Ds1/15 – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Disziplinargericht für Notare durch den Richter Dr.Bornet (Vorsitz), die Richterin Mag a .Kohlroser und den Richter aus dem Notarenstand Dr.Peter Konradt (Berichterstatter), in der Disziplinarsache gegen Mag.***** , Notar in *****, den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Die Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen Mag.*****, Notar in *****, wird gemäß § 176 erster Fall NO abgelehnt und die Sache nach Rechtskraft dieses Beschlusses an die Notariatskammer für Steiermark abgetreten.
Text
B e g r ü n d u n g :
Mag.*****, Notar in ***** (kurz: Notar) hat in ***** zwischen 4. und 30.September 2014 im von ihm aufgenommenen Protokoll über die Generalversammlung der „***** GmbH“ (kurz: GmbH) vom 4.September 2014 beurkundet, der Vorsitzende habe den Antrag gestellt, über die Gewinnverwendung vorerst noch keinen Gewinnausschüttungsbeschluss zu fassen, da auch über die Investitionen keine Beschlüsse gefasst wurden. In der Folge beurkundete er im selben Protokoll (dazu widersprüchlich), dass der Vorsitzende nach Abstimmung über seinen Antrag feststellt, dass dem Antrag, keinen Gewinn auszuschütten, mehrheitlich zugestimmt worden sei (Protokoll über die Generalversammlung vom 4.September 2014, ON 2, Seiten 21ff zu ***** der Staatsanwaltschaft *****).
In der Folge focht eine Gesellschafterin der GmbH den in der Generalversammlung gefassten Beschluss klagsweise an und begehrte, den „in der Generalversammlung [der GmbH] vom 4.September 2014 gefassten Gesellschafterbeschluss, dass vorerst keine Gewinne an die Gesellschafter auszuschütten sind“, für nichtig zu erklären (Klage vom 3.Oktober 2014, ON 2, Seiten 125ff zu ***** der Staatsanwaltschaft *****).
Der Notar nahm zum Vorwurf, eine falsche Beurkundung vorgenommen zu haben, im Wesentlichen wie folgt Stellung:
Er habe das Protokoll errichtet, und zwar nach bestem Wissen und Gewissen und dabei sowohl seine handschriftlichen Aufzeichnungen wie ein Tonband, das er mit Zustimmung aller Anwesenden verwendet habe, zur Unterstützung herangezogen. Zu Punkt „Achtens“ der Tagesordnung sei es bei der Errichtung des Protokolles offenbar ungewollt zu Abweichungen gekommen, die eine gewisse Unklarheit darstellen könnten. Dr.***** habe als Vertreter des Vorsitzenden Dr.***** diesen bei der Durchführung der Generalversammlung unterstützt und dessen Aussagen teilweise konkretisiert. „Bei der Vielzahl der Anwesenden“ könne es wegen der verschiedenen Äußerungen „zu gewissen akustischen Abweichungen“ kommen. In der stattgefundenen Diskussion seien dann auch die Worte „keinen Gewinnausschüttungsbeschluss zu fassen“ gefallen. Er habe den Protokollentwurf dem Vorsitzenden zur Durchsicht gegeben, der ihn auch von seinem Vertreter habe prüfen lassen. Beide hätten keine Änderungswünsche betreffend diesen Tagesordnungspunkt gehabt. Eine allfällige widersprüchliche Protokollierung habe er keinesfalls beabsichtigt (ON 8).
Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Graz beantragte, gemäß § 170 NO iVm § 123 Abs 4 erster Fall RStDG die Einleitung der Disziplinaruntersuchung gegen den Notar abzulehnen:
Zwar stehe der Notar im Verdacht, durch die tatsachenwidrige Beurkundung fahrlässig eine Berufspflicht verletzt zu haben, die geeignet gewesen sei, einen EUR 3.600,00 übersteigenden Schaden herbeizuführen und somit eine gemäß §§ 155 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 156 Abs 1 Z 3 NO als Disziplinarvergehen zu ahndende Standespflichtverletzung begangen zu haben. Die tatsachenwidrige Beurkundung führe gemäß § 38 NO zur zivilrechtlichen Haftung des Notars. Jedoch könne der Protokollierungsfehler nicht als ein vom Disziplinargericht zu ahndendes Disziplinarvergehen qualifiziert werden, weil die auf Fahrlässigkeit beruhende Gesetzesverletzung noch nicht eine solche Schwere erreiche, dass sie aus general- und spezialpräventiven Gründen einer disziplinargerichtlichen Ahndung bedürfte, zumal auch keine Anhaltspunkte für wiederholte Rechtsverletzungen des Notars vorlägen.
Dem Antrag des Disziplinaranwaltes (s. § 170 Abs 1 NO iVm § 118 Abs 1 RStDG) ist aus folgenden Erwägungen im Wesentlichen beizutreten:
Rechtliche Beurteilung
1. Zunächst kann nicht zweifelhaft sein, dass der Notar bloß unbewusst fahrlässig handelte. Wäre ihm nämlich die fehlerhafte/falsche Protokollierung bewusst gewesen, hätte er zweifellos vermieden, dass diese schon aus dem - in sich widersprüchlichen - Protokoll selbst hervorgeht.
Es liegt auch geradezu auf der Hand, dass dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter der Widerspruch im Protokoll nicht auffiel, sonst hätten sie wohl die entsprechende Berichtigung begehrt.
Welcher Beschluss nun tatsächlich damals gefasst wurde (nämlich, dass kein Gewinn ausgeschüttet wird, oder aber, dass über die Gewinnverwendung noch kein Beschluss gefasst wird), braucht hier mangels Entscheidungsrelevanz nicht geprüft zu werden.
2. Wie der Disziplinaranwalt zutreffend ausführt, sind grundsätzlich die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Disziplinarvergehens gegeben. Wegen des möglichen (und dann auch geführten) Rechtsstreites über die Gewinnausschüttung war die Berufspflichtenverletzung zweifellos geeignet, bei einem anderen einen EUR 3.600,00 übersteigenden Schaden herbeizuführen. Die Berufspflichtenverletzung ergibt sich klar aus § 38 NO.
3. Für das Disziplinarrecht von Richtern und Staatsanwälten wird bei im Wesentlichen vergleichbarer Rechtslage (s. insbesondere §§ 57 und 101 RStDG) die zutreffende Rechtsansicht vertreten, dass nicht jede Verletzung des materiellen Rechtes oder der Verfahrensbestimmungen Gegenstand des Disziplinarrechts ist, sondern nur eine solche, die mit Rücksicht auf Art und Schwere der Verfehlung aus general- und (oder) spezialpräventiven Gründen einer disziplinarrechtlichen Ahndung bedarf. Eine Gesetzesverletzung, die nur auf entschuldbarer Fahrlässigkeit oder einer bloß fallweisen Unkenntnis einer Rechtsvorschrift beruht, macht somit nicht disziplinär verantwortlich, wohl aber gegebenenfalls eine bewusste oder wiederholt grob fahrlässige Rechtsverletzung ( Fellner/Nogratnig , RStDG-GOG 4 [2015] § 57 RStDG Anm. 13 mwN).
Da eine Verschiedenbehandlung von Richtern und Staatsanwälten auf der einen Seite und Notaren auf der anderen Seite sachlich verfehlt wäre, sind die obigen Grundsätze sinngemäß analog (Rechtsanalogie) auch auf das Disziplinarrecht für Notare anzuwenden.
Dies rechtfertigt aber die Einstellung des Verfahrens:
4. Der Notar hat unbewusst und leicht fahrlässig gehandelt und dadurch zwar gegen § 38 NO verstoßen, wofür er aber ohnehin zivilrechtlich einzustehen hat. Ein sog. „disziplinarrechtlicher Überhang“ ist damit nicht gegeben, weil realistischerweise davon auszugehen ist, dass der Notar allein schon wegen der (möglichen) zivilrechtlichen Konsequenzen in Hinkunft ein derartiges Verhalten möglichst vermeiden wird und auch generalpräventive Gründe nicht entgegenstehen. Zudem hat der Notar tadellos an der Sachverhaltsaufklärung mitgewirkt und war in gewisser Hinsicht auch ein Opfer der Umstände, die zum „Protokollierungsproblem“ führten. Schließlich bestehen keine Anhaltspunkte für ein früheres, disziplinarrechtlich erhebliches Fehlverhalten des Notars.
5. Nach Auffassung des erkennenden Senates liegt daher ein Fall des § 176 erster Fall NO vor, weil das Disziplinarverfahren erst mit dem Beschluss auf Einleitung der Disziplinaruntersuchung oder sofortige Verweisung der Sache zur mündlichen Verhandlung eingeleitet ist (§§ 170 Abs 1 NO, 123 Abs 6 RStDG).
Gemäß § 176 NO ist die Sache nach Rechtskraft dieses Beschlusses an die Notariatskammer abzutreten.
Oberlandesgericht Graz als Disziplinargericht für Notare