JudikaturOLG Graz

9Bs420/12a – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
13. Dezember 2012

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes DI.Dr.Luger als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Mag.Ohrnhofer und Mag.Redtenbacher in der Strafsache gegen M***** B***** und weitere Personen wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Graz gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 23.November 2012, 14 Hv 163/12x-55, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben , die Festnahme des am 20.Mai 1996 geborenen M***** B***** aus dem Festnahmegrund der Tatbegehungsgefahr nach § 170 Abs 1 Z 4 StPO iVm § 35 JGG angeordnet , die Wirksamkeit dieser Anordnung mit 13.März 2013 befristet und die über M***** B***** am 13.Oktober 2012 verhängte Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit. b und c StPO iVm § 35 JGG fortgesetzt .

Gemäß § 175 Abs 5 StPO ist die Wirksamkeit dieses Beschlusses nicht mehr durch eine Haftfrist begrenzt.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Text

Begründung:

In dem von der Staatsanwaltschaft Graz gegen A***** G*****, E***** D*****, A***** K***** und M***** B***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen geführten Ermittlungsverfahren wurde über den am 12.Oktober 2012, 6.45 Uhr, festgenommenen M***** B***** mit Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 13.Oktober 2012 nach der Vernehmung des (nunmehr) Angeklagten zur Tat- und Haftfrage die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 2 und 3 lit c StPO iVm § 35 JGG verhängt, wobei die Wirksamkeit dieser Entscheidung mit 29.Oktober 2012 befristet wurde (ON 30).

Aus Anlass der Haftverhandlung am 25.Oktober 2012 sah der Einzelrichter von der Fortsetzung der über M***** B***** verhängten Untersuchungshaft unter Anwendung der gelinderen Mittel der Weisungen, einer geregelten Arbeit nachzugehen, sich einer Psychotherapie bei der FONAST zu unterziehen, der Staatsanwaltschaft jeweils binnen 14 Tagen den Arbeits- und Therapieantritt nachzuweisen sowie mit den weiteren Angeklagten keinen Kontakt zu pflegen, ab und ordnete die am selben Tag effektuierte Enthaftung des Angeklagten an (ON 39 und 43). Diese Entscheidung erwuchs aufgrund der Rechstmittelverzichte der Anklagbehörde und des Angeklagten in Rechtskraft.

Mit dem am 12.November 2012 eingelangten Schriftsatz des Verteidigers des M***** B***** wurde eine Bestätigung der forensischen Nachbetreuungsambulanz Steiermark vom 2.November 2012 betreffend den Beginn einer Behandlung im Sinne der richterlichen Weisung in Vorlage gebracht (ON 46, Seite 9). Dem am 19.November 2012, 11.00 Uhr, bei der Staatsanwaltschaft erscheinenden M***** B***** verweigerte die ermittelnde Staatsanwältin den von ihm begehrten Besuch des Mitangeklagten E***** D***** in der Untersuchungshaft mit dem Hinweis auf das ihm auferlegte Verbot der Kontaktaufnahme mit den Mitbeteiligten. Aus diesem Anlass auf die gerichtliche Weisung, einer geregelten Arbeit nachzugehen, angesprochen, gab M***** B***** an, zwei Wochen bei der KFZ-Handel K***** gearbeitet, sich jedoch um eine andere Arbeitsstelle bemüht zu haben, zumal er lediglich Putzarbeiten verrichten durfte. Am 21.November 2012 könne er bei der Firma P*****-M***** zu arbeiten beginnen. Auf die Vorlage der Bestätigung des Arbeitsantrittes habe er vergessen. Daraufhin wurde ihm von der Staatsanwältin zur Vorlage von Bestätigungen sowohl hinsichtlich der Arbeitsaufnahme beim Unternehmen KFZ-Handel K***** als auch der Anstellungszusage des Unternehmens P*****-M***** eine Frist bis spätestens 20.November 2012, 10.00 Uhr, eingeräumt. Überdies wurde M***** B***** von der Staatsanwältin über die Konsequenz der neuerlichen Verhängung der Untersuchungshaft im Fall des Unterbleibens der Vorlage belehrt (ON 1, Seite 12). Mit der am 20.November 2012 im Wege des Elektronischen Rechtsverkehrs eingelangten, jedoch erst am 21.November 2012 ausgedruckten Eingabe legte der Verteidiger des Angeklagten eine Kopie der sozialversicherungsrechtlichen Anmeldung ab (unleserlich) 14. oder 19.November 2012 als Reinigungskraft im Haushalt des C***** S***** in *****, vor (ON 49).

Noch am 20.November 2012 beantragte die Staatsanwaltschaft die Festnahme des Angeklagten M***** B***** aus den Haftgründen der Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr (§ 170 Abs 1 Z 3 und 4 StPO) im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Angeklagte nicht bloß die Vorlage einer Bestätigung über den Arbeitsantritt unterließ, sondern auch am 19.November 2012 den Mitangeklagten E***** D***** in der Untersuchungshaft besuchen wollte, worin ein Verstoß gegen das ihm auferlegte Kontaktverbot zu erblicken sei. Infolge der gerichtlichen Bewilligung der Festnahme und der Anordnung ihrer Durchführung durch die Staatsanwaltschaft wurde M***** B***** am 22.November 2012, 20.10 Uhr, festgenommen und um 23.30 Uhr desselben Tages in die Justizanstalt Graz-Jakomini eingeliefert.

Am 22.November 2012 erhob die Staatsanwaltschaft Graz beim Landesgericht für Strafsachen Graz als Schöffengericht in Jugendstrafsachen Anklage insbesondere gegen M***** B***** wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (ON 50).

Mit dem angefochtenen Beschluss sah die Vorsitzende des Schöffengerichtes nach der Vernehmung des M***** B***** zur Haftfrage (ON 29, Seite 13) von der „Verhängung“ der Untersuchungshaft über den Angeklagten unter Anwendung der gelinderen Mittel der Weisungen, einer geregelten Arbeit nachzugehen, sich einer Psychotherapie zu unterziehen und mit den weiteren Angeklagten keinen Kontakt zu pflegen, ab (ON 55). Die von der Vorsitzenden angeordnete Enthaftung wurde am 23.November 2012, 13.00 Uhr, effektuiert (ON 57).

Gegen diesen Beschluss richtet sich die (den Antrag auf Anordnung der Festnahme implizierende) Beschwerde der Anklagebehörde mit den Anträgen, den angefochtenen Beschluss aufzuheben sowie dem Erstgericht aufzutragen, M***** B***** neuerlich in Haft zu nehmen und über ihn nach dessen Einlieferung die Untersuchungshaft nach § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit a, b und c StPO zu verhängen (ON 58).

Die Beschwerde hat (im Ergebnis) Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

M***** B***** ist im Sinne des § 173 Abs 1 StPO des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1 StGB dringend verdächtig, weil er am 8.Oktober 2012 in Graz im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit A***** G***** und E***** D***** A***** S***** mit Gewalt EUR 100,00 Bargeld mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem E***** D***** ihr die Geldtasche entriss und dieser eine 100-Euro-Banknote entnahm, während A***** G***** und M***** B***** A***** S***** zur Verhinderung ihrer Gegenwehr jeweils im Schulterbereich erfassten und nach unten drückten, wobei es beim Versuch blieb, weil J***** K***** dem E***** D***** die Banknote wieder entreißen konnte.

Wie bereits vom Erstgericht zutreffend dargelegt ist die höhergradige Wahrscheinlichkeit der Tatausführung durch den Angeklagten aus den glaubhaften Angaben der Zeugen J***** K***** und A***** S***** sowie des Mitangeklagten A***** K***** zu erschließen. Übereinstimmend legen J***** K***** (ON 18, Seiten 97 ff) und A***** S***** (ON 18, Seiten 87 ff) dar, dass sie am 8.Oktober 2012 im Volksgarten von einer Gruppe von sechs oder sieben jungen Männern Marihuana erwerben wollten, jedoch aus Anlass der Übergabe des Bargeldes drei oder vier dieser Personen A***** S***** ihre Geldtasche zu entreißen versuchten. Als A***** S***** heftigen Widerstand leistete, indem sie ihre Geldbörse mit zwei Händen festhielt, wurde sie von zwei Personen am linken und am rechten Arm erfasst, festgehalten und in Richtung Boden gedrückt. Aufgrund dieser Körperhaltung ließ sie von der Geldtasche ab, einer der Täter entriss ihr die Geldtasche und entnahm dieser eine 100-Euro-Banknote. Diesem Täter konnte wiederum J***** K***** die Banknote entreißen und anschließend flüchten (ON 8, Seiten 73 ff und 91 ff). Aus Anlass der am 10.Oktober 2012 durchgeführten Wahlkonfrontationen identifizierten die beiden Zeugen E***** D***** als jene Person, die A***** S***** die Geldtasche entrissen hatte (ON 18, Seiten 61 ff, 87 und 97). Ebenso erkannten beide Zeugen auf Lichtbildern M***** B***** als Mitbeteiligten des Raubüberfalles wieder (ON 18, Seiten 89 und 99), wobei J***** K***** dessen Tatbeitrag als Festhalten seiner Begleiterin präzisierte. Angesichts des Detailgrades und der Konstanz der Schilderungen der Zeugen sowie ihrer Selbstbelastung zum versuchten Erwerb von Suchtmittel (§ 15 StGB, § 27 Abs 1 Z 1 erster Fall SMG) besteht an deren Glaubhaftigkeit kein begründeter Zweifel, ist doch auch weder den Ermittlungsergebnissen noch den Verantwortungen der Angeklagten ein nachvollziehbares Motiv für eine wissentliche Falschbelastung zu entnehmen. Dass A***** S***** keine Wahrnehmungen zu den Tathandlungen des M***** B***** darlegen konnte, erscheint vor dem Hintergrund der übereinstimmenden Darstellungen der Zeugen zu ihrer durch die Gewaltanwendung erwirkten Körperhaltung, der Anwesenheit einer Vielzahl von Personen und des raschen Verlaufs des Vorfalls plausibel. Überdies finden die Angaben der Zeugen in der Darstellung des Angeklagten A***** K***** insoweit Deckung, als dieser A***** G*****, E***** D***** und M***** B***** des Reißens an einem gelben Oberteil einer als Burschen erachteten Person belastet (ON 18, Seiten 131, 135, 137, 139 und 143). Angesichts dieser Ermittlungsergebnisse vermag die lediglich die gewaltlose Wegnahme der Geldbörse durch E***** D***** zugestehende, jedoch den eigenen Tatbeitrag leugnende Verantwortung des M***** B***** nicht zu überzeugen. Aus dem dargestellten Tathergang ist sein Wissen um die gewaltsame und der unrechtmäßigen Bereicherung dienende Wegnahme fremder Sachen sowie sein darauf gerichteter Wille mit erhöhter Wahrscheinlichkeit abzuleiten, zumal sich schon nach allgemeinen Erfahrungssätzen in der im Kontext des Versuches des E***** D*****, A***** S***** die Geldbörse zu entreißen, gegen das Tatopfer angewandten physischen Kraft die zuvor dargestellte Intention manifestiert.

Vom Vorliegen des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr in der Ausprägung der lit. b und c des § 173 Abs 2 Z 3 StPO ist jedenfalls beim Angeklagten auszugehen, zumal aus den seit der Vollendung des 14.Lebensjahr trotz der Verbüßung kurzer Strafteile und Freiheitsstrafen repetitiv und überwiegend im raschen Rückfall wiederkehrenden Straftaten gegen die Rechtsgüter des fremden Vermögens und die körperliche Integrität eine Tendenz einer gegenüber den genannten Rechtsgütern geradezu ablehnenden Einstellung zu erschließen ist, die in Zusammenschau mit seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nachdrücklich befürchten lässt, dass er auf freiem Fuß belassen weitere strafbare Handlungen mit nicht bloß leichten Folgen begehen wird, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten bedroht sind und ebenso wie die ihm angelastete strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind wie jene Straftaten, deretwegen er bereits dreimal verurteilt wurde (Punkte 1, 3 und 4 der Strafregisterauskunft ON 15). Angesichts der – nach der aktuellen Verdachtslage auf umfassender Sachverhaltsklärung beruhenden – Anklageerhebung besteht trotz der leugnenden Verantwortung des Angeklagten und seiner in Missachtung der ihm zur Substitution der Untersuchungshaft auferlegten Weisung aufgenommenen Kontakte zu den Mitangeklagten kein Anhaltspunkt für die konkrete Annahme, der Angeklagte werde die Wahrheitsforschung faktisch erschwerende oder gar verhindernde Handlungen ausführen.

Die Verhängung der Untersuchungshaft steht zum Gewicht der Straftat, bei dessen Bewertung nicht bloß die Auswirkungen der Anlasstat, sondern auch die Sicherungszwecke der Haft zu beurteilen sind (OGH 7.Oktober 2004, 15 Os 117/04), und zu der für den Fall der verdachtskonformen Verurteilung zu erwartenden Strafe nicht außer Verhältnis, weil im Hinblick auf die Ausführung von auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten im raschen Rückfall nach der bedingten Entlassung am 11.Juli 2012 und trotz der Unterstützung durch die Bewährungshilfe sowie angesichts der aktuellen Lebensumstände des Angeklagten nicht bloß eine hochgradige Gefahr erheblicher Eingriffe in die Rechtsgüter des fremden Vermögens, die körperliche Integrität und die Freiheit Dritter besteht, sondern auch – selbstverständlich unpräjudiziell – unter Berücksichtigung der Erschwerungsgründe der drei einschlägigen Vorverurteilungen (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB), des raschen Rückfalls sowie der Tatbegehung in Gesellschaft und während offener Probezeit, denen aktuell kein Milderungsgrund gegenübersteht, eine innerhalb des in Anwendung des § 5 Z 4 JGG auf fünf Jahre Freiheitsstrafe herabgesetzten Strafrahmens des § 142 Abs 1 StGB auszumessende und die absehbare Dauer der Untersuchungshaft erheblich übersteigende Sanktion zu erwarten ist. Auch stehen die mit der Untersuchungshaft verbundenen Nachteile für die Persönlichkeitsentwicklung und für das Fortkommen des Jugendlichen zur dargestellten Bedeutung der Tat und zur zu erwartenden Strafe in einem angemessenen Verhältnis, wird doch das Fortkommen des Angeklagten in Anbetracht der fehlenden Berufsausbildung, seiner Automatenspielsucht und der gelinde gesagt fragwürdigen Erwerbstätigkeit aktuell durch die Untersuchungshaft eher gefördert als beeinträchtigt. Insofern erweist sich die Anhaltung des Angeklagten in Untersuchungshaft auch unter dem Gesichtspunkt der für die hinkünftige deliktsfreie Lebensführung notwendigen Durchbrechung der in Verfestigung begriffenen Charaktermängel sogar als förderlich (§ 35 JGG). Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes wird der hohen Gefahr der neuerlichen Begehung solcher Straftaten mit zumindest nicht bloß leichten Folgen durch die vom Erstgericht angewandten gelinderen Mittel nicht wirksam begegnet. Zwar ist es grundsätzlich nachvollziehbar, dass von einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit des M***** B***** nicht bloß die – der Gefahr der abermaligen Tatausführung entgegenwirkende - Aufbesserung seiner finanziellen Situation sondern auch eine die Persönlichkeitsentwicklung fördernde Strukturierung seiner Lebensführung zu erwarten ist. Jedoch ist aus den widersprüchlichen Angaben des Angeklagten zu seiner beruflichen Tätigkeit im Zeitraum nach der Enthaftung am 25.Oktober 2012 (ON 1, Seite 12: zwei Wochen beim Unternehmen KFZ-Handel K***** mit der Aussicht auf den Arbeitsbeginn bei „P*****-M*****“ am 20.November 2012; ON 49, Seite 9: Beschäftigung als Reinigungskraft seit [unleserlich] 14. oder 19. November 2012 im Haushalt des C***** S*****; ON 29, Seite 13: Beschäftigung als Reinigungskraft seit 14.November 2012) und der - trotz der behaupteten Anstellung als Reinigungskraft bestehenden - Gelegenheit, sich am 19.November 2012, um 11.00 Uhr, in den Amtsräumen der Staatsanwaltschaft Graz aufzuhalten, auf eine bislang unzureichende Integration des Angeklagten in der Arbeitswelt zu schließen. Überdies erweckt die vom Verteidiger am 20.November 2012 eingebrachte Bestätigung über die Anstellung des Angeklagten als Reinigungskraft in Ansehung seiner gegenüber der Staatsanwältin dargestellten Unlust, bloße Reinigungsdienste auszuführen, den Eindruck einer Gefälligkeitsbescheinigung.

Auch ist die Anklagebehörde im Recht, wenn sie im Versuch des Angeklagten, in Begleitung des A***** K***** (ON 58, Seite 3) den E***** D***** in der Untersuchungshaft zu besuchen, einen Bruch der ihm auferlegten Weisung, mit den Mitbeschuldigten keinen Kontakt zu pflegen (ON 39, Seite 2), erblickt, der der Annahme der Substituierbarkeit der Untersuchungshaft entgegensteht.

Aus diesen Erwägungen ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Infolge des nach § 89 Abs 2b StPO bestehenden Gebotes zur Sachentscheidung ist die Festnahme des Angeklagten aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 170 Abs 1 Z 4 StPO iVm § 35 JGG (befristet) anzuordnen und die über ihn am 13.Oktober 2012 verhängte Untersuchungshaft fortzusetzen (RS0116263; OGH 4.Juli 2011, 11 Os 85/11a). Da im Absehen von der Fortsetzung der (bereits am 13.Oktober 2012 verhängten) Untersuchungshaft unter Anwendung gelinderer Mittel eine dem Fall des § 173 Abs 4 StPO gleichzuhaltende Unterbrechung der Untersuchungshaft zu erblicken ist, ist diese – entgegen der Ansicht der Anklagebehörde und des Erstgerichtes – nicht abermals zu verhängen, sondern fortzusetzen. Einer weiteren (eine Anfechtung mittels Beschwerde ermöglichenden) Beschlussfassung durch das Erstgericht, das ausschließlich der allgemeinen Prüfpflicht im Sinne des § 177 Abs 1 und 2 StPO unterliegt und bloß bei veränderter Sachlage auch eine abweichende Entscheidung zu treffen hätte, bedarf es daher nicht (11 Os 80/09p).

Gemäß § 175 Abs 5 StPO ist die Wirksamkeit dieses Beschlusses (bezogen auf die Fortsetzung der Untersuchungshaft) aufgrund der Einbringung der Anklageschrift durch die Haftfrist nicht mehr begrenzt.

Von der Gewährung des rechtlichen Gehörs gegenüber dem Angeklagten war Abstand zu nehmen, weil der Gegenstand der Beschwerde auf die Anordnung der Festnahme und die Fortsetzung der Untersuchungshaft gerichtet ist, deren Effektuierung voraussetzt, dass sie dem Angeklagten vor ihrer Durchführung nicht bekannt wird, zumal für den Fall der Kenntnis des Angeklagten in Ansehung des Ausmaßes der zu erwartenden Freiheitsstrafe und der abermaligen Inhaftierung Fluchtreaktionen konkret zu erwarten sind (§ 89 Abs 2a Z 4 StPO).

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 9

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