8Bs221/13f – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Greller als Vorsitzenden, den Richter des Oberlandesgerichtes Mag.Haißl und die Richterin des Oberlandesgerichtes Mag a .Berzkovics in der Strafvollzugssache des O***** R***** wegen bedingter Entlassung aus der Freiheitsstrafe gemäß § 46 StGB über die Beschwerde des O***** R***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom 13.Mai 2013, 31 BE 120/13p-5, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§§ 17 Abs 3 StVG, 89 Abs 6 StPO).
Text
begründung:
O***** R***** verbüßt in der Justizanstalt Leoben die über ihn mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13.Dezember 2012 im Verfahren 141 Hv 112/12t verhängte Freiheitsstrafe von sieben Monaten sowie weitere fünf Monate Freiheitsstrafe wegen des aus Anlass dieser Verurteilung erfolgten Widerrufs einer ihm im Verfahren 46 Hv 103/11m des Landesgerichtes Wr.Neustadt gewährten bedingten Strafnachsicht, somit eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Monaten. Das errechnete Strafende fällt auf den 29.Oktober 2013; die zeitlichen Voraussetzungen für seine bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Drittel der Freiheitsstrafe sind bereits erfüllt.
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Leoben als Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des Strafgefangenen ab.
Die Beschwerde des O***** R***** ist begründet.
Rechtliche Beurteilung
Die sich auf das Oberlandesgericht Wien berufende Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach eine persönliche Anhörung des Strafgefangenen trotz eines darauf abzielenden Antrages für Fälle einer 18 Monate nicht übersteigenden Strafzeit im Gesetz nicht vorgesehen (21 Bs 14/12f) und dem zu wahrenden rechtlichen Gehör grundrechtskonform (auch) durch die im Wege des sozialen Dienstes abgegebene schriftliche Äußerung hinreichend Genüge getan sei, wird vom Beschwerdegericht aus folgenden Erwägungen nicht geteilt:
Bis zum Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 (BGBl Nr. 605/1987) galten für das Verfahren bei der Entscheidung über eine bedingte Entlassung die allgemeinen Bestimmungen des § 17 StVG über das vollzugsgerichtliche Verfahren überhaupt im Zusammenhalt mit den besonderen Bestimmungen des § 152 StVG idF BGBl Nr. 424/1974, demzufolge das Gericht vor jeder Entscheidung eine Äußerung des Anstaltsleiters, des öffentlichen Anklägers und des Verurteilten einzuholen hatte und – sofern zur Vorhersage über dessen künftiges Verhalten zweckmäßig – der zu Entlassende vom Gericht zu hören war (Abs 1 zweiter Satz). Dies nach § 153 StVG in der Fassung BGBl Nr. 424/1974 auch im Falle des Vollzuges von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit ein Jahr nicht überstieg. Da von der persönlichen Anhörung des Strafgefangenen in diesem Sinne von den zur Entscheidung über die bedingte Entlassung berufenen Gerichten in der Folge nur nur wenig Gebrauch gemacht wurde, sah das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 als wichtigste Änderung gegenüber dem geltenden Recht mit dem durch BGBl Nr. 605/1987 in den Rechtsbestand neu eingeführten § 152a StVG in dessen Abs 1 unter bestimmten Prämissen die zwingende persönliche Anhörung vor. Dies im Hinblick darauf, dass die Kenntnisnahme einer schriftlichen Äußerung den Eindruck einer persönlichen Anhörung nicht zu ersetzen vermag und zusätzlich dem Bedürfnis Rechnung getragen werden sollte, in der so wichtigen Angelegenheit der bedingten Entlassung vor den zur Entscheidung darüber berufenen Richtern persönlich vorzusprechen zu können. Der durch die Anhörung insgesamt erwartete verfahrensrechtliche Mehraufwand wurde (in Anlehnung an die Vorschriften über die Ersetzung des Hauptverhandlungsprotokolls und des Urteils im strafgerichtlichen Erkenntnisverfahren durch einen so bezeichneten Protokolls- und Urteilsvermerk) durch die Möglichkeit eines das Protokoll über die Vernehmungen nach Abs 1 und 2 und die Ausfertigung des Beschlusses durch einen vom Vorsitzenden und vom Schriftführer zu unterschreibenden Vermerks für den Fall entweder eines Verzichts des Staatsanwaltes und des Verurteilten auf Rechtsmittel gegen den Beschluss oder der unterbliebenen Rechtsmittelanmeldung innerhalb der hiefür offenstehenden Frist kompensiert (Abs 3; vgl 359 der Beilagen XVII. GP, S 60 f ). Dass die verpflichtende Anhörung und damit die Möglichkeit der Ausfertigungserleichterung unter den erörterten Voraussetzungen auf eine bestimmte, insbesondere die in § 153 StVG erwähnte Strafzeit beschränkt sein sollte, geht aus den Materialien nicht hervor.
Eine solche Beschränkung liefe im Hinblick auf die mit dem Strafrechtsänderungsgesetz erfolgte Neufassung auch des das Institut der persönlichen Anhörung bis dahin regelnden § 152 StVG der vom Gesetzgeber durch Neueinführung des § 152a StVG verfolgten Intention zuwider, weshalb die unterbliebene Erwähnung dieser Bestimmung im § 153 StVG ungeachtet seither erfolgter Novellierungen (BGBl. Nr. 799/1993; BGBl I Nr. 138/2000, BGBl I Nr. 142/2009) auf eine – nach wie vor – planwidrige Lücke zurückzuführen ist. Dies auch vor dem Hintergrund, dass selbst der – erst – mit BGBl I Nr. 64/2010 in den Rechtsbestand eingeführte § 156b StVG in seinem Abs 4 uneingeschränkt die sinngemäße Anwendung des § 152a StVG bei der bedingten Entlassung aus dem weitaus weniger eingriffsintensiven, überhaupt nur bei einer zwölf Monate nicht übersteigenden Strafzeit möglichen (§ 156c Abs 1 Z 1 StVG) elektronisch überwachten Hausarrest anordnet. Da bei teleologischer Interpretation der Bestimmungen im sechsten Unterabschnitt des dritten Abschnitts des StVG (§§ 152 bis 153) in Ansehung der persönlichen Anhörung eine nach Strafzeit gewollte Differenzierung nicht auszumachen ist, gelangt § 152a StVG analog auch auf den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate nicht übersteigt, zur Anwendung.
Zur Sanierung des durch die unterbliebene persönliche Anhörung des Beschwerdeführers bewirkten Verfahrensmangels war der angefochtene Beschluss zu kassieren.
Oberlandesgericht Graz, Abteilung 8