Das Oberlandesgericht Graz hat als Disziplinargericht für Notare durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Graz Dr.René Bornet (Vorsitz), die Richterin des Oberlandesgerichtes Graz Mag a .Karin Kohlroser sowie den öffentlichen Notar Dr.Johann Lederer (BE) in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Maga.Vera Sammt als Schriftführerin und des Disziplinaranwaltes Oberstaatsanwalt Dr.Gunter Kirschenhofer sowie des Disziplinarbeschuldigten Mag.*****, öffentlicher Notar in *****, in öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
Mag. ***** ist schuldig,
er hat zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt zwischen dem 28.08.2009 und dem 16.09.2009 in Bleiburg auf einem Realteilungsvertrag die Unterschriften des ***** und des ***** als am 15.05.2009 abgegeben beglaubigt, obwohl diese den Vertrag erst am 28.08.2009 unterfertigten.
Er hat hiedurch eine Berufspflicht mit dem Schweregrad eines Disziplinarvergehens im Sinne der §§ 155 Abs 1 Z 1 und 156 Abs 1 Z 3 NO verletzt, wobei die Verletzung geeignet war, bei einem oder mehreren anderen einen € 3.600,-- übersteigenden Schaden herbeizuführen.
Über ihn wird gemäß § 158 Abs 1 Z 2 iVm § 159 Abs 1 NO eine Geldbuße von € 1.000,-- verhängt.
Gemäß § 184 Abs 2 NO hat Mag.***** den mit € 500,-- bestimmten Pauschalkostenbeitrag zu ersetzen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Mit Beschluss des Disziplinargerichtes vom 01.10.2014 (ON 14) wurde die Disziplinarrechtssache im Umfang der nunmehrigen Verurteilung zur mündlichen Verhandlung verwiesen.
Nach dem Ergebnis dieser Disziplinarverhandlung wird festgestellt:
Mag.***** (Disziplinarbeschuldigter = DB) ist am ***** geboren, verheiratet, und seit dem *****2009 öffentlicher Notar in *****. Er war vom ***** bis zum ***** Notariatssubstitut der vakanten Notarstelle *****. Er ist im Jahre 1995 in den Notarenstand eingetreten. Er ist unterhaltspflichtig für ein ***** Kind. Sein Jahreseinkommen betrug im Jahre 2013 netto rund € 50.200,--.
Mag.***** erhielt im Jahre 2009 den Auftrag, unter anderem die Unterschriften des ***** und des ***** auf einem Realteilungsvertrag betreffend die Wohnanlage ***** in ***** zu beglaubigen. Er beglaubigte die Unterschriften dieser beiden Herren als am 15.05.2009 geleistet, obwohl diese Unterschriften tatsächlich erst am 28.08.2009 geleistet wurden. Wann die Unterschriftsbeglaubigung genau geschah, ist nicht feststellbar, wohl aber, dass dies zwischen dem 28.08.2009 und dem 16.09.2009 geschah.
Nicht feststellbar ist, dass die fehlerhafte Datierung vorsätzlich erfolgte, wohl aber geschah sie zumindest fahrlässig, indem der Notar die Unterschriften der beiden genannten Herren auf das Vermerkblatt vom 15.05.2009 setzen ließ, obwohl die Unterschriften am 28.08.2009 geleistet wurden. Dies wäre bei gehöriger Aufmerksamkeit für den Notar leicht erkennbar und vermeidbar gewesen. Die Fehldatierung war geeignet, bei einem oder mehreren anderen einen € 3.600,-- erheblich übersteigenden Schaden herbeizuführen.
Die getroffenen Feststellungen stützen sich auf die Angaben des ***** und des ***** als Zeugen und des ***** als Beschuldigten im Verfahren 15 St 41/13 g der StA ***** (in der Folge kurz Strafakt genannt) in Verbindung mit der Sachverhaltsdarstellung des ***** (ON 17 des Strafaktes), dem Schreiben vom 16.06.2009 samt Überweisungsbeleg (ON 27, Seite 355 bis 359 des Strafaktes), der E-mail vom 17.08.2009 (ON 27, Seite 365 des Strafaktes), dem Schreiben vom 27.08.2009 (ON 27, Seite 367 des Strafaktes), dem Sideletter zum Realteilungsvertrag (ON 27 des Strafaktes, Seite 369) sowie des Realteilungsvertrages (ON 27, Seiten 375 ff, 489 ff, 529 ff des Strafaktes) unter Berücksichtigung der geständigen Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten.
Aus den Aussagen der Zeugen ***** und ***** sowie des Beschuldigten ***** ergibt sich klar, dass die Unterschriften des ***** und des ***** auf dem Realteilungsvertrag erst am 28.08.2009 und nicht schon am 15.05.2009 geleistet wurden. Dies wird eindeutig bestätigt durch die diesbezügliche Korrespondenz, nämlich des Schreibens vom 16.06.2009, der E-mail vom 17.08.2009 und des Schreibens vom 27.08.2009. Wären die Unterschriften schon geleistet gewesen, hätte es für ***** bzw. die ***** keinen plausiblen Anlass gegeben, sich weiter mit dem Problem „Unterfertigung des Realteilungsvertrages durch ***** und *****“ zu befassen. Aus dem Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei ***** vom 27.08.2009 ergibt sich zweifelsfrei, dass „meine Mandanten den Realteilungsvertrag nunmehr unterfertigen wollen“, ihn also keineswegs schon bisher unterzeichnet hatten.
Naturgemäß kann die Beglaubigung erst nach der tatsächlichen Unterschriftsleistung der genannten beiden Personen erfolgt sein. Dass dies bis zum 16.09.2009 geschehen sein muss, folgt aus der insoweit nicht widerlegbaren und plausiblen Beschuldigtenverantwortung. Entsprechend der ebenfalls unwiderlegbaren Beschuldigtenverantwortung lässt sich ein vorsätzliches Handeln des Notars nicht feststellen. Allerdings ergibt sich schlüssig eine durchaus auffällige Sorgfaltswidrigkeit aus dem gesamten Geschehensablauf. Schon bei durchschnittlicher Sorgfalt hätte ein derartiges Versehen nicht passieren können. Die Verwendung eines schon mehr als drei Monate alten Vermerkblattes zur Beglaubigung einer neuen weiteren Unterschrift ist grob sorgfaltswidrig und nur mit ausgeprägter Unachtsamkeit erklärbar. Das Vorliegen eines Vorsatzes ist deswegen wenig wahrscheinlich, weil ein derartiges Verhalten keinen (insbesonders ökonomisch) nachvollziehbaren Sinn hatte, und ohnehin weitere Unterschriften, die zur Gültigkeit des Realteilungsvertrages notwendig waren, noch fehlten.
Dass die Fehldatierung die festgestellte Schadenseignung hatte, ist eine Schlussfolgerung aus den konkreten Umständen. Es ging um die Realteilung einer Liegenschaft, die zentrumsnahe in ***** liegt, über 5.000 m² groß war und zahlreiche Mit- bzw. Wohnungseigentümer hatte. Wenn auf Grund einer Fehldatierung von zwei Unterschriften die Verbücherung eines solchen Realteilungsvertrages nicht möglich ist, kann dies jedenfalls zu hohen Folgekosten führen, wobei es nicht zielführend ist, hierüber weiterreichende Spekulationen anzustellen. Gerade im konkreten Falle aber, wo größere Spannungen zwischen den Miteigentümern bestanden und die Herren ***** und ***** gewisse Sonderrechte mit dem „Sideletter“ durchsetzen wollten, war die Gefahr weiterer Streitigkeiten groß und damit auch die Wahrscheinlichkeit hoher Folgekosten, sollte die Verbücherung des Vertrages scheitern. Dies war für den Notar auch durchaus erkennbar.
Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Disziplinarbeschuldigten stützen sich auf dessen glaubwürdige Angaben in Verbindung mit den von ihm vorgelegten Urkunden.
Der DB war als öffentliche Urkundsperson tätig und hat als solche den Tag der Beglaubigung der Unterschriften des ***** und des ***** falsch angegeben (§ 82 Abs 1 NO). Diesbezüglich ist ihm grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil es ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit leicht möglich gewesen wäre, für die richtige Datierung zu sorgen. Feststellungsgemäß hatte diese Fehlbeurkundung die Eignung, einen € 3.600,-- übersteigenden Schaden herbeizuführen, was für den DB auch durchaus erkennbar war. Es liegt daher ein Disziplinarvergehen gemäß § 156 Abs 1 Z 3 NO vor.
Bei der Strafbemessung war als mildernd zu werten:
- die Unbescholtenheit des DB,
- das lange Zurückliegen der Tat,
- das tadellose Mitwirken des DB an der Klärung des zu beurteilenden Sachverhaltes,
- das reumütige Schuldeingeständnis des DB.
Besondere Erschwerungsgründe liegen nicht vor.
Bei Beachtung der im § 159 Abs 1 NO genannten Strafzumessungsgründe ist gemäß § 158 Abs 1 Z 2 NO mit einer Geldbuße vorzugehen, zumal ein bloßer Verweis insbesonders im Hinblick auf den Einfluss, den die Pflichtverletzung auf die fernere Vertrauenswürdigkeit des Notars zu üben geeignet ist, nicht ausreicht. Eine Suspension oder Entsetzung vom Amt wäre aber inadäquat.
Bei der Bemessung der Geldbuße erscheint ausgehend von den festgestellten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des DB in Verbindung mit den dargelegten Strafzumessungsgründen ein Betrag von € 1.000,-- als angemessen. Dabei wurde vor allem berücksichtigt, dass die Pflichtverletzung zwar grob und geeignet war, erheblich negativ auf die Vertrauenswürdigkeit des Notars zu wirken, inhaltlich aber die beglaubigten Unterschriften natürlich gewollt waren und insofern gewissermaßen ein „bloßer Formfehler“ vorliegt.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 184 Abs 2 NO. Da der Verfahrensaufwand begrenzt war, kann mit einem Fünftel des Höchstbetrages das Auslangen gefunden werden.
Oberlandesgericht Graz als Disziplinargericht für Notare
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