JudikaturOLG Graz

2R80/13x – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
21. Mai 2013

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch die Richter Dr.Kostka (Vorsitz), Dr.Kirsch und Mag.Tanczos in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach H***** P***** , geboren am *****, verstorben am *****, zuletzt wohnhaft gewesen in ***** ***** des Bezirksgerichtes Graz-West, vertreten durch *****, Rechtsanwalt in *****, als mit Beschluss des Verlassenschaftsgerichtes vom 13.Juni 2012, ON 21, bestellter Verlassenschaftskurator, wider die beklagte Partei M***** P***** , geboren am *****, vertreten durch den Verfahrenshilfevertreter Dr.Hannes K.Müller, Rechtsanwalt in Graz, wegen eingeschränkt EUR 46.559,24 samt Anhang, über den Rekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 23.April 2013, 27 Cg 71/12w-26, mit dem der klagenden Verlassenschaft Verfahrenshilfe bewilligt worden war, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

H***** P***** ist am ***** verstorben. Nach der in dem zu ***** des Bezirksgerichtes Graz-West anhängigen Verlassenschaftsverfahren errichteten Todfallaufnahme hatte sie (aus zwei Ehen) sieben Kinder, nämlich aus erster Ehe

H***** D*****, geboren am *****, bei der sie zuletzt auch wohnhaft war,

S***** S*****, geboren am *****, sowie aus zweiter Ehe

J***** P*****, geboren am *****,

K***** P*****, geboren am *****,

W***** P*****, geboren am *****,

I***** S*****, geboren am ***** und

M***** P*****, geborener P*****, geboren am *****.

Letzterem vermachte die Erblasserin mit letztwilliger Anordnung vom 5.Dezember 2000 Ansprüche aus einem dort bestimmt genannten Bausparvertrag.

Mit eigenhändigem Testament vom 30.Juli 2006 vermachte die Erblasserin „alle meine persönlichen Sachen“ M***** P*****, geboren am *****, und verfügte ausdrücklich, ihre weiteren Söhne J*****, K***** und W***** P***** zur Gänze (einschließlich des Pflichtteiles) enterben zu wollen. Hinsichtlich I***** P***** führte sie aus, dass ihr aus genannten Gründen „auch nichts gebührt“. H***** D***** und S***** S***** blieben darin unerwähnt.

Mit fremdhändigem Testament vom 1.Februar 2012 bestimmte sie ihre Tochter H***** D***** zur Alleinerbin ihres wie immer Namen habenden Vermögens und enterbte unter einem ihren jüngsten Sohn M***** P*****. Ihre sonstigen Noterben beschränkte sie ausdrücklich auf den gesetzlichen Pflichtteil.

Erbantritts- oder Erklärungen zu den letztwilligen Verfügungen wurden im Verlassenschaftsverfahren bisher nicht abgegeben.

Nach der vorläufigen Vermögensaufstellung durch den Gerichtskommissär vom 5.November 2012 bestehen im Nachlass Aktiva von insgesamt EUR 17.873,52, resultierend aus Guthaben bei der Pensionsversicherungsanstalt in Höhe von EUR 59,10 und bei der ***** in Höhe von EUR 56,75 sowie einer titulierten Forderung gegen M***** P***** (den hier Beklagten) in Höhe von EUR 17.757,67, wovon EUR 1.785,31 bar beim Gerichtskommissär erliegen.

Diesen Aktiven stehen Todfallkostenforderungen der H***** D***** in Höhe von zusammen EUR 1.441,31 gegenüber.

Mit Beschluss des Verlassenschaftsgerichtes vom 13.Juni 2012 und 8.November 2012 wurde ************************* gemäß § 156 Abs 2 AußStrG zum Verlassenschaftskurator zur Vertretung in einem Exekutionsverfahren sowie im Verfahren 6 C 1142/12g je des Bezirksgerichtes Gleisdorf sowie im gegenständlichen Rechtsstreit 27 Cg 71/12w des Erstgerichtes – sämtliche gegen den auch hier Beklagten – bestellt.

Im gegenständlichen Rechtsstreit hatte die Erblasserin mit Klage vom 19.März 2012 vom erblasserischen Sohn M***** P***** Zahlung von ursprünglich EUR 54.530,56 samt Anhang mit der Begründung begehrt, dass dieser diesen Betrag von ihrem Bankkonto veruntreut habe.

Für dieses Verfahren war der Erblasserin mit Beschluss des Erstgerichtes vom 28.Februar 2012, 27 Nc 1/12t, die Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis f, Z 3 und 5 ZPO in vollem Ausmaß bewilligt worden.

Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 16.April 2012 bewilligte es dem in diesem Verfahren Beklagten M***** P***** ebenfalls die Verfahrenshilfe, dies in vollem Ausmaß im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis f und Z 3 ZPO.

Im Rahmen seines die Klagsforderung bestreitenden Einspruches hat der Beklagte den Antrag gestellt, der klagenden Partei im Hinblick auf ihr zwischenzeitiges Ableben die Verfahrenshilfe zu entziehen.

Am 23.April 2013, nachdem ihm das Erstgericht den Erlag eines Kostenvorschusses von EUR 300,00 aufgetragen hatte, stellte der Verlassenschaftskurator den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im nunmehr bewilligten Umfang, in dem er sämtliche Fragen nach Vermögenswerten mit einem Schrägstrich „beantwortete“.

Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Erstgericht der klagenden Verlassenschaft die Verfahrenshilfe im Umfang des § 63 Abs 1 Z 1 lit a bis f und Z 5 ZPO in vollem Ausmaß mit der Begründung, dass der Nachlass vermögenslos und die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht offenbar aussichtslos oder mutwillig sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Beklagten, der eine Rechtsrüge erhebt und einen Aufhebungs- und Rückverweisungs- sowie einen Rekurskostenersatzantrag stellt.

Die klagende Partei hat eine Rekursbeantwortung erstattet.

Dem Rekurs kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Auch wenn in der Lehre nicht ganz unstrittig ist (aber überwiegend vertreten wird), ob (dass) die Verlassenschaft als juristische Person anzusehen sei (vgl Welser in Rummel, ABGB³ Rz 2 zu § 547; eindeutig bejahend Koziol-Welser, Bürgerliches Recht, Band II 13 , 566; Apathy in KBB, ABGB³ § 547 Rz 1 und zuletzt 3 Ob 84/09p), stellt die Verlassenschaft jedenfalls keine natürliche Person, sondern (ab deren Tod bis zur Einantwortung) Träger deren Rechte und Pflichten und damit jedenfalls ein sonstiges parteifähiges Gebilde dar (Koziol-Welser aaO; RS0012206 und RS0008131).

Gemäß § 63 Abs 2 ZPO ist einer juristischen Person oder einem sonstigen parteifähigen Gebilde die Verfahrenshilfe zu bewilligen, wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von ihr/ihm noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Eine Mutwilligkeit oder Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung ist hier weder erkennbar noch behauptet worden.

Unstrittig ist auch, dass das derzeitige Aktivvermögen der klagenden Partei, das ja im Wesentlichen aus einem – mangels Zahlung in Exekution gezogenen – Forderungsrecht gegen den Beklagten besteht, zur Deckung der Prozesskosten nicht hinreicht.

An der Prozessführung wirtschaftlich Beteiligter im Sinne § 63 ZPO ist jeder, auf dessen Vermögenslage sich das Obsiegen oder Unterliegen der juristischen Person oder des sonstigen parteifähigen Gebildes wirtschaftlich auswirkt, sofern der wirtschaftlichen Beteiligung auch Rechtsbeziehungen zugrundeliegen. Ein bloßes Gläubigerverhältnis reicht im Allgemeinen noch nicht aus, um diese Voraussetzungen zu erfüllen. Sie ist aber gegeben, wenn sich das Siegen oder Unterliegen so stark auswirkt, dass ihm die Aufbringung der zur Prozessführung erforderlichen Mittel billigerweise zugemutet werden kann. Dies ist jeweils im Einzelfall zu prüfen (OLG Innsbruck 4 R 86/02g, ZVR 2003/57). Eine solche „materielle Verbundenheit“ hat das Oberlandesgericht Innsbruck in der vom Rekurswerber angezogenen Entscheidung ZVR 2003/57 auch im Verhältnis von (präsumtiven) Erben zu einem prozessführenden ruhenden/armutshalber abgetanenen/an Zahlungs statt überlassenen Nachlass erkannt, weil sich das Obsiegen oder Unterliegen des Nachlasses auf die Vermögenslage der (präsumtiven) Erben doch erheblich wirtschaftlich auswirkt. Auch der hier erkennende Senat hat (allerdings) erbserklärte Erben einer Verlassenschaft als wirtschaftlich Beteiligte angesehen und im Hinblick auf deren wirtschaftliche Situation der Verlassenschaft die Verfahrenshilfebewilligung verweigert (hg 2 R 175/01z und 2 R 13/00z mzwN).

In der obgenannten Entscheidung ZVR 2003/57 vertrat das Oberlandesgericht Innsbruck aber die Ansicht, dass auch nicht erbserklärte, präsumtive gesetzliche Erben – die das Verfahren betreibenden Eltern des fünfjährigen Kindes, dessen Verlassenschaft Klägerin im Schadenersatzprozess war – als wirtschaftlich Beteiligte im Sinne § 63 Abs 2 ZPO in Frage kommen (so offenbar auch Fucik in Rechberger, ZPO³ Rz 4 zu § 63).

Dies mag in Fällen eindeutiger gesetzlicher Erbfolge (bei gleichgelagerten Interessen) und damit zweifelsohne gegebener (hier wohl ideeller als auch) „materieller Verbundenheit“ mit dem Prozessausgang gegeben sein bzw in Frage kommen. Im gegenständlichen Fall liegt eine solche eindeutige Zurechenbarkeit und eindeutige Interessenslage präsumtiver Erben aber nicht vor.

Im Verlassenschaftsverfahren liegen drei einander teilweise widersprechende letztwillige Erbserklärungen und sieben Kinder aus zwei Ehen der Verstorbenen vor. Keine der möglichen Testaments- oder Gesetzeserben hat bisher eine Erbantrittserklärung abgegeben oder sich zur Gültigkeit der vorliegenden letztwilligen Anordnungen geäußert.

Es kann weder Aufgabe des Prozessgerichtes über eine Nachlassforderung im Zusammenhang mit einem Verfahrenshilfeantrag noch Bescheinigungspflicht des Verlassenschaftskurators sein, in einer solchen Situation den bzw die wirtschaftlich Beteiligten an der klägerischen Verlassenschaft und dessen/deren wirtschaftliche Situation zu prüfen bzw darzulegen. Insoweit folgt das Rekursgericht der ihm zutreffend erscheinenden Argumentation des Verlassenschaftskurators in seiner Rekursbeantwortung. Festzuhalten ist allerdings, dass damit nicht ausgesagt werden soll, dass nur Erbantrittserklärungen (präsumtive) Erben zu wirtschaftlich Beteiligten einer Verlassenschaft machen.

Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.

Der vom Rekurswerber gestellte Kostenersatzantrag scheitert nicht nur an der Erfolglosigkeit des Rekurses, sondern insbesondere auch am § 72 Abs 3 letzter Satz ZPO.

Der Unzulässigkeitsausspruch gründet sich auf § 528 Abs 2 Z 4 ZPO.

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 2

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