Ds20/14 – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Disziplinargericht für Notare durch den Richter Dr. René Bornet (Vorsitz), die Richterin Mag a . Karin Kohlroser und den öffentlichen Notar Dr. Volkmar Fehrenkampf in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMaga. Anna Grabner als Schriftführerin und des Oberstaatsanwalt Mag. Erich Leitner als Disziplinaranwalt sowie der Disziplinarbeschuldigten *****, Notarsubstitutin, in öffentlicher, mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
***** ist schuldig,
sie hat am 9. März 2013 in ***** auf drei Urkunden (Umlaufbeschluss, Antrag und Musterfirmenzeichnung) die Echtheit der händischen Unterschrift der ***** beurkundet, obwohl die hiefür gemäß § 79 Abs 1 NO erforderlichen Voraussetzungen nicht vorlagen, was dazu führte, dass möglicherweise nachgemachte Unterschriften der ***** beurkundet wurden und dies geeignet war, bei anderen, nämlich Gläubigern der ***** GmbH einen EUR 3.600,-- übersteigenden Schaden herbeizuführen.
Sie hat hiedurch eine Berufspflicht mit dem Schweregrad eines Disziplinarvergehens iSd §§ 155 Abs 1 Z 1 und 156 Abs 1 Z 2 NO verletzt.
Über sie wird gemäß § 158 Abs 1 Z 2 iVm § 159 Abs 1 NO eine
Geldbuße von EUR 1.500,--
verhängt.
Gemäß § 184 Abs 2 NO hat ***** den mit EUR 300,00 bestimmten Pauschalkostenbeitrag zu ersetzen.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Mit Beschluss des Disziplinargerichtes vom 12. Februar 2015 (ON 17) wurde die Disziplinarrechtssache zur mündlichen Verhandlung verwiesen.
Nach dem Ergebnis dieser Verhandlung wird festgestellt:
***** (Disziplinarbeschuldigte = DB) ist verheiratet, hat Sorgepflichten für zwei Kinder (9 und 12 Jahre alt), ein jährliches Nettoeinkommen von rund EUR 35.000,00, besitzt gemeinsam mit ihrem Gatten ein Eigenheim sowie eine weitere Liegenschaft (im Wert von EUR 80.000,00), die von ihrer Mutter bewohnt wird und hat gemeinsam mit ihrem Gatten Schulden von rund EUR 200.000,00, auf die sie monatlich EUR 700,00 Rückzahlungen leistet.
Am 9. März 2013 beurkundete die DB als Notarsubsititutin in ***** auf drei Urkunden, nämlich dem Umlaufbeschluss der Gesellschafter der ***** GmbH, dem Antrag auf Eintragung in das Firmenbuch und der Musterfirmenbezeichnung der ***** GmbH, die Echtheit der händischen Unterschrift der *****, obwohl die hiefür gemäß § 79 Abs 1 NO erforderlichen Voraussetzungen, nämlich Setzen der Unterschriften vor dem Notar (hier: der Substitutin) selbst oder ausdrückliches Anerkennen, dass die Unterschriften von ihr (*****) stammen, nicht vorlagen, was dazu führte, dass möglicherweise nachgemachte Unterschriften der ***** auf den genannten Urkunden als echte Unterschriften dieser Person beurkundet wurden.
Das Verhalten der DB war geeignet, bei einem anderen, insbesondere der ***** GmbH bzw letztlich bei deren Gläubigern, einen EUR 3.600,00 übersteigenden Schaden herbeizuführen.
Die DB war sich bewusst, dass sie mit ihrer Vorgangsweise gegen § 79 Abs 1 NO verstößt, meinte aber, ***** habe die Unterschriften gesetzt, weshalb sie annahm, es werde wegen dieses Vorgehens kein Schaden entstehen.
Die Angaben der DB zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen waren unbedenklich.
Die übrigen getroffenen Feststellungen stützen sich auf die im Wesentlichen geständige Verantwortung der DB, die durch das Beweisverfahren – insbesondere die Angaben des ***** als Beschuldigter und der ***** als Zeugin im Verfahren ***** der StA Graz, die verlesen wurden – nicht widerlegt werden konnte bzw in den wesentlichen Punkten, nämlich dass die drei Unterschriften entgegen § 79 Abs 1 NO beurkundet wurden, bestätigt wurde. Die Frage, ob ***** tatsächlich die drei Unterschriften leistete wurde nicht geklärt (etwa durch Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens), weil dies nicht entscheidungswesentlich ist. Weil das Verhalten der DB ermöglichte, dass jemand (konkret: *****) ohne dessen Wissen als Geschäftsführer einer GmbH ins Firmenbuch eingetragen wird, bestand evidenterweise die Eignung, einen hohen Schaden für die Gesellschaft und in der Folge auch für ihre Gläubiger herbeizuführen. Denn es konnte damit strittig sein, wer für die Gesellschaft zu handeln befugt oder gar verpflichtet ist, dies mit entsprechend gravierenden Folgen (vgl etwa § 69 IO).
Da kein Zweifel daran bestehen kann, dass der DB als Notarsubstitutin die elementare und wichtige Regelung im § 79 Abs 1 NO bekannt war, ist auch nicht zu bezweifeln, das ihr bewusst war, dass sie dagegen verstieß.
Rechtliche Beurteilung
Rechtlich folgt:
Die DB war als öffentliche Urkundsperson tätig und hat als solche vorsätzlich gegen § 79 Abs 1 Z 3 NO verstoßen. Denn die Partei (*****) hat die Unterschriften weder vor der DB gesetzt noch ausdrücklich anerkannt, dass die Unterschriften von ihr stammen. Feststellungsgemäß hatten diese mangelhaften Beglaubigungen die Eignung, einen EUR 3.600,00 übersteigenden Schaden herbeizuführen. Es liegt daher ein Disziplinarvergehen gemäß § 156 Abs 1 Z 2 NO vor.
Bei der Strafbemessung waren als mildernd die Unbescholtenheit des DB und ihr reumütige Schuldeingeständnis sowie die tadellose Mitwirkung an der Klärung des Sachverhaltes zu werten; besondere Erschwerungsgründe liegen nicht vor.
Bei Anwendung der im § 159 Abs 1 NO genannten Strafbemessungsgründe ist gemäß § 158 Abs 1 Z 2 NO mit einer Geldbuße vorzugehen, zumal ein bloßer Verweis insbesondere im Hinblick auf den Einfluss, den die Pflichtverletzung auf die künftige Vertrauenswürdigkeit des Notars zu üben geeignet ist, nicht ausreicht.
Bei der Bemessung der Geldbuße erscheint unter Beachtung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der DB in Verbindung mit den genannten Strafzumessungsgründen ein Betrag von € 1.500,00 angemessen. Dabei wurde insbesondere berücksichtigt, dass die Pflichtverletzung zwar gravierend und geeignet war, erheblich negativ auf die Vertrauenswürdigkeit des Notars zu wirken, die DB aber mit ihrer Vorgangsweise ihren Bekannten (*****) entgegenkommen wollte (Beglaubigung bei ihr, der DB, zu Hause) und in gewisser Weise selbst Opfer ihres Vertrauens in ihre Bekannten wurde.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 184 Abs 2 NO. Da der Verfahrensaufwand gering war, konnte mit einem Kostenbeitrag von EUR 300,00 das Auslangen gefunden werden.
Oberlandesgericht Graz, Abteilung Abt