu sein, in seinem Dienstzimmer etwa eine halbe Flasche Wodka aus dort gelagerten privaten Beständen. An diesem Tag hatte der Beschuldigte auch die Psychopharmaka Alprazolam 1 mg in der verordneten Stückzahl 4/2/0/0 bzw möglicherweise ein bis zwei Stück am Nachmittag, Efectin 150 (1 Tablette in der Früh), Praxiten 50 mg in der verordneten Dosis 2/0/0 und zusätzlich eventuell auch nachmittags ein bis zwei Stück zu sich genommen. Alkohol- und Tablettenkonsum tätigte der Beschuldigte im Wissen, dass sich die berauschende Wirkung von Psychopharmaka und Alkohol wechselseitig durchaus verstärken könne. Ungeachtet der Einnahme der verordneten Dosis jener Medikamente nahm der Beschuldigte sohin die obangeführte Menge an Wodka und eventuell je zwei Stück Alprazolam und Praxiten zu sich, ehe er in stark alkoholisiertem Zustand die genannte Weihnachtsfeier aufsuchte und während der Feier weitere „Weinmischungen“ und eventuell auch noch Schnaps konsumierte, sodass er etwa eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille aufwies und alkoholbedingt mittelgradig berauscht war, sich durch die unterstützende Wirkung der obangeführten Medikamente allerdings in einem schweren Rauschzustand mit Situationsverkennung und Realitätsverlust befand. Die Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten war somit gegen 22.00 Uhr hochgradig herabgesetzt, allerdings nicht aufgehoben, als er an einem längeren Tisch rechts neben der ***** 1998 geborenen Verwaltungsassistentin T***** D***** saß, in Gegenwart sonstiger teilweise neben diesen beiden Personen sitzenden Gerichtsbediensteten mit der ihm nur vom Abtragen der Akten, sonst aber nicht näher bekannten Verwaltungsassistentin ins Gespräch kam, sie nach ihrer Heimatadresse und ihre Gedanken beim Abtragen der Akten in den Richterzimmern fragte, ihr in einer für sie unangenehmen Weise körperlich nahe rückte und plötzlich einen ihrer nur mit einer Strumpfhose bekleideten Oberschenkel nicht bloß flüchtig streichelte. Ein links neben der Verwaltungsassistentin sitzender männlicher Gerichtsmitarbeiter, dem das Verhalten des Beschuldigten ebenfalls als völlig unangebracht erschien, zog hierauf die Hand des Beschuldigten vom Oberschenkel der Verwaltungsassistentin weg. Ungeachtet dessen zog der Beschuldigte einen 50 Euro-Schein aus seiner Geldbörse und äußerte zur Verwaltungsassistentin, sie solle sich hiefür eine Strumpfhose kaufen und ihm diese vorführen, was die Verwaltungsassistentin ablehnte und dem Beschuldigten erfolglos zu verstehen gab, dass er sich entfernen solle. Schließlich bereinigte eine Gerichtsmitarbeiterin die Situation, indem sie die Verwaltungsassistentin mit sich in einen anderen Raum nahm. Als Letztere etwas später zu ihrem ursprünglichen Sitzplatz zurückkehrte, um ihre Handtasche zu holen, erkannte sie der Beschuldigte, der ihr gleich wieder unangemessen nahe rückte, sodass sie neuerlich den Raum verließ, ohne in der Folge wiederum mit dem Beschuldigten in Kontakt zu gelangen.
Die hiebei gegebene starke Alkoholisierung des Beschuldigten war für die genannten Gerichtsbediensteten deutlich merkbar. Der Beschuldigte schwankte beim Gehen, roch nach Alkohol, wirkte teils schläfrig und hatte geringere Wortfindungsstörungen. Die körperlichen und verbalen, durchaus geschlechtsbezogenen Belästigungen der genannten Verwaltungsassistentin tätigte der Beschuldigte ungeachtet seines die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustandes, die er zumindest fahrlässig durch Alkohol- und Medikamentenkonsum herbeigeführt hatte, bewusst und gewollt. Der Beschuldigte hielt es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass er durch seinen im angeführten Zustand erfolgten Besuch der Weihnachtsfeier und seine dortige Vorgehensweise gegen die Verwaltungsassistentin seine Pflicht, sich so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen seines Berufsstandes nicht gefährdet werde, verletzt. Es wäre ihm auch möglich gewesen, dieser Einsicht gemäß die Teilnahme an der Feier und die genannte Belästigung der Verwaltungsassistentin zu unterlassen. Der gegenständliche Vorfall, der die eher zurückhaltende bzw schüchterne Verwaltungsassistentin psychisch derart beeinträchtigte, dass sie noch drei Tage später bei ihrer Befragung durch die Präsidentin verstört wirkte und mit den Tränen kämpfte, wurde der Präsidentin berichtet, die den Vorfall erhob und gemeinsam mit dem Bericht über den obangeführten Ordnungs- und Hygienemangel an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien herantrug. Der Beschuldigte entschuldigte sich im Einvernehmen mit der Präsidentin bei der Verwaltungsassistentin schriftlich für sein Verhalten.
Zur Beweiswürdigung ist festzuhalten, dass der Beschuldigte den Inhalt der Aussage seines Opfers vom 21.Dezember 2015 (ON 1, AS 11ff) sowie den der Aussagen der sonst durch die Präsidentin des Gerichtshofes bzw durch das Disziplinargericht vernommenen Zeugen ebenso wenig bestritt wie den Inhalt des Aktenvermerkes vom 11.Februar 2015 über den Zustand seines Amtsraumes am 6.Februar 2015 (ON 1, AS 25). Der äußere Sachverhalt war sohin nach diesen widerspruchsfreien Beweisergebnissen festzustellen. Der Beschuldigte hat unwiderlegbar seine psychischen und physischen Beeinträchtigungen seit dem Jahr 2001 dargestellt, wobei diese Darstellung auch durch mehrere Arztbriefe des psychiatrisch-neurologischen Facharztes Dr.P***** und das überzeugende Gerichtsgutachten des neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen Univ.-Prof.Dr.K***** N***** (ON 15), das dieser in der mündlichen Verhandlung voll umfassend aufrecht hielt, gestützt wird. Der Beschuldigte hat auch die Gründe für die Sauberkeits- bzw Hygienemängel in seinem Dienstzimmer glaubhaft dargelegt. Es ergibt sich zwar, dass die Reinigungskraft schon vor dem 6.Februar 2015 im Präsidium sich über die Zustände im Dienstzimmer des Beschuldigten beklagte, doch ist nicht erwiesen, dass dem Beschuldigten dieser Umstand bekannt war oder er gar aufgefordert wurde, derartige Verhaltensweisen zukünftig zu unterlassen. Da es nach dem 6.Februar 2015 keine weiteren Beanstandungen hinsichtlich des Zustandes des Dienstzimmers gab, ist ein konkretes Zuwiderhandeln gegen eine Weisung eines Dienstvorgesetzten bzw ein länger andauernder Zustand des Dienstzimmers, wie er am 6.Februar 2015 vorgefunden wurde, nicht erweislich, sodass auch die Wahrnehmbarkeit für sonstige Personen bei anderer Gelegenheit als bei der von der Präsidentin an jenem Tag vorgenommenen Nachschau nicht gesichert ist.
Auch hinsichtlich der eigenen Verfassung des Beschuldigten am 18.Dezember 2015 war seinen eigenen Darstellungen zu folgen. Der gerichtliche Sachverständige hat hiebei schlüssig erläutert, dass selbst bei Berücksichtigung der eigenen Angaben des Beschuldigten über seine Trinkmengen und den Medikamentenkonsum unter Beachtung deren Wechselwirkungen nicht von einer Aufhebung der Dispositions- oder Diskretionsfähigkeit des Beschuldigten ausgegangen werden kann. Dies entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung insofern, als der Beschuldigte zugestandenermaßen über sein Verhalten vor der Teilnahme an der Weihnachtsfeier, über seine dortigen Konsumationen und über einen Gesprächskontakt mit mehreren neben ihm sitzenden Frauen sowie darüber Bescheid wusste, dass er eine EUR 50-Banknote einer dieser Frauen anbot. Da die Annäherung an sein Opfer, das von diesem geschilderte Gespräch mit dem Beschuldigten, das Anbieten von EUR 50,00 und der damit verfolgte Zweck des Beschuldigten insgesamt eine gewisse sexuelle Anzüglichkeit und ein hiemit nachdrücklich verfolgtes Ziel aufzeigt, ist im Zusammenwirken damit, dass der Beschuldigte offensichtlich nach der erstmaligen Rückkehr seines Opfers auf ihren Sitz an seine zuvor gezeigten Verhaltensweisen nahtlos anschloss, davon auszugehen, dass der Beschuldigte bei seinem inkriminierten Verhalten sehr wohl in der Lage war, ungeachtet vom Sachverständigen nicht ausgeschlossener Situationsverkennung bzw Realitätsverlustes eventuelle disziplinäre Folgen seines Verhaltens zu erkennen und dieser Einsicht gemäß dieses Verhalten zu unterlassen. Selbiges gilt auch betreffend die Teilnahme an der Feier in seinem hochgradigen Rauschzustand. Dass der Beschuldigte letzteren zumindest fahrlässig herbeiführte, ergibt sich schon aus dem bewussten und gewollten Konsum der durchaus erheblichen Alkoholmengen in Verbindung mit seiner von ihm zugestandenen Kenntnis der eine Berauschung fördernden Wirkung einer zusätzlichen Einnahme der genannten Psychopharmaka.
Rechtliche Beurteilung
Rechtlich hat der Beschuldigte nach den getroffenen Feststellungen durch sein Verhalten am 18.Dezember 2015 in gravierender Weise gegen die ihn gemäß § 57 Abs 3 StGB treffende Verpflichtung, sich als Richter im und außer Dienst so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen seines Berufsstandes nicht gefährdet wird, verstoßen. Sowohl die Teilnahme an einer gerichtsinternen Weihnachtsfeier im Zustand einer selbst zumindest fahrlässig herbeigeführten starken Berauschung, aufgrund der sprachliche und das Gangbild beeinträchtigende Probleme für jedermann offenkundig wurden, als auch die sexuelle Belästigung einer minderjährigen Person, die zudem als Mitarbeiterin desselben Gerichtshofes zumindest in ihrer Funktion als Aktenträgerin in einer gewissen Abhängigkeit vom Beschuldigten steht, gefährden das Ansehen des Richterstandes im Sinne des § 57 Abs 3 RStDG. Die Pflicht zu vorwurfsfreiem Benehmen im und außer Dienst bedeutet, dass der Richter zu jeder Zeit von einem schuldhaft gesetzten und nicht gerechtfertigten Verhalten abzustehen hat, dass entweder sich als ein Verstoß gegen die in Österreich geltende Rechtsordnung darstellt oder den Vorstellungen der mit allgemein anerkannten Werten verbundenen Bevölkerung über das von einem Richter im und außer Dienst zu erwartende Verhalten zuwiderlauft. Schon die Bestimmung von § 218 Abs 1a StGB, die allerdings erst mit 1.Jänner 2016 aufgrund des Strafrechtsänderungsgesetzes 2015, BGBl I 2015/112, in Geltung trat, verpönt die intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle eines anderen in einer Weise, die diesen anderen in seiner Würde verletzt. Schon am 18.Dezember 2015 stand gemäß § 218 Abs 1 StGB die Belästigung einer anderen Person durch eine geschlechtliche Handlung an ihr (oder vor ihr und unter Umständen, unter denen dies geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen) unter gerichtlicher Strafsanktion. Selbst wenn das Verhalten des Beschuldigten nicht § 218 StGB in der damaligen Fassung zuwiderlief, demonstrieren diese Bestimmungen, dass ein den genannten Tatbeständen nach dem StGB doch jedenfalls nahekommendes Verhalten dem Standesansehen der Richter widerspricht. In diesem Zusammenhang bedarf es gar nicht mehr des Hinweises auf das Gebot des achtungsvollen Umganges nach § 57a RStDG, wonach Richter ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Vorgesetzte mit Achtung zu begegnen und Verhaltensweisen zu unterlassen haben, die deren menschliche Würde verletzen oder sonst diskriminierend sind. Unvereinbar mit der Pflicht zu einem achtungsvollen Verhalten ist es schon, wenn ein Beamter einen Kollegen beleidigt (vgl § 43 Abs 2 BDG iVm VwGH vom 4.September 1989, 89/09/0076). Gleiches muss umso mehr für eine Belästigung oder gar eine Misshandlung eines Mitarbeiters gelten. Da allerdings § 57a RStDG durch die in der Überschrift jener Bestimmung enthaltene, in Klammer gesetzte Bezeichnung „Mobbingverbot“ auf eine konfliktbelastete Situation am Arbeitsplatz, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird, Bezug nimmt, es sich im Anlassfall allerdings nur um eine einmalige und nicht mit einem mit System gefassten Plan ausgeführte Verhaltensweise handelt, sieht das Disziplinargericht im Anlassfall zusätzlich zu § 57 Abs 3 RStDG nicht auch noch § 57a RStDG als verletzt an (vgl Erläut.RV 488 BlgNR 24.GP, 9 zu § 43a BDG und zu § 57a RStDG). Bei seinem zumindest fahrlässig gesetzten Verhalten der Herbeiführung seiner starken Alkoholisierung und seiner vorsätzlichen Teilnahme an der Weihnachtsfeier in diesem Zustand sowie der ebenso vorsätzlichen Belästigung seines Opfers war der Beschuldigte zurechnungsfähig. Eine Abstandnahme von seinem Tun war ihm sowohl möglich als auch zumutbar. Sein Gesamtverhalten stellt mit Rücksicht auf die Art und Schwere der Verfehlung ein Dienstvergehen im Sinne des § 101 Abs 1 RStDG dar.
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass selbst bei gegebener Zurechnungsunfähigkeit des Beschuldigten während seiner Teilnahme an der Weihnachtsfeier die zumindest fahrlässige Herbeiführung dieses Zustandes durch übermäßigen Alkoholkonsum in Kenntnis der bevorstehenden Teilnahme an der Weihnachtsfeier bzw zum Zwecke der Erzielung der erforderlichen Geselligkeit auf dieser, selbst wenn der Beschuldigte diesfalls für sein Verhalten auf der Weihnachtsfeier selbst nicht belangt werden könnte, ein Dienstvergehen darstellen würde.
Zwar wäre infolge der vom Beschuldigten nach seiner Tat absolvierten Entzugsbehandlung ein Schuldspruch allein ausreichend, um den Beschuldigten von weiteren Verfehlungen abzuhalten. Da allerdings bei § 101 Abs 3 RStDG ebenso wie bei der Strafbemessung auch auf Erwägungen der Generalprävention Rücksicht zu nehmen ist (vgl Fellner/Nogratnig RStDG 4 § 101 Anm 28, 32; OGH Ds 9/09, Ds 26/13), ist es schon zur Abhaltung anderer Disziplinarunterworfener vor gleichartigen Verhaltensweisen erforderlich, über den Beschuldigten eine Disziplinarstrafe zu verhängen (§ 101 Abs 3 erster Satz RStDG).
Bei der Strafbemessung selbst ist die Art und Schwere der Pflichtverletzung einerseits maßgebend, andererseits sind die für die Strafbemessung maßgebenden Gründe des StGB dem Sinne nach zu berücksichtigen. Erschwerungsgründe nach § 33 StGB sind nicht auszumachen. Als mildernd ist das reumütige Geständnis des Beschuldigten und der Umstand, dass sein Verhalten am 18.Dezember mit seinem bisherigen auch disziplinär tadellosen Lebenswandel in auffallendem Missverhältnis steht, ebenso zu berücksichtigen wie sein positives Nachtatverhalten, das einerseits durch eine schriftliche Entschuldigung beim Opfer und andererseits durch die Absolvierung einer stationären Entwöhnungsbehandlung gekennzeichnet ist. Ungeachtet dieses Überwiegens von Milderungsumständen erfordern einerseits die Häufigkeit ähnlicher für das Opfer jeweils demütigender und erniedrigender Verhaltensweisen (sogenanntes „Grapschen“) im Berufsleben und andererseits die Publizität, die der Vorfall in einem großen Kreis der Mitarbeiter des Gerichtshofes erlangt hat, eine fühlbare Sanktionierung. Einem Verweis im Sinne des § 104 Abs 1 lit a RStDG würde die notwendige Spürbarkeit für den Täter fehlen. Demnach kommt nur eine Geldstrafe in der Höhe von bis zu fünf Monatsbezügen nach § 104 Abs 1 lit b RStDG in Betracht. Maßgebend für die Berechnung sind der Bruttomonatsbezug und der Zeitpunkt des Erkenntnisses erster Instanz (RIS-Justiz RS0129298). Auf Basis des festgestellten Bruttomonatsbezuges von EUR 6.414,48 (ohne anteilige Sonderzulagen und ohne Aufwandsentschädigung), ist eine Geldstrafe von EUR 2.500,00 dem Tatunrecht, der Täterschuld, den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beschuldigten angemessen. Nur durch diese Sanktion wird das Vertrauen in die richterlichen Amtshandlungen und die Achtung vor den Organen der Rechtsprechung, die verfassungsgemäß zur Entscheidung rechtlicher und sozialer Konflikte sowie zur Beurteilung strafgesetzlich verpönten Verhaltens der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft berufen sind, in ausreichendem Maße erhalten und gestärkt (positive Generalprävention – vgl RIS-Justiz RS0108407).
Ergänzend sei darauf verwiesen, dass die in § 104 Abs 1 lit b RStDG angedrohte Geldstrafe „von bis zu fünf Monatsbezügen“ keinesfalls zwingend eine Bemessung der Geldstrafe (bloß) in (vollen oder anteiligen) Monatsbezügen verlangt. Vielmehr erachtet es das Disziplinargericht als eher dem Bestimmtheitsgebot und dem Gebot der umfassenden Information des Beschuldigten (vgl Art 6 Abs 1 MRK, §§ 6, 50, 268 StPO; Lendl in WK StPO § 260 Rz 34) entsprechend, die Geldstrafe in einem ziffernmäßig bestimmten Betrag, der im Anlassfall etwas mehr als einem Drittel eines Monatsbezuges entspricht, festzusetzen (vgl hiezu die gegenteilige Ansicht in Fellner/Nogratnig aaO § 104 Anm 3).
Bei der Bestimmung der vom Beschuldigten zu ersetzenden Kosten wurde auf sein Einkommen und den Verfahrensumfang, der jedenfalls die Einholung eines Sachverständigengutachtens umfasste, Bedacht genommen (§ 137 Abs 2 zweiter Satz, erster Halbsatz RStDG).
Zum Vorwurf von durch den Beschuldigten bewirkten Sauberkeits- bzw Hygienemängeln in seinem Dienstzimmer sei einerseits darauf verwiesen, dass ein zu beanstandender Mangel lediglich am 6.Februar 2015 gesichert ist. Ein Fortdauern dieses Mangels über einen längeren Zeitraum wurde nicht festgestellt. Auch ist nicht erwiesen, dass der Beschuldigte von einer Beanstandung der Sauberkeit bzw Ordnung in seinem Dienstzimmer bereits vor der unmittelbar nach dem 6.Februar 2015 erteilten Weisung seiner Dienstvorgesetzten, die festgestellten Mängel zu beheben und ähnliche Verhaltensweisen in Zukunft zu unterlassen, Kenntnis erlangte. Auch eine Missachtung letzterer Weisung wird dem Beschuldigten nicht vorgeworfen. Bedenkt man, dass somit der Zustand des Zimmers vor dem 6.Februar 2015 nicht näher bekannt ist und auch nicht ersichtlich ist, wem außer Reinigungskraft, Präsidentin und Geschäftsstellenleiterin die Vernachlässigung von Ordnung und Hygiene im Dienstzimmer bekannt wurde, zumal auch ein Parteienverkehr im fraglichen Zeitraum nicht gesichert ist, kann – auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichsten richterlichen Arbeitsweisen – in dem einmalig wahrgenommenen Missstand, der offensichtlich durch die physische Erkrankung des Beschuldigten mitbedingt war, ein pflichtwidriges Verhalten des Beschuldigten im Sinne des § 57 (Abs 3) RStDG nicht erblickt werden. Die festgestellte Vernachlässigung der Ordnung und Hygiene in dem, dem Beschuldigten zugewiesenen Amtsraum fließt sohin mangels nachweisbarer Dienstpflichtverletzung nicht in das gesamte Verhalten des Beschuldigten, das in die Prüfung des Vorliegens eines Dienstvergehens einzubeziehen ist, ein (vgl Fellner/Nogratnig aaO § 101 Anm 4), sodass diesbezüglich mit Freispruch des Beschuldigten vorzugehen war.
Oberlandesgericht Graz, Abteilung Abt
Graz, am 2. März 2017