JudikaturOLG Graz

3R2/13h – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
10. Januar 2013

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch die Richter Dr.Bornet (Vorsitz), Dr.Sommerauer und Mag a .Weiß in der Insolvenzsache des Schuldners S***** K***** , *****, über den Rekurs des Insolvenzverwalters Dr.Axel Reckenzaun , Rechtsanwalt, Annenstraße 10/I, 8020 Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom 14.November 2012, 17 S 16/11p-35, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Ein Kostenersatz findet im Rekursverfahren nicht statt.

Der Revisionsrekurs ist gemäß §§ 252 IO, 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

Text

begründung:

Mit dem angefochtenen Meistbotsverteilungsbeschluss betreffend die Verteilung des Erlöses (EUR 75.000,00) aus der freihändigen Veräußerung des Hälfteanteiles des Schuldners an der Liegenschaft EZ ***** wies das Erstgericht das Kapital (den Verkaufserlös) wie folgt zu:

- EUR 3.600,00 brutto als Sondermassekosten gemäß § 49 IO dem Insolvenzverwalter als dessen Entlohnung für die Veräußerung der Liegenschaft;

- EUR 2.693,25 als gesetzliches Vorzugspfandrecht der Gemeinde ***** an Grundsteuer für die Jahre 2010 bis 2012;

- EUR 68.706,75 an die Absonderungsgläubigerin ***** im Range ihres Höchstbetragspfandrechtes zu C-LNr. 6a zur teilweisen Berichtigung durch Barzahlung.

Entgegen dem (modifizierten) Verteilungsentwurf des Insolvenzverwalters wäre entsprechend der im Beschluss des Rekursgerichtes vom 8.November 2012, 3 R 199/12b, vertretenen Rechtsansicht die Immobilienertragssteuer von EUR 6.250,00 nicht den Sondermassekosten, sondern der allgemeinen Masse zugerechnet, sodass diese nicht aus dem Erlös zu befriedigen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Insolvenzverwalters (ON 36).

Er bekämpft ihn „zur Gänze“, macht unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und stellt primär einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag; hilfsweise beantragt er die Abänderung des Meistbotsverteilungsbeschlusses dahin, „dass die Immobilienertragssteuer als Sondermasseforderung qualifiziert wird“.

Die Absonderungsgläubigerin beantragt in der Rekursbeantwortung (ON 38), dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

Rechtliche Beurteilung

1. Geltend gemacht wird, die Immobilienertragssteuer (ImmoESt) von EUR 6.250,00 sei aus dem erzielten Erlös als Sondermasseforderung zu berichtigen. Die ImmoESt enthalte alle Elemente, die iSd hR(vgl 8 Ob 113/06k) dafür sprächen, sie sei Masseforderung, unmittelbare steuerliche Folge der Veräußerung der Liegenschaft und ihre Berechnung erfolge auf Basis des Unterschiedsbetrages zwischen Veräußerungserlös und Anschaffungskosten. Die Gegenprobe ergäbe, dass sie mit der allgemeinen Insolvenzmasse nichts zu tun habe (eigener Rechnungskreis): Wäre die Liegenschaft als Sondermasse nicht Teil der Insolvenzmasse, wäre die ImmoESt gar nicht entstanden. Mit der ausdrücklichen Absicht, die ImmoESt der Kapitalertragssteuer nachzubilden, werde diese als Objektsteuer ausgestaltet, die (auch) in der Insolvenz die Absonderungsberechtigten belaste. Liegenschaftsvermögen sei in einem Insolvenzverfahren natürlicher Personen Grundlage für die Entschuldung durch Zahlungsplan. Die Belastung der allgemeinen Insolvenzmasse mit der ImmoESt würde hier eine Entschuldung – es liege Masseunzulänglichkeit vor – erschweren oder gar unmöglich machen.

2. Das Rekursgericht hat sich vor kurzem in der vom Erstgericht zitierten Entscheidung 3 R 119/12b mit der Rechtsfrage, ob die ImmoESt den Sondermassekosten (Standpunkt des Rekurswerbers) oder der allgemeinen Masse zuzurechnen ist (Standpunkt der Rekursgegnerin), ausführlich auseinandergesetzt und kam zum Ergebnis, das Letzteres die korrekte Lösung ist, und zwar aus folgenden Erwägungen:

Im Zweifel ist eine Masseforderung gemäß § 47 Abs 3 IO aus der allgemeinen Masse zu befriedigen. Prima facie besteht zwar ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der Sondermasse, die durch Verwertung des Absonderungsgutes erzielt wurde, und der ImmoESt, denn diese entstand durch den Verwertungsvorgang. Es bestehen aber folgende gewichtige Gründe, die gegen eine Zuordnung zu den Sondermassekosten sprechen:

„1. Wie die Steuer auf den Spekulationsgewinn ist die Immobilienertragssteuer eine Einkommenssteuer und damit den direkten Personensteuern zuzuordnen. Der dafür typische Zusammenhang mit dem gesamten Vermögen des Steuersubjektes , also der allgemeinen Insolvenzmasse, ist bei der neu kreierten Immobilienertragssteuer durch den fixen Steuersatz von 25 % und der eingeschränkten Verlustausgleichsmöglichkeit bei privaten Grundstücksveräußerungen zwar abgeschwächt, durch die in allen Fällen gegebene Möglichkeit der Option auf die Regelbesteuerung und die Steuerwirksamkeit von Veräußerungsverlusten von Grundstücken im Betriebsvermögen nach den allgemeinen Regeln der Gewinnermittlung aber doch in einem nicht zu vernachlässigenden Ausmaß gegeben, was die allgemeine Insolvenzmasse als Adressatin der Steuerforderung nahelegt.

2. In der Regel wird der Insolvenzverwalter bei der Verwertung eines Absonderungsgutes durch die Aufdeckung stiller Reserven einen Veräußerungsgewinn lukrieren, hinsichtlich den davon auszugehen ist, dass die reale Wertsteigerung wohl in den meisten Fällen schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens sukzessive eingetreten sein wird, allein aber noch keine Steuerschuld bewirkt hat; diese ist erst durch die die stillen Reserven aufdeckende Verwertungshandlung des Insolvenzverwalters eingetreten. Auch diese zeitliche Komponente der Entstehung des Gewinns bzw. der Steuerschuld (Schulyok aaO Rz 57) spricht für die Zuordnung der Immobilienertragssteuer zur allgemeinen Masse.

3. Besonderes Gewicht kommt für das Rekursgericht folgender Überlegung zu: Eine Qualifikation der Immobilienertragssteuer als Sondermassekosten würde wohl zu einer Verletzung des in § 11 Abs 1 IO verankerten Grundsatzes führen, dass sich die Rechtsposition der Absonderungsgläubiger zu der außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht verschlechtern darf. In einem außerhalb eines Insolvenzverfahrens geführten Versteigerungsverfahren wäre die Immobilienertragssteuer aber keine Vorzugspost im Sinne des § 216 Abs 1 Z 1 EO iVm § 120 Abs 2 Z 4 EO (siehe FINDOK, Info des BMF, GZ BMF-010203/0402-VI/6/2012 vom 3.9.2012, Punkt 5.2), würde also den Befriedigungsfonds der Pfandgläubiger nicht schmälern. Dazu darf es - um den genannten Grundsatz zu wahren - auch bei einem Verkauf von Liegenschaften, an denen ein Absonderungsrecht besteht, durch den Insolvenzverwalter nicht kommen, würde dies wohl regelmäßig zu einem (berechtigten) Widerspruch des Absonderungsberechtigten gemäß § 120 Abs 2 IO führen und für derartige Liegenschaften dann nur mehr der - oft wenig praktikable Weg - der gerichtlichen Veräußerung offenstehen.

4. Schließlich hat das Höchstgericht die vom Insolvenzverwalter aus einer fruchtbringenden Geldanlage zu entrichtende Kapitalertragssteuer, mag sie auch eine Einkommenssteuer darstellen, mit der wesentlichen Begründung der Sondermasse zugeordnet, dass sie losgelöst vom übrigen Vermögen und der Bewertung des verpfändeten Vermögenswertes im Vermögen des Schuldners – etwa vergleichbar einer Gebühr – angefallen sei (zum Hintergrund: Es handelte sich um Zinserträge aus Verwertungserlösen des Insolvenzverwalters, die er bis zur Verteilung fruchtbringend anlegte). Da in diesem Falle die Kapitalertragssteuer also völlig abgegrenzt vom sonstigen Massevermögen anfällt und allein durch die Einkünfte aus der Sondermasse verursacht wird, ist eine Zuordnung dieser Abgabe als Sondermassekosten jedenfalls gerechtfertigt. Sie verringert die Sondermasse bzw. die Früchte derselben eben um diesen Betrag (8 Ob 66/08a). Diese speziellen Umstände treffen aber auf die Immobilienertragssteuer, die ihre Wurzeln wohl noch in schuldnerischem Wirtschaften hat (siehe 2.), nicht zu.“

3. Diese nach wie vor als zutreffend erachtete Begründung wird durch die Rekursausführungen nicht wirklich erschüttert.

3. 1. Richtig ist zwar, dass die ImmoESt als Masseforderung nur entstand, weil die Liegenschaft Teil der Insolvenzmasse war und ihre Berechnung grundsätzlich auf Basis des Unterschiedsbetrages zwischen Veräußerungserlös und Anschaffungskosten erfolgt. Dies ist aber für sich nicht ausreichend, denn das galt auch für die Spekulationssteuer, die nach hR (dennoch) keine Sondermassekosten darstellt, sondern der allgemeinen Masse zuzurechnen ist (8 Ob 87/10t; RIS-Justiz RS0057941 [T 4]).

3. 2. Die ImmoESt ist keineswegs eine (reine) Objektsteuer, sondern eine Einkommenssteuer (somit [abgeschwächte] direkte Personensteuer). Ihr Wesen sei (wie in der zitierten Vorentscheidung des Rekursgerichtes) kurz skizziert:

„Sie fällt bei allen Veräußerungsvorgängen iZm Grundstücken an; für sie gilt grundsätzlich der besondere Steuersatz von 25 % hinsichtlich des durch die Veräußerung erzielten Einkommens, di im Wesentlichen der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den seinerzeitigen Anschaffungskosten, die um Herstellungsaufwendungen erhöht werden. Diese gesetzliche Änderung bedeutet für Grundstücke im Betriebsvermögen (Steuersatz bisher bis zu 50 %) eine Steuerminderung, bei privaten Grundstücksveräußerungen, die bisher nur als Spekulationsgeschäft steuerpflichtig waren, die Einführung einer neuen Abgabe. In allen Fällen (bei privaten, aber auch bei zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücken) ist auf Antrag eine Regelbesteuerung nach dem allgemeinen Tarif möglich; Verluste aus privaten Grundstücksveräußerungen können nur mit Gewinnen aus in demselben Jahr stattfindenden Grundstücksveräußerungen ausgeglichen werden; Veräußerungsverluste von Grundstücken im Betriebsvermögen sind hingegen nach den allgemeinen Regeln der Gewinnermittlung steuerwirksam ( Doralt , Steuerrecht 2012/13 [Tz 28, 55/1]).“

3. 3. Es besteht zwar durch die Zurechnung der ImmoESt zur allgemeinen Masse eine gewisse Erschwerung der Entschuldung durch Zahlungsplan. Dies hat der Gesetzgeber aber bei Schaffung dieser Steuer ersichtlich in Kauf genommen. Hätte er dieses Ergebnis verhindern wollen, hätte er die Steuer als Vorzugspost (auch) im Falle der gerichtlichen Veräußerung vorsehen müssen. Nur so könnte eine Verletzung des in § 11 Abs 1 IO verankerten Grundsatzes vermieden werden, dass sich die Rechtsposition des Absonderungsgläubigers durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht verändern darf (8 Ob 113/06k mwN), würde man der These von der Sondermasseeigenschaft der ImmoESt folgen.

4.

4. 1. Aus diesen Gründen war dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

4. 2. Ein Kostenzuspruch ist im Rekursverfahren, soweit es sich nicht um Rechtsstreitigkeiten handelt, nicht vorgesehen (RIS-Justiz RS0065227).

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 3

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