8Bs307/16g – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten Dr.Greller (Vorsitz) sowie die Richterinnen Mag a .Kohlroser und Mag a .Tröster in der Strafsache gegen G***** S***** wegen der Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft L***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes L***** vom 21.August 2016, 34 Hv 83/16b-26, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Einzelrichter die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit dem an den Einzelrichter des Landesgerichtes L***** gerichteten Strafantrag vom 5.August 2016, 7 St 28/16p (ON 22), legt die Staatsanwaltschaft L***** dem am ***** geborenen G***** S***** die – jeweils versuchten - Vergehen des Wiederstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB (I.) und der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (II.) zur Last. Demnach habe G***** S***** in L***** und W*****
I. nachgenannte Beamte durch gefährliche Drohungen mit einer Verletzung am Vermögen an Amtshandlungen, nämlich der StPO konformen Durchführung des gegen ihn wegen § 3g VerbotsG anhängigen Verfahrens 25 Hv 175/15z des LANDESGERICHTES W***** bzw 9 St 21/15g der STAATSANWALTSCHAFT W*****, insbesondere der Abhaltung der Hauptverhandlung und Urteilsfällung bzw Sitzungsvertretung in der Hauptverhandlung, zu hindern versucht, indem er in an die Nachgenannten versandten Schreiben sinngemäß ankündigte, gegen sie würden sofort vollstreckbare „Obligationen“ in Höhe von jeweils EUR 5 Millionen (Punkte 1.-3.) bzw EUR 6,666.666,00 (Punkte 4 bis 6) ausgesprochen, sofern sie „Gefährdungshandlungen“ - gemeint die gegen ihn gerichteten Amtshandlungen – fortsetzen würden, wobei er den Eindruck zu erwecken trachtete, hinter ihm würde eine Organisation, nämlich das Amt der Menschen auf Erden stehen, dessen Mitglieder bzw. Organe in der Lage wären, die „Obligationen“ zu vollstrecken, und zwar
1. am 24.02.2016 in L***** und W***** den Staatsanwalt der STAATSANWALTSCHAFT W***** Dr.G***** D***** durch den Hinweis auf die Obligation in Höhe von 5 Millionen Euro;
2. am 24.02.2016 in L***** und W***** die Richterin des LANDESGERICHTES W***** Mag a .G***** H***** durch den Hinweis auf die Obligation in Höhe von 5 Millionen Euro;
3. am 24.02.2016 in L***** und W***** die Richterin des LANDESGERICHTES W***** Dr.U***** N***** durch den Hinweis auf die Obligation in Höhe von 5 Millionen Euro;
4. am 07.06.2016 in L***** und W***** die Richterin des LANDESGERICHTES W***** Mag a .G***** H***** durch den Hinweis auf die bestehende Obligation in Höhe von EUR 6,666.666,00 (AS 9 der ON 2 in ON 19);
5. am 07.06.2016 in L***** und W***** Dr.U***** N*****, Richterin des LANDESGERICHTES W*****, durch den Hinweis auf die bestehende Obligation in Höhe von EUR 6,666.666,00 (AS 45 der ON 2 in ON 19);
6. am 07.06.2016 in L***** und W***** den Staatsanwalt der STAATSANWALTSCHAFT W***** Dr.G***** D***** durch den Hinweis auf die bestehende Obligation in Höhe von EUR 6,666.666,00 (AS 11 der ON 18);
II. Rechtsanwalt Mag.B***** F*****, der zum Sachwalter des G***** S***** im Verfahren 6 Cg 50/13a des Landesgerichtes S***** bestellt worden war, durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen zur Unterlassung der Ausübung der Sachwalterschaft zu nötigen versucht, indem er auf seine Mitgliedschaft zum Amt der Menschen auf Erden sowie durch Übermittlung einer „Courtesy Notice“ vom Juli 2014 auf seine Mitgliedschaft zur OPPT hinwies und den Eindruck erweckte, diese Organisationen sei im Stande, die Obligation umgehend zu vollziehen, und zwar
1. am 16.03.2016 in L***** unter schriftlicher Androhung der Abnötigung eines sofort vollstreckbaren Schadenersatzes von 5 Millionen Euro (AS 23 verso der ON 20),
2. am 07.06.2016 in L***** durch schriftliche Begründung einer Obligation von EUR 6,666.666,00.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies der Einzelrichter den Strafantrag gemäß §§ 485 Abs 1 Z 3, 212 Z 2 StPO zurück und stellte das Strafverfahren ein. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass den inkriminierten Äußerungen objektiv betrachtet die Eignung abzusprechen sei, bei den jeweiligen Adressaten begründete Besorgnis hervorzurufen.
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 25) ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gerichtsnotorisch ist, dass Aktivitäten von Personen und Personengruppen, die die Legitimation des Staates und seiner Einrichtungen leugnen und unter verschiedenen Bezeichnungen wie „One People's Public Trust“ (kurz „OPPT“), International Common Law Court of Justice Vienna (kurz „ICCJV“) oder dergleichen auftreten, die Behörden schon seit einiger Zeit beschäftigen (vgl diverse Berichte in Medien (AS 43ff der ON 2 in ON 16). Die Gruppierungen versuchten wiederholt, Vollzugshandlungen von Gerichtsvollziehern, aber auch Tagsatzungen bzw. Verhandlungen in Zivil- und Strafsachen durch massives Auftreten zu stören oder zu verhindern. Derartiger Aktionismus führte zu Handlungsanleitungen für Gerichte bei OPPT-Aktivitäten (vgl Erlass des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz vom 18.Dezember 2015, 1 Jv 696/15k-15). Laut Mitteilung des Bundesministeriums für Inneres, Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung vom 5.August 2016, GZ BVT-2-1/8435/2016 stellen sich die Aktivitäten dieser Souveränen Bewegungen gegen Politikerinnen und Behördenvertreterinnen in Österreich wie folgt dar:
Als Folge von jeglichem rechtsstaatlichen Handeln, das sich gegen Aktivistinnen der Souveränen Bewegungen richtet, wird seit geraumer Zeit von Vertretern dieser Bewegungen eine Vorgangsweise gewählt, die für tatsächliche oder vermeintliche Verantwortliche dieser Amtshandlungen/Verfahren (Amtsinhaber, deren Vorgesetzte, politisch Verantwortliche aber auch Unternehmensvertreter u.a.) zu persönlichen Nachteilen, wie etwa der Gefahr einer Herabsetzung der Kreditwürdigkeit aufgrund der rechtskonformen Ausübung ihrer öffentlich-rechtlichen bzw. auch privatrechtlichen Positionen, aber auch aufgrund der bloßen Funktionsbekleidung führen kann. Im Zuge von exekutiven Amtshandlungen, gerichtlichen oder verwaltungsrechtlichen Strafverfahren, zivilrechtlichen Prozessen und steuerrechtlichen Vorgängen kommt es wiederholt zu Konflikten mit Anhängern souveräner Bewegungen. Diese verfassen als Reaktion auf das behördliche Handeln in der Regel sogenannte Courtesy Notes oder Kulanzmitteilungen, aber auch andere Formen von schriftlichen Zurückweisungen und Nichtanerkennungen von Verfahrensmaßnahmen, gerechtfertigten privatrechtlichen Forderungen oder anderer Maßnahmen auf Grundlage des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts. Mit diesem Schreiben wird die Unterlassung weiterer Verfahrensschritte eingefordert In der Regel werden damit auch rechtswidrige finanzielle Forderungen an die Verfahrensverantwortlichen bzw. hierarchisch übergeordnete Stellen oder politisch Verantwortliche verbunden. Da für diese ungerechtfertigten Forderungen den Souveränen kein Rechtstitel zur Verfügung steht, wird von ihnen versucht, über das amerikanische Handelsrecht eine Umgehung vorzunehmen. Auf Grundlage des genannten Handelsrechts ist in den USA beim Washington State Departement of Licensing (WSDoL) ein Register zum Uniform Commercial Code (UCC) eingerichtet, in dem Forderungen eingetragen werden können. Die Eintragung kann einfach und ohne Aufwand vorgenommen werden, indem an das UCC Filing Office Name sowie Anschrift von Schuldner und Gläubiger sowie eine allgemeine Beschreibung der behaupteten Sicherheit – so zB die Courtesy Note – übermittelt werden. Richtigkeit bzw. Authentizität der beigelegten Dokumente werden in der Regel nicht überprüft. Über die Registereintragungen können Abfragen gemacht werden, die den Eindruck erwecken, dass ein tatsächliches Schuldverhältnis besteht. Die Ausdrucke zu Anfragen weisen den Vermerk „a true and exact repräsentation“ auf. Dieser Vermerk bezieht sich jedoch nur auf die „wahre und exakte“ Darstellung der Angaben des Antragstellers, jedoch keineswegs auf die Richtigkeit des Schuldverhältnisses. Eine Fehlinterpretation, die offensichtlich bewusst gesucht wird. Der Eintrag auf dieser Plattform für Kreditgeber bewirkt zwar keinen Pfändungsanspruch, aber gibt dem Rang höher eingetragenen Gläubiger ein vorrangiges Verwertungsrecht der angegebenen Sicherheit gegenüber anderen Gläubigern.
Solche fingierten Schuldnereintragungen im US-UCC wurden bereits von zahlreichen Vertreterinnen der „Souveränen Bewegungen“ in Österreich vorgenommen, wobei diese als sogenannte Schuldner bereits namentlich zahlreiche Bedienstete aus Bundes- und Landesverwaltungen, den Justizbehörden sowie politisch Verantwortlichen auf Bundes- und Landesebene, aber auch die Republik Österreich und private Unternehmen, wie zB Banken, Rechtsanwaltskanzleien und dergleichen anführen. Diese unberechtigten Einträge allein, die an sich schon eine Kreditschädigung darstellen können, sind jedoch offensichtlich noch nicht das Endziel. In Österreich sind dem Bundesamt für Verfassungsschutz und der Terrorismusbekämpfung derzeit zwar noch keine Fälle weitreichenderer Konsequenzen bekannt, jedoch zeigt ein Erfahrungsbericht des deutschen BKA, was mit den Schuldeintragungen im US Commercial Code aus Sicht der kriminell agierenden sogenannten „Souveränen Bürger“ gegen missliebige Verfahrenskontrahenten beabsichtigt ist:
Demzufolge werden die im UCC-Register eingetragenen, fingierten finanziellen Ansprüche an Firmen/Inkassounternehmen in Malta abgetreten, die wiederum im Vorfeld von sogenannten „Souveränen Aktivisten“ errichtet wurden. Die sogenannten Gläubiger erwirken auf Grundlage maltesischen Rechts ein vereinfachtes Mahnverfahren, das dem Schuldner unverzüglich zugestellt wird. Die Zustellung erfolgt entsprechend einer EU-Richtlinie über ein Gericht des Heimatstaates des vermeintlichen Schuldners. Dieser hat nun bis zu 30 Tage Zeit, die Forderung zu bestreiten. Erfolgt dies nicht oder nicht korrekt, wird der Forderung stattgegeben und es ergeht unverzüglich ein Urteil. Wird die Forderung erfolgreich bestritten, hat der Schuldner weitere 20 Tage Zeit, einen Einspruch zu erheben und damit ein ordentliches Verfahren vor Gericht einleiten zu lassen. Die „Gläubiger“ leiten beim Superior Court oder Court of Magistrates in Malta ein Verfahren gegen die „Schuldner“ eines anderen Mitgliedsstaates der EU ein, wofür Anwaltszwang besteht. Wird hier das entsprechende Rechtsmittel versäumt, ergeht vom maltesischen Gericht ein Versäumungsurteil mit gleichzeitigem Vollstreckungstitel. Dieser Titel könnte grundsätzlich in einem weiteren Schritt, auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr.805/2004, für einen europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (EUVTVO) und VO (EU) Nr. 1215/2012 über gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel 1a-VO) herangezogen werden, wenn es sich nicht um (behauptete) Amtshaftungsansprüche handeln würde, die nicht zu den Zivilsachen im Sinne dieser Verordnungen zählen. Unabhängig vom Mangel der Umsetzbarkeit solcher Forderungen sind die betroffenen Personen auf jeden Fall mit Eingriffen in ihr Privatleben konfrontiert. Die ungerechtfertigten Forderungen führen zu Behördenwegen und unter Umständen wird durch die ungerechtfertigten Schuldforderungen ihre privatrechtliche Stellung (Kreditwürdigkeit und dergleichen) beeinträchtigt. Betroffene sind im Anlassfall jedenfalls unter Zugzwang, um entweder eine Löschung im US-UCC zu erreichen, aber auch im Falle eines bereits eingeleiteten Verfahrens weiteren Unannehmlichkeiten, die unter Umständen auch mit anwaltlichen Vertretungskosten verbunden sind, entgegenzuwirken.
Entgegen der Meinung der Vorinstanz sind die inkriminierten Drohungen sehr wohl geeignet, den Bedrohten begründete Besorgnisse im Sinne des § 74 Abs 1 Z 5 StGB – das ist die Annahme, dass ein Ereignis bevorsteht, verbunden mit der unangenehmen Vorausempfindung des aus diesem Ereignis entspringenden Übels – einzuflößen. Maßgeblich ist nämlich, ob der Bedrohte bei unbefangener Betrachtung der Situation nach dem objektiven Maßstab eines besonnenen Durchschnittsmenschen unter Mitberücksichtigung der in seiner Person gelegenen besonderen Umstände (objektiv-individueller Maßstab) die Verwirklichung des angedrohten Übels – hier: Ausspruch von (unberechtigten) Forderungen („Obligationen“), welche sofort vollstreckt werden können - erwarten, das heißt den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei willens und in der Lage, diese Folgen, wenngleich nicht unbedingt genau unter den angekündigten Modalitäten, tatsächlich herbeizuführen (vgl Jerabek/Reindl-Krauskopf/Schroll in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 74 Rz 22ff, Rz 33f [Stand: 1.7.2013, rdb.at]). Berücksichtigt man die gerichtsnotorischen Erkenntnisse, insbesondere die Fälle, in denen Vertreter jener Bewegungen wie etwa „OPPT“, deren Sympathisant und Anhänger der Angeklagte offenkundig zu sein scheint (vgl Amtsvermerk ON 10, Ermittlungsergebnisse ON 16,) gegenüber missliebigen Personen nicht nur unberechtigte Forderungen („Obligationen“) ankündigten, sondern tatsächlich mit einer Kreditschädigung verbundene und somit die Verletzung am Vermögen hervorrufende Schuldnereintragungen im Register zum Uniform Commercial Code (UCC) erwirkten, kann die Rechtsfrage nach der objektiven Eignung der inkriminierten Passagen, bei den Bedrohten begründete Besorgnis einzuflößen, nicht verneint werden.
Oberlandesgericht Graz, Abteilung Abt