Ds10/13 – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Greller als Vorsitzenden, die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr.Rastädter-Puschnig und den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Rothenpieler, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Petzner als Schriftführer, in der Dienststrafsache gegen die Richterin des *****gerichtes ***** Dr.***** nach öffentlicher mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Leitenden Oberstaatsanwaltes Dr.Gasser als Disziplinaranwalt, der Disziplinarbeschuldigten Dr.***** und ihres Verteidigers Dr.Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, zu Recht erkannt:
Spruch
Dr. ***** ist schuldig,
sie hat als Richterin des *****gerichtes ***** im Zeitraum von 2010 bis 2013 dadurch, dass sie als Berichterstatterin die ihr zugeteilten Rechtsmittelakten
*****
mehr als sechs Monaten nicht erledigte, die in § 57 Abs 1 RStDG normierte Pflicht, sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen, die Pflichten ihres Amtes gewissenhaft zu erfüllen und die ihr übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen, verletzt.
Sie hat hiedurch ein Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 erster Fall RStDG begangen.
Über sie wird hiefür gemäß § 104 Abs 1 lit b RStDG die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe eines Monatsbezuges verhängt.
Gemäß § 137 Abs 2 zweiter Satz RStDG hat sie die mit EUR 500,00 bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.
Text
GRÜNDE:
Dr.***** ist Richterin des *****gerichtes *****.
Der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien lastet Dr.***** in seiner Disziplinaranzeige vom 17.Juni 2013 an, dass sie (vor allem) als Referentin in einem Rechtsmittelsenat für Bestandssachen seit Jahren unvertretbare Bearbeitungsverzögerungen zu verantworten habe, obwohl ihr Anfall bezogen auf die anderen in dieser Senatsgruppe tätigen Richterinnen und Richter stets im Durchschnitt gelegen sei. Ungeachtet dienstaufsichtsbehördlicher Schritte und Entlastungsmaßnahmen seien zu den in der Anzeige (auf den Seiten 2 bis 6) angeführten Quartalsstichtagen (beginnend mit 1.September 2010 und endend mit 1.März 2013) die (auf den Seiten 2 bis 7) angeführten Rechtsmittelakten mehr als sechs Monate unerledigt geblieben, was wiederholt auch zu Beschwerden von Verfahrensparteien geführt habe.
Auf Antrag des Disziplinaranwaltes wurde die Disziplinarsache wegen des konkreten Verdachts einer Verletzung des § 57 Abs 1 RStDG durch das der Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verhalten mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte vom 27.November 2013 gemäß § 123 Abs 4 zweiter Fall RStDG zur mündlichen Verhandlung verwiesen.
Die Disziplinarbeschuldigte bestritt vor der Untersuchungskommissärin die in der Disziplinaranzeige ins Treffen geführten Verfahrensverzögerungen in den Rechtsmittelsachen nicht, versuchte diese jedoch im Wesentlichen mit ihrer infolge hoher Arbeitsbelastung schlechten psychischen Verfassung und dadurch bedingter Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit seit 2008 zu erklären. Vor dem Disziplinargericht gab sie unter Hinweis auf diese Verantwortung an, sich nicht schuldig zu fühlen. Sie räumte nur ein, dass sie mehr auf ihre Gesundheit achten und allenfalls Krankenstand und ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen hätte sollen.
Zur Person der Disziplinarbeschuldigten:
Dr.***** ist am ***** geboren. Sie ist geschieden. Aus der geschiedenen Ehe stammen die am ***** geborene ***** und die am ***** geborene *****, für die sie nicht mehr sorgepflichtig ist. Sie bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von mehr als EUR 3.000,00.
Dr.***** ist seit ***** Richterin des *****gerichtes *****, wo sie im relevanten Zeitraum je zur Hälfte ihrer Arbeitskapazität als Leiterin der mit Cg-Sachen befassten Gerichtsabteilung ***** und als Mitglied der für Rechtsmittelsachen zuständigen Senatsabteilung ***** tätig war.
Rechtliche Beurteilung
Zur Sache:
Dr.***** hatte bereits während ihrer Verwendung beim Bezirksgericht ***** gemäß § 77 Abs 3 RDG von ***** bis ***** immer wieder mit Entscheidungsrückständen zu kämpfen. Diese Probleme setzten sich nach Aufhebung der Zuteilung zu diesem Bezirksgericht mit ***** beim *****gericht ***** fort, obwohl ihre Arbeitsbelastung in der Rechtsprechung jeweils im Durchschnitt lag. Durch Ausdehnung ihrer Arbeitszeit bis in die Abendstunden und durch Arbeit an Wochenenden gelang es ihr wiederholt, ihre Rückstände abzubauen. Seit 2000 war sie Mitglied des Betriebsausschusses und hatte in dieser Funktion ***** unter enormem Zeitaufwand zahlreiche Sitzungen zu besuchen und Vorbereitungsarbeiten zu leisten, ohne hiefür in ihrer rechtssprechenden Tätigkeit nennenswert entlastet zu werden. Ihr wurden lediglich 2005 acht Cg-Akten und 2007 fünf Cg-Akten abgenommen. Ihre mit der Mitgliedschaft zum Betriebsausschuss verbundene Belastung endete im Jahr 2008. Seither ist sie nur noch Mitglied der Bundesleitung der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und hat in dieser Funktion an bis zu sechs Sitzungen jährlich teilzunehmen. Eine darüber hinausgehende Arbeitsbelastung ist für sie damit nicht verbunden. Sie hatte daher seit 2008 die Möglichkeit, sich uneingeschränkt durch Nebentätigkeiten auf die Erledigung ihrer Arbeit in der Rechtsprechung zu konzentrieren.
Dessen ungeachtet weist sie - vor allem als Referentin im Rechtsmittelsenat für Bestandsachen - seit Jahren massive Rückstände auf, weil ihre Erledigungszahlen mit den Anfallszahlen nicht Schritt halten, obwohl ihr Anfall in der Cg-Abteilung und bezogen auf die anderen in dieser Senatsgruppe tätigen Richterinnen und Richter mit monatlich sechs Rechtsmittelakten auch im Rechtsmittelsenat (weiterhin) stets im Durchschnitt lag. Lediglich während der ***** notwendigen Vertretungstätigkeiten hatte sie von Dezember 2008 bis 30.Juni 2009 und von Ende Februar 2010 bis Anfang Mai 2010 einen höheren Anfall im Rechtsmittelsenat zu bewältigen. Aus diesem Grund sowie wegen ihrer Rückstände wurde sie aber vom Neuanfall in der Cg-Abteilung von 4.Dezember 2008 bis 1.Juli 2010 befreit.
Wegen der Vielzahl von länger als drei und länger als sechs Monate offenen Akten wurde sie seit Juni 2010 unter verstärkte Dienstaufsicht gestellt. Es kam bereits seit 2009 zu zahlreichen Gesprächen zwischen ihr und der Präsidentin des Landesgerichtes *****, in denen Dr.***** immer wieder ihr Bemühen um die Aufarbeitung der Rückstände zusicherte und wiederholt - erstmals bereits im Juli 2010 - auf mögliche disziplinäre Konsequenzen ihrer zögerlichen Arbeitsweise hingewiesen wurde. Diese Gespräche führten kurzfristig zu einem höheren Arbeitseinsatz, bewirkten aber nicht den nachhaltigen Abbau der Erledigungsrückstände. Entgegen ihrer der Präsidentin des Landesgerichtes ***** gegebenen Zusicherung, erledigte sie auch nicht vorrangig bereits länger anhängige Rechtsmittelakten, sondern zog jüngere, nicht der Berichtspflicht unterliegende Akten vor, um auf diese Weise ihre "Erledigungsstatistik" zu verbessern. Auch die vom Personalsenat des Landesgerichtes *****veranlasste Übernahme von Rechtsmittelakten durch andere Richter und die vom Oberlandesgericht Wien vorgenommene Zuteilung von Richteramtsanwärtern und Rechtspraktikanten zu ihrer Unterstützung vermochten nicht zu einem kontinuierlichen Abbau ihrer Rückstände beizutragen, sondern führten nur kurzfristig zu einer Reduzierung der länger als sechs Monate anhängigen Rechtsmittelakten.
In folgenden Fällen kam es daher zu von der Disziplinarbeschuldigten zu verantwortenden Bearbeitungsverzögerungen, weil sie ihr vom Vorsitzenden des Rechtsmittelsenates zugeteilte Rechtsmittelakten (im Folgenden mit „aber“ [Akt an Berichterstatter] bezeichnet) mehr als sechs Monate, teilweise mehr als ein Jahr bis zur Abgabe ihres Entscheidungsentwurfes oder bis zur Abnahme des Aktes infolge eines Berichterstatterwechsels (im Folgenden mit „abez“ [Akt von Berichterstatter zurück] bezeichnet) nicht erledigte:
***** R ***** (aber 15.04.2009, abez 12.11.2010)
***** R ***** (" 29.05.2009, " 12.11.2010)
***** R ***** (" 29.05.2009, " 12.11.2010)
***** R ***** (" 29.05.2009, " 12.11.2010)
***** R ***** (" 20.07.2009, " 07.12.2010)
***** R ***** (" 24.07.2009, " 26.11.2010)
***** R ***** (" 29.10.2009, " 27.10.2010)
***** R ***** (" 29.10.2009, " 30.10.2010)
***** R ***** (" 20.11.2009, " 30.12.2010)
***** R ***** (" 20.11.2009, " 25.01.2011)
***** R ***** (" 30.11.2009, " 15.12.2010)
***** R ***** (" 09.12.2009, " 31.01.2011)
***** R ***** (" 31.03.2010, " 18.02.2011)
***** R ***** (" 09.03.2010, " 15.12.2010)
***** R ***** (" 31.03.2010, " 18.02.2011)
***** R ***** (" 30.12.2009, " 24.02.2011)
***** R ***** (" 19.01.2010, " 20.10.2010)
***** R ***** (" 11.03.2010, " 17.01.2011)
***** R ***** (" 26.01.2010, " 15.12.2010)
***** R ***** (" 08.02.2010, " 11.05.2011)
***** R ***** (" 26.02.2010, " 09.12.2010)
***** R ***** (" 26.02.2010, " 25.11.2010)
***** R ***** (" 26.02.2010, " 02.03.2011)
***** R ***** (" 26.02.2010, " 30.09.2010)
***** R ***** (" 17.03.2010, " 05.04.2011)
***** R ***** (" 17.03.2010, " 29.12.2010)
***** R ***** (" 18.03.2010, " 11.05.2011)
***** R ***** (" 17.03.2010, " 13.01.2011)
***** R ***** (" 31.03.2010, " 23.05.2011)
***** R ***** (" 01.04.2010, " 30.03.2011)
***** R ***** (" 01.04.2010, " 30.03.2011)
***** R ***** (" 21.04.2010, " 23.02.2011)
***** R ***** (" 21.04.2010, " 13.01.2011)
***** R ***** (" 21.04.2010, " 29.12.2010)
***** R ***** (" 21.04.2010, " 09.06.2011)
***** R ***** (" 10.05.2010, " 29.12.2010)
***** R ***** (" 10.05.2010, " 15.06.2011)
***** R***** (" 27.05.2010, " 15.06.2011)
***** R***** (" 27.05.2010, " 26.01.2011)
***** R ***** (" 31.05.2010, " 29.07.2011)
***** R ***** (" 07.06.2010, " 29.06.2011)
***** R ***** (" 11.06.2010, " 19.07.2011)
***** R ***** (" 15.06.2010, " 27.07.2011)
***** R ***** (" 18.06.2010, " 14.07.2011)
***** R ***** (" 06.09.2010, " 18.08.2011)
***** R ***** (" 10.09.2010, " 15.07.2011)
***** R ***** (" 15.09.2010, " 18.08.2011)
***** R ***** (" 15.09.2010, " 09.09.2011)
***** R ***** (" 22.09.2010, " 18.08.2011)
***** R ***** (" 22.09.2010, " 03.08.2011)
***** R ***** (" 22.09.2010, " 03.08.2011)
***** R ***** (" 22.09.2010, " 18.08.2011)
***** R ***** (" 24.09.2010, " 16.09.2011)
***** R ***** (" 27.09.2010, " 24.08.2011)
***** R ***** (" 27.09.2010, " 09.09.2011)
***** R ***** (" 29.09.2010, " 25.11.2011)
***** R ***** (" 14.10.2010 " 09.09.2011)
***** R ***** (" 15.10.2010, " 09.09.2011)
***** R ***** (" 15.10.2010, " 09.09.2011)
***** R ***** (" 27.10.2010, " 09.09.2011)
***** R ***** (" 29.10.2010, " 29.12.2011)
***** R ***** (" 29.10.2010, " 25.11.2011)
***** R ***** (" 03.11.2010, " 16.12.2011)
***** R ***** (" 04.11.2010, " 06.12.2011)
***** R ***** (" 11.11.2010, " 10.02.2012)
***** R ***** (" 24.11.2010, " 10.11.2011)
***** R ***** (" 25.11.2010, " 10.11.2011)
***** R ***** (" 26.11.2010, " 10.11.2011)
***** R ***** (" 29.11.2010, " 10.11.2011)
***** R ***** (" 07.12.2010, " 16.12.2011)
***** R ***** (" 07.12.2010, " 16.12.2011)
***** R ***** (" 16.12.2010, " 11.01.2012)
***** R ***** (" 16.03.2011, " 18.01.2012)
***** R ***** (" 23.03.2011, " 29.05.2012)
***** R ***** (" 08.04.2011, " 20.05.2012)
***** R ***** (" 08.04.2011, " 31.01.2012)
***** R ***** (" 28.04.2011, " 29.06.2012)
***** R ***** (" 29.04.2011, " 14.06.2012)
***** R ***** (" 02.05.2011, " 04.07.2012)
***** R ***** (" 11.05.2011, " 18.07.2012)
***** R ***** (" 19.05.2011, " 11.07.2012)
***** R ***** (" 06.07.2011, " 19.07.2012)
***** R ***** (" 05.08.2011, " 26.03.2013)
***** R ***** (" 23.09.2011, " 28.12.2012)
***** R ***** (" 27.09.2011, " 29.08.2012)
***** R ***** (" 27.09.2011, " 05.12.2012)
***** R ***** (" 27.09.2011, " 13.08.2012)
***** R ***** (" 29.09.2011, " 24.09.2012)
***** R ***** (" 25.10.2011, " 29.08.2012)
***** R ***** (" 03.11.2011, " 19.09.2012)
***** R ***** (" 07.11.2011, " 27.02.2013)
***** R ***** (" 07.11.2011, " 13.08.2012)
***** R ***** (" 21.11.2011, " 29.10.2012)
***** R ***** (" 25.11.2011, " 20.12.2012)
***** R ***** (" 27.12.2011, " 13.11.2012)
***** R ***** (" 28.12.2011, " 27.12.2012)
***** R ***** (" 09.01.2012, " 21.12.2012)
***** R ***** (" 11.01.2012, " 06.03.2013)
***** R ***** (" 25.01.2012, " 27.02.2013)
***** R ***** (" 31.01.2012, " 13.02.2013)
***** R ***** (" 03.02.2012, " 30.04.2013)
***** R ***** (" 14.02.2012, " 24.01.2013)
***** R ***** (" 22.02.2012, " 14.02.2013)
***** R ***** (" 06.03.2012, " 24.01.2013)
***** R ***** (" 12.12.2011, " 04.03.2013)
***** R ***** (" 07.03.2012, " 22.05.2013)
***** R ***** (" 07.03.2012, " 24.01.2013)
***** R ***** (" 28.03.2012, " 09.01.2013)
***** R ***** (" 16.04.2012, " 29.05.2013)
***** R ***** (" 19.04.2012, " 15.03.2013)
***** R ***** (" 20.06.2012, " 20.06.2013)
***** R ***** (" 27.04.2012, " 19.06.2013)
***** R ***** (" 03.05.2012, " 26.06.2013)
***** R ***** (" 14.05.2012, " 05.07.2013)
***** R ***** (" 15.06.2012, " 09.07.2013)
***** R ***** (" 04.06.2012, " 03.05.2013)
***** R ***** (" 05.06.2012, " 10.07.2013)
***** R ***** (" 05.06.2012, " 10.07.2013)
***** R ***** (" 11.06.2012, " 20.08.2013)
***** R ***** (" 11.06.2012, " 21.08.2013)
***** R ***** (" 15.06.2012, " 21.08.2013)
***** R ***** (" 15.06.2012, " 28.08.2013)
***** R ***** (" 20.06.2012, " 21.08.2013)
***** R ***** (" 20.06.2012, " 28.08.2013)
***** R ***** (" 20.06.2012, " 09.09.2013)
***** R ***** (" 29.06.2012, " 28.08.2013)
***** R ***** (" 12.07.2012, " 04.09.2013)
***** R ***** (" 13.07.2012, " 17.10.2013)
***** R ***** (" 20.07.2012, " 30.09.2013)
***** R ***** (" 31.07.2012, " 23.12.2013)
***** R ***** (" 09.08.2012, " 29.10.2013)
***** R ***** (" 27.08.2012, " 25.10.2013)
Der Akt ***** R ***** wurde Dr.***** am 3.April 2012 als Berichterstatterin zugeteilt. Aufgrund ihrer Bearbeitungsverzögerung konnte der Vorsitzende des Rechtsmittelsenates die von ihr schließlich für erforderlich erachtete Berufungsverhandlung erst am 22.Mai 2013 anberaumen.
Dr.***** arbeitet langsam und nicht zielgerichtet. Sie will einen Entscheidungsentwurf erst dann unterschreiben, wenn sie das Gefühl hat, das Ergebnis sie für sie perfekt. Diese Einstellung führt auch dazu, dass sie von zu ihrer Entlastung zugeteilten Richteramtsanwärtern oder fortgeschrittenen Rechtspraktikanten vorbereitete Entscheidungsentwürfe nicht oder nur nach langwierigen Verbesserungen unterfertigt. Die Präsidentin des Landesgerichtes ***** erörterte mit Dr.***** diese Problematik ihrer Arbeitsweise wiederholt. Dr.***** zeigte sich insoweit zwar einsichtig, meinte aber, dass sie nicht anders könne. Die hohe Zahl der offenen Akten belastete die Disziplinarbeschuldigte seit 2009 auch psychisch stark. Sie war "ausgebrannt", fühlte sich aber nicht krank, weshalb sie auch keinen Krankenstand in Anspruch nahm, obwohl ihr die Präsidentin des Landesgerichtes ***** dazu riet und ihr auch die Inanspruchnahme ärztlicher oder psychotherapeutischer Hilfe nahelegte, was sie ablehnte, weil sie der Ansicht war, dass "dies nichts bringe" und ein Psychologe "nur an der Oberfläche kratze". Auch die ihr von der Präsidentin zur Änderung ihrer Arbeitsweise empfohlene konsequente Teilnahme an "Soft Skill"-Seminaren lehnte sie ab. Infolge ihrer psychischen Belastung nahm sie seit 2008 zwei- bis dreimal jährlich an nicht von der Justizverwaltung veranstalteten Wochenendworkshops und etwa alle zwei Monate an Einzelsitzungen im "Zentrum für Transpersonale Persönlichkeitsentwicklung" teil, wo sie sogenannte "Energiearbeit" in Anspruch nahm. Ab dem Jahr 2010 besserte sich ihr psychischer Zustand allmählich. Seit 2013 fühlt sie sich psychisch wieder in guter Verfassung. In welchem Umfang ihre Leistungsfähigkeit durch ihre psychische Belastung eingeschränkt war, ist nicht feststellbar. Von 22.April bis 25.April 2013 besuchte sie erstmals ein Seminar "Keine Chance dem Burnout" und von 15.Juli bis 2.August 2013 ein Selbstmanagementseminar. Sie versucht nunmehr, schneller zu arbeiten und ihre Akten in der Reihenfolge ihres Anfalldatums zu bearbeiten. Die Situation hat sich inzwischen - allerdings bedingt auch durch die Zuteilung einer Sprengelrichterin - gebessert. Während sie zum 1.März 2013 noch mit 26 über sechs Monate unerledigten Akten belastet war, hat sich deren Zahl per 1.Februar 2014 auf zwölf verringert.
Die getroffenen Feststellungen stützen sich auf die angeführten Rechtsmittelakten, die bezughabenden VJ-Registerauszüge, die Akten des Oberlandesgerichtes Wien *****, den Standesausweis sowie die Einvernahme der Zeugin Dr.***** und der Disziplinarbeschuldigten. Relevante Widersprüche zwischen diesen Beweisergebnissen traten nicht auf. Die Disziplinarbeschuldigte gestand die sich aus dem VJ-Register zweifelsfrei ergebenden Verfahrensverzögerungen in objektiver Hinsicht zu. Es ist auch unstrittig, dass sie sowohl in ihrer Cg-Abteilung als auch im Rechtsmittelsenat nur einen durchschnittlichen Arbeitsanfall zu bewältigen hatte und in den Zeiten eines infolge Vertretungstätigkeiten im Senat gestiegenen Anfalls durch Sperre des Neuanfalls in der Cg-Abteilung entlastet war. In subjektiver Hinsicht fühlte sie sich zunächst zwar aufgrund ihrer von der Präsidentin des Landesgerichtes ***** bestätigten psychischen Beeinträchtigung seit 2009 für diese Rückstände nicht verantwortlich, räumte schließlich aber doch ein, dass sie zur Wiederherstellung ihrer vollen Leistungsfähigkeit auch ärztliche Hilfe hätte in Anspruch nehmen sollen. Dass ihre Arbeitsweise langsam und nicht zielgerichtet war, ergibt sich aus den Akten der Dienstaufsicht und der Aussage der Präsidentin des Landesgerichtes *****, verbunden mit der Tatsache, dass ihre Arbeitsbelastung stets im Durchschnitt dieses Gerichtes lag. Die Disziplinarbeschuldigte zeigte sich letztlich auch einsichtig, dass eine Änderung ihrer Arbeitsweise notwendig gewesen wäre (ON 24, Seiten 3 und 5).
Die Disziplinarbeschuldigte hat nach den Feststellungen in gravierender Weise gegen die in § 57 Abs 1 RStDG normierten Pflichten verstoßen, sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen, die Pflichten ihres Amtes gewissenhaft zu erfüllen und die ihr übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen. Sie hat die Erledigung der ihr als Berichterstatterin zugeteilten Rechtsmittelakten im festgestellten Zeitraum von rund drei Jahren jedenfalls auffallend sorglos in erheblichem Umfang verzögert, weil sie ungeachtet ihrer schon seit der Ernennung zur Richterin immer wieder aufgetretenen Bearbeitungsverzögerungen und der nunmehr seit Jahren von der Dienstbehörde ergriffenen Maßnahmen zur Beschleunigung ihrer Arbeitsweise und zum Abbau ihres Erledigungsrückstandes nicht bereit war, ihren individuell zeitaufwändigen und unökonomischen Arbeitsstil zeitgerecht zu überdenken und die Modalitäten ihrer solcherart im Endeffekt als nicht zielführend erwiesenen Arbeitsweise zu ändern (OGH Ds 4/06). Auch wenn ihre Leistungsfähigkeit dadurch und schließlich auch wegen psychischer Beeinträchtigung infolge Zunahme ihres Erledigungsrückstandes eingeschränkt war, können sie diese Umstände nicht entlasten, weil sie verpflichtet war, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung ihrer vollen Leistungsfähigkeit - sei es organisatorischer, sei es medizinisch-therapeutischer Art - zu ergreifen oder bei - hier aber ohnehin nicht indizierter - Unfähigkeit zur Pflichterfüllung als Richterin gebotene Schritte (vgl §§ 83 Abs 2 zweiter Fall, 91 Abs 1 RStDG) zu setzen (OGH Ds 5/07). Derartige geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Bearbeitungsverzögerungen hat sie im hier relevanten Zeitraum aber nicht ergriffen, obwohl ihr diese von der Dienstaufsicht mehrfach nahegelegt worden sind. Sie hat weder ärztliche oder psyschotherapeutische Hilfe zur Behandlung ihrer psychischen Probleme in Anspruch genommen noch hat sie taugliche Schritte gesetzt, um ihre zögerliche Arbeitsweise zu ändern. Die von ihr seit 2008 in Anspruch genommene "Energiearbeit" im Rahmen nicht von der Justizverwaltung organisierter Veranstaltungen, deren Effizienz nicht überprüfbar ist, war ganz offensichtlich nicht geeignet oder gar nicht darauf ausgerichtet, in angemessener Zeit ihre volle Leistungsfähigkeit wiederherzustellen oder die Effizienz ihrer Arbeitsweise zu verbessern.
Die in einer Vielzahl von Verfahren festgestellten Bearbeitungsverzögerungen über mehr als sechs Monate und teilweise über mehr als ein Jahr stellen nach Art und Schwere ein Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 erster Fall RStDG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I 140/2011 dar (RIS-Justiz RS0117052).
Bei der Bestimmung der Disziplinarstrafe ist nach § 101 Abs 2 RStDG im einzelnen Fall auf die Schwere des Dienstvergehens und die daraus entstehenden Nachteile sowie auf den Grad des Verschuldens und das gesamte bisherige Verhalten der Richterin Bedacht zu nehmen. Dabei sind unter Bezugnahme auf die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung gemäß §§ 32ff StGB auch Erwägungen der General- und Spezialprävention anzustellen (OGH Ds 9/01 und Ds 9/09).
Bei der Strafbemessung waren erschwerend der lange Tatzeitraum, die Vielzahl und teilweise sehr lange Dauer der Verfahrensverzögerung sowie mildernd das bis zum Tatzeitraum tadellose disziplinäre Verhalten.
Diesen Strafzumessungsgründen sowie den Erfordernissen der General- und Spezialprävention Rechnung tragend kann mit einem Schuldspruch und einem Absehen von der Verhängung einer Disziplinarstrafe gemäß § 101 Abs 3 RStDG oder einem Verweis gemäß § 104 Abs 1 lit a RStDG nicht mehr das Auslangen gefunden werden, sondern bedarf es der Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe eines Monatsbezuges gemäß § 104 Abs 1 lit b RStDG, um die Disziplinarbeschuldigte von weiteren unvertretbaren Verfahrensverzögerungen abzuhalten.
Bei der Bestimmung der von der Disziplinarbeschuldigten zu ersetzenden Kosten wurde auf ihr Einkommen und den Verfahrensumfang Bedacht genommen.
Oberlandesgericht Graz als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte