JudikaturOLG Graz

10Bs139/13m – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
13. Juni 2013

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr.Haidacher (Vorsitz), Dr.Sutter und Mag a .List in der Strafsache gegen D***** M***** und weitere Beschuldigte wegen § 165 Abs 1 und Abs 3 erster und zweiter Fall StGB über die Beschwerde des Beschuldigten F***** D***** P***** gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 4.April 2013, GZ 5 HR 15/13x-282, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben , der angefochtene Beschluss aufgehoben und das gegen den Beschuldigten F***** D***** P***** zu 21 St 90/12g der Staatsanwaltschaft Graz geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 108 Abs 1 Z 2 StPO eingestellt.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Text

Begründung:

Seit 2.Februar 2010 behängt bei der Staatsanwaltschaft Graz ein Ermittlungsverfahren gegen D***** M***** und andere wegen Geldwäscherei. Am 30.März 2010 wurde F***** D***** P***** als Beschuldigter nachgetragen und in die inländischen Ermittlungen einbezogen. Am 13.Jänner 2011 wurde dessen Konto-Nr.***** bei der Volksbank für die S***** reg.Gen.mbH beschlagnahmt und der Volksbank für die S***** reg.Gen.mbH verboten, Vermögenswerte dieses Kontos an Dritte herauszugeben (ON 63). Über die Beschwerde des Beschuldigten F***** D***** P***** wurde vom Oberlandesgericht Graz die Beschlagnahme auf einen Betrag von EUR 46.780,00 eingeschränkt. Dabei wurde davon ausgegangen, dass das Konto des damaligen Beschwerdeführers für die Realisierung von illegalen Wettgewinnen genutzt wird, nachdem D***** M***** zwischen 4.März 2008 und 25.November 2009 in drei Einzeltransaktionen insgesamt EUR 46.780,00, die der damaligen Verdachtslage nach aus strafbaren Handlungen stammen, auf das fragliche Konto transferiert hatte (im Einzelnen vgl hiezu Seiten 4 bis 6 des Beschlusses des Oberlandesgerichts Graz vom 24.Februar 2011, 10 Bs 37/11h [ON 102a]).

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde am 15.Dezember 2010 ein Rechtshilfeersuchen an das Großherzogtum Luxemburg um Öffnung des Kontos der K***** Ltd. Offshore INC., IBAN: LU*****, BIC: ***** gerichtet „um klären zu können, ob diese Firma in einem Zusammenhang mit den (im Ersuchen) geschilderten Wettbetrügereien steht bzw wer ad personam der Auftraggeber dieser verdächtigen Transaktionen war“ (ON 51). Dieses Rechtshilfeersuchen wurde – soweit ersichtlich – nicht beantwortet. Ansonsten wurden die in der konkreten Sache gesetzten Ermittlungsschritte abgeschlossen. Insgesamt zeigen diese – zusammengefasst – mehrere Transaktionen zwischen den Beschuldigten, ergaben jedoch – selbst nach (eigener) Einschätzung der Staatsanwaltschaft – keinen konkreten Nachweis, dass F***** D***** P***** Kenntnis davon hatte, dass das Geld aus von Spielmanipulationen stammenden Gewinnen stammte (vgl Stellungnahme ON 280 zweiter Absatz).

Am 18.Jänner 2013 stellte der in Rede stehende Beschuldigte einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens gemäß § 108 StPO (ON 269). Die Staatsanwaltschaft folgte dem nicht und leitete den Antrag iSd § 108 Abs 2 StPO an das Gericht weiter, wobei sie vermeinte, es bestünde der Verdacht, F***** D***** P***** habe im Zeitraum November 2008 bis November 2009 an verschiedenen Orten des Bundesgebietes über sein österreichisches Konto insbesondere durch Auslandsüberweisungen und wechselseitige Transaktionen Wettgewinne aus manipulierten Fußballspielen, somit Vermögensbestandteile aus dem Verbrechen des Wettbetrugs verborgen und ihre Herkunft verschleiert, womit der Verdacht der Geldwäsche im Rahmen einer kriminellen Vereinigung, teils auch in Bezug auf einen EUR 50.000,00 übersteigenden Wert (§ 165 Abs 1, 2 und 3 StGB idF BGBl Nr.60/1974, zuletzt geändert durch BGBl I Nr.109/2007), bestehe. Der Verdacht ergebe sich aus dem „Ermittlungsverfahren“ und insbesondere den bezughabenden Aktenbestandteilen „ON 3, ON 27 AS 11 bis 221, ON 48, ON 115a, ON 270 und ON 273“. Weitere Aufschlüsse seien durch die „Beischaffung der F***** D***** P***** betreffenden Beweismittel aus den ausländischen Verfahren“ und durch die Erledigung des an Luxemburg gerichteten Rechtshilfeersuchen betreffend die Firma K***** Ltd. Offshore INC., zumal dieses Unternehmen meist als Auftraggeber der ausländischen Zahlungseingänge fungierte, zu erwarten (ON 280).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht dieser Stellungnahme folgend den Einstellungsantrag ab. „Die konkrete Verdachtslage“ und „das Gewicht des Tatverdachts“ würden die Fortführung des Ermittlungsverfahrens gebieten, wobei eine Erhärtung des Tatverdachts nicht ausgeschlossen sei.

Die gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde des F***** D***** P***** ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach Prüfung der Aktenlage durch das Oberlandesgericht Graz konnte der von der Staatsanwaltschaft behauptete und vom Erstgericht in seinem Beschluss als gegeben übernommene Tatverdacht hinsichtlich des Verbrechens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 1, 2 und 3 StGB idF BGBl I Nr. 109/2007 nicht nachvollzogen werden. Auch aus der Stellungnahme ON 280 ergab er sich nicht schlüssig. Die Staatsanwaltschaft wurde daher gemäß § 89 Abs 5 StPO um Aufklärungen zu ihrem Verdacht zu konkreten Vortaten, konkreten Verdachtsmomenten und dazu ersucht, was an Tatrelevantem aus den in der Sache P***** noch ausständigen Ermittlungsmaßnahmen erwartet wird und welche Annahmen durch die erwarteten Ermittlungsergebnisse gestützt werden sollen. Hiezu äußerte sich die Staatsanwaltschaft dahin, dass „zum Tatverdacht auf den Akteninhalt, die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft“ (ON 280), den angefochtenen Beschluss und den „Anfangsverdacht“ verwiesen werde. Über den in der oberlandesgerichtlichen Entscheidung vom 24.Februar 2011 erwähnten Betrag von EUR 46.780,00 „hinaus können die Wettgewinne jedoch bis dato keinen konkreten Vortaten zugeordnet werden. Jedoch werden allenfalls aus den veranlassten ergänzenden Ermittlungen (…) nähere Aufklärungen zu den F***** D***** P***** von den italienischen Behörden angelasteten strafbaren Handlungen und zur Herkunft der über die K***** Ltd. Offshore INC. Center VG-Road transferierten Gelder erwartet“.

Gemäß § 20 Abs 1 StPO leitet die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren. Die Staatsanwaltschaft hat als Organ der Rechtspflege das Ermittlungsverfahren zu leiten und gegebenenfalls auch eigene Beweiserhebungen durchzuführen. Ihr kommt in diesem Verfahrensabschnitt die alleinige Prozessführungsbefugnis zu. Dabei tritt sie als hoheitliche Entscheidungsträgerin auf. Sie ist „dominus litis“ des Ermittlungsverfahrens, welches durch die eigenständige Handlungskompetenz und die alleinige Verantwortlichkeit der öffentlichen Anklägerin geprägt ist (vgl Schroll, WK-StPO Vor §§ 19 bis 24 Rz 17, 21 sowie § 20 Rz 1 ff). Die objektive Aufbereitung der Beschuldigung ist die Aufgabe der Staatsanwaltschaft (Fabrizy StPO 11 § 19 Rz 1).

Konsequenz dieser Position der Staatsanwaltschaft ist, dass sie den Verdacht definiert und (ausschließlich) in ihrem Sinne aufklärt. Insofern wurde die inquisitorische Kompetenz des Gerichts beseitigt (vgl § 4 Abs 1 StPO). Damit ergibt sich aber auch die Notwendigkeit, bei den im Einzelfall im Gesetz vorgesehenen Überprüfungsmöglichkeiten staatsanwaltschaftlichen Handelns durch das Gericht diesem gegenüber den von der Staatsanwaltschaft als gegeben angenommenen Verdacht zu konkretisieren und bei der Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidung über einen Antrag auf Einstellung gemäß § 108 Abs 1 Z 2 StPO (sofern es nicht offenkundig ist) darzulegen, was aus den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens noch an konkret Relevantem für die Aufklärung der Sache erwartet wird.

Fallbezogen ergibt sich aus den Akten schlüssig kein Tatverdacht, der über jenen hinausgeht, den das Beschwerdegericht (bereits) am 24.Februar 2011 als gegeben annahm. Insoweit besteht der Verdacht einer Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 und 2 StGB idF BGBl I Nr.109/2007, welches Vergehen mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht ist.

Seit der erwähnten Beschlussfassung wurden keine relevanten Ermittlungsergebnisse zur Aufklärung des angeführten Vergehens gewonnen. Das Vertrauen darauf, die deutschen Behörden würden gegen den Einstellungswerber ermitteln, erfüllte sich nicht (vgl Mitteilung AS 11 der ON 100). Aus den bekannten Verfahren gegen D***** M***** ergaben sich keine strafbaren Handlungen, die hier als Vortaten in Betracht kämen. Die Vernehmungen des Vorgenannten, des Fortführungswerbers und des C***** I***** blieben völlig ergebnislos oder waren entlastend. Welche Zahlungsflüsse die Staatsanwaltschaft vermutet, liegt völlig im Dunklen, sodass nicht einmal nachvollzogen werden kann, welchen Einfluss sie einem wie immer möglichen ausstehenden Ergebnis der Kontenöffnung auf den konkretisierbaren Tatverdacht zumisst. Überhaupt kann das Beschwerdegericht weder aus der Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft, noch aus deren Stellungnahmen eine strukturierte Ermittlungstätigkeit erkennen, die eine baldige Aufklärung des F***** D***** P***** treffenden Geldwäschereiverdachts (samt der bislang völlig ungeklärten Frage der „Vortaten“) zuließe.

Da die Staatsanwaltschaft, wie dargestellt, im Ermittlungsverfahren für die Würdigung des Verdachts und die Bestimmung der Richtung der Aufklärung zuständig ist, sie vorliegend über den vom Oberlandesgericht Graz am 24.Februar 2011 herausgearbeiteten Tatverdacht hinsichtlich einer Summe von EUR 46.780,00 hinaus keinen konkretisierbaren Tatverdacht anführen und ferner auch nicht darstellen kann, mit welcher Strategie und welchen erwartbaren Beweisergebnissen sie in die Lage versetzt werden könnte, den Nachweis des im Raum stehenden strafbaren Verhaltens des Beschuldigten zu führen, es nicht Aufgabe des Gerichts ist, diese Aufgabe zu übernehmen und weil das fragliche Ermittlungsverfahren wegen des bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedrohten Vergehens bereits seit über drei Jahren anhängig ist, obwohl der den Einstellungswerber betreffende Sachverhalt überschaubar ist (und selbst der Staatsanwaltschaft noch am 29.Jänner 2013 als nicht beweisbar erschien [ON 271], bevor am 11.April 2013 [erstmals!] das an das Großherzogtum Luxemburg gestellte Rechtshilfeersuchen vom 15.Dezember 2010, das in der Stellungnahme als möglicherweise aufschlussbringend angesehen wurde, betrieben wurde [ON 286]), liegen die Voraussetzungen des § 108 Abs 1 Z 2 StPO vor, zumal anhand des Akteninhaltes nicht evident ist, wie es zu einer relevanten Verdachtsintensivierung kommen könnte.

Konsequenz dieser Verfahrenseinstellung ist der Wegfall der Voraussetzungen für eine weitere Beschlagnahme des auf deren Konto-Nr. ***** der Volksbank für die S***** reg.Gen.mbH gesperrt liegenden Gelder von EUR 46.780,00. Die Staatsanwaltschaft wird deren Freigabe zu verfügen haben.

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 10

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