JudikaturOLG Graz

3R164/12f – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
09. Oktober 2012

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch den Richter Dr. Bornet als Einzelrichter (§ 8 a JN) in der Rechtssache der klagenden Partei H***** H*****, *****, vertreten durch Dr. Anton Cuber, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei F*****, *****, vertreten durch die Saxinger, Chalupsky Partner, Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen (Streitwert: EUR 21.800,00), über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 26. Juli 2012, 13 Cg 34/11z-45, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Beiden Rekursen wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der hinsichtlich der Nichtzuerkennung der Gebühr für Mühewaltung von EUR 1.191,60 inkl. USt mangels Bekämpfung durch den Sachverständigen in Rechtskraft erwachsen ist, wird im Übrigen teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben .

Teilweise bestätigt wird er insoweit, als die Gebühren

- für Mühewaltung gemäß § 34 GebAG mit EUR 2.625,00

- für sonstige Kosten gemäß § 31 GebAG mit EUR 984,59

- für Aktenstudium gemäß § 36 GebAG mit EUR 44,90

zusammen daher EUR 3.654,49

zzgl. 20 % USt EUR 730,90

und gesamt gerundet gemäß § 39 Abs 2 GebAG mit EUR 4.385,00

bestimmt werden.

Die diesbezüglich erforderliche Auszahlungsanordnung ist vom Erstgericht vorzunehmen.

Im Übrigen, also hinsichtlich des weiteren Gebührenbegehrens des Sachverständigen (EUR 26.140,00) einschließlich der Punkte II. bis IV., wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel zulässig (§ 528 Abs 2 Z 5 ZPO).

Text

begründung:

Der Kläger begehrte die Nichtigerklärung zweier in der Generalversammlung der beklagten Kapitalgesellschaft vom 10. März 2011 gefasster Beschlüsse und beantragte zum Beweis seiner anspruchsbegründenden Behauptungen die Beiziehung eines Buchsachverständigen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren.

Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage und Hinweis, dass zur Klärung des Anspruches die Beiziehung eines Sachverständigen unumgänglich sei, trug das Erstgericht den Parteien auf, je einen Kostenvorschuss von EUR 3.000,00 einzuzahlen (ON 17, S. 2f).

Die Parteien erlegten diese Kostenvorschüsse (ON 18, 19).

Mit Beschluss vom 20. Oktober 2011 bestellte das Erstgericht ********** zum Sachverständigen (SV) und trug ihm die Gutachtenserstattung und Befunderhebung mit konkreten Fragestellungen dazu auf. „Das schriftliche Gutachten möge … binnen 15 Wochen vorgelegt werden. An Kostenvorschüssen erliegen gesamt EUR 6.000,00, auf mögliche Warnpflichten wird hingewiesen“ (ON 20).

Mit Schreiben vom 14. November 2011 teilte der SV mit, den vollen Umfang der Arbeit derzeit nicht endgültig abschätzen zu können; vermutlich werde mit Sachverständigengebühren von EUR 10.000,00 zzgl. USt zu rechnen sein (ON 22).

Das Erstgericht verfügte die Zustellung einer Gleichschrift des Schreibens vom 14. November 2011 an die Parteienvertreter und trug (den Parteien) auf, binnen 3 Wochen einen weiteren Kostenvorschuss von je EUR 4.000,00 einzuzahlen (ON 23).

Die Parteien erlegten auch diese Kostenvorschüsse (ON 25, 26).

Mit Schreiben vom 8. März 2012 teilte der SV dem Gericht mit, dass er diverse notwendige Unterlagen von der Beklagten angefordert habe. Der Wirtschaftsprüfer der F***** habe mitgeteilt, diese werde keine Unterlagen vorlegen, weshalb er das Gutachten ohne diese erstellen werde, wofür er eine Frist bis 30. April 2012 vorgesehen habe (ON 27).

Mit weiteren Schreiben vom 20. April 2012 teilte der SV dem Gericht mit, dass sich inzwischen der Bedarf ergeben habe, weitere Unterlagen von der Beklagten beizuschaffen. Der Vertreter der Beklagten habe ihm mitgeteilt, dies werde nicht vor dem 30. April 2012 möglich sein, weshalb er (der SV) um Fristerstreckung für die Gutachtenserstattung bis 8. Juni 2012 ersuche (ON 28). Das Erstgericht gab diesem Ersuchen statt (ON 29).

Mit Schreiben vom 5. Juni 2012 teilte der SV dem Gericht mit, die angeforderten Unterlagen erst mit E-Mail vom 23. Mai 2012 erhalten zu haben, weshalb er um weitere Fristerstreckung bis 30. Juni 2012 ersuche. Unter einem teile er mit, dass er nun aufgrund der neuen Unterlagen den Arbeitsumfang endgültig abschätzen könne und mit Sachverständigengebühren von rund EUR 30.000,00 zzgl. USt zu rechnen sei (ON 30).

Am 6. Juni 2012 vermerkte das Erstgericht, dem SV die Fristverlängerung zugesagt zu haben, und verfügte die Zustellung einer Gleichschrift dieses Schreibens an beide Parteienvertreter je mit dem Auftrag, binnen 8 Tagen einen weiteren Kostenvorschuss von je EUR 7.000,00 zur Abdeckung der Gutachtenskosten einzuzahlen „unter den Säumnisfolgen der ZPO“ (ON 31). Diese Note (der Auftrag) wurde dem Klagsvertreter am 11. und der Beklagtenvertreterin am 8. Juni 2012 zugestellt (Zustellnachweise bei ON 30, 31).

Mit am 15. Juni 2012 eingebrachter Äußerung beantragte der Kläger den SV zu befragen, ob die Beklagte die angeforderten Unterlagen vollständig vorgelegt habe, verneinendenfalls, ob ihm dennoch die Erstattung eines vollständigen Gutachtens möglich sei. Der SV möge auch bekanntgeben, weshalb sich seine Kostenschätzung inzwischen derart erhöht habe. Bis zur Klärung dieser Frage werde er (Kläger) weitere Kostenvorschüsse nicht erlegen (ON 32).

Das Erstgericht verfügte die Zustellung einer Gleichschrift dieser Äußerung an den SV mit dem Ersuchen, zum Antrag im Rahmen der Gutachtenserstattung Stellung zu nehmen (ON 33).

Die Beklagte zahlte per 14. Juni 2012 den weiteren Kostenvorschuss ein (ON 34).

Am 29. Juni 2012 langte beim Erstgericht die gemeinsame Ruhensanzeige beider Streitteile desselben Datums ein. Am selben Tag informierte das Erstgericht den SV telefonisch (Mobilbox) über das Ruhen des Verfahrens und ersuchte ihn, seine Arbeiten gegen Kostenbekanntgabe einzustellen (ON 35).

Mit Schreiben vom 3. Juli 2012 legte der SV das Gutachten samt Gebührennote vor, nachdem er am Tag zuvor dem Erstgericht die Fertigstellung des Gutachtens und dessen beabsichtigte Vorlage mitgeteilt hatte (ON 37 bis 39).

In der Gebührennote machte er aufgeschlüsselt EUR 31.716,00 inkl. USt geltend und legte ein Leistungsverzeichnis bei (ON 38).

Mit Beschluss vom 4. Juli 2012 brachte das Erstgericht den Parteien wie dem Revisor das Gutachten und die Gebührennote zur Kenntnis und gab diesen die Gelegenheit, binnen 14 Tagen eine Äußerung zur Gebührennote abzugeben (ON 40).

Die Revisorin wendete gegen die Gebührennote ein, die Mühewaltungsgebühr wäre nur mit EUR 3.972,00 (80 % von EUR 4.965,00) zu bestimmen (ON 41).

Mit Eingabe vom 23. Juli 2012 (ON 43) äußerte sich der Kläger zur Gebührennote des SV.

Der SV habe die Warnpflicht verletzt, den größten Teil des Gutachtens bereits vor dem 15. Juni 2012 erbracht, weshalb er (teilweise) den Gebührenanspruch verliere. Gebühren ständen ihm maximal in Höhe der ersten Kostenwarnung, „dh von EUR 10.000,00 zzgl. USt zu“. Bezweifelt würden die vom Sachverständigen für Hilfskräfte verzeichneten Stundensätze von EUR 50,00 bis EUR 130,00. Sie seien ungewöhnlich hoch; überwälzen könne er nur die eigenen Kosten. Hinsichtlich der vom Sachverständigen verzeichneten Gebühren für Mühewaltung von EUR 280,00/EUR 285,00 pro Stunde sei nicht nachgewiesen, dass er sie auch im außergerichtlichen Erwerbsleben verrechne. Der SV müsse darlegen, inwieweit die Beiziehung von Hilfskräften im verzeichneten Stundenausmaß unumgänglich gewesen sei.

Mit Eingabe vom 24. Juli 2012 (ON 44) äußerte sich die Beklagte zur Gebührennote.

Der SV habe die Warnpflicht verletzt. Eine zweite Kostenwarnung sei nur zulässig, wenn dafür nachvollziehbare Gründe bescheinigt würden. Der SV habe auch vorzeitig seinen Auftrag weiter erfüllt, sodass er insoweit seinen weiteren Gebührenanspruch verloren habe. Mangels Nachweises des vom SV im außergerichtlichen Erwerbsleben bezogenen Stundensatzes gebühre ihm für die Mühewaltung nur ein Stundensatz von EUR 80,00 bis EUR 150,00. Interne Besprechungen von Mitarbeitern, die vom SV verzeichnet worden seien, seien nicht zu honorieren, außerdem hätten die Mitarbeiter dazu verschiedene Zeiträume angegeben (z.B. am 17.2. und 11.4.2012). Der SV könne nur jene Mitarbeiterkosten verrechnen, die ihm selbst entstanden seien, was er nachzuweisen habe. Die Tätigkeit des Schreibens des Gutachtens werde nach § 31 Z 3 GebAG vergütet, nicht nach § 30 GebAG. Unter Reinschreiben fielen auch „scannen“ und „formatieren“. Das Honorar für die Hilfskräfte „Sekretariat“ stehe daher nicht zusätzlich zu.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Gebühren des Sachverständigen mit EUR 30.525,00, sprach aus, dass die Parteien für diese Gebühren zu gleichen Teilen haften, und wies den Rechnungsführer an, nach Rechtskraft dieses Beschlusses entsprechende Beträge an den Sachverständigen zu überweisen.

Entsprechend den Einwendungen des Revisors sei die Mühewaltungsgebühr des SV um 20 % zu verringern. Die aktenkundige Chronologie führe zur grundsätzlichen Berechtigung des Gebührenanspruchs des Sachverständigen, unabhängig von der Zustellung des Gutachtens, die letztlich nur einen Leistungsbeleg darstelle. Eine (relevante) Warnpflichtverletzung bestehe nicht, weil der SV erst nachdem er sämtliche Unterlagen erhalten habe, den gesamten Kostenumfang habe abschätzen können. Zu den übrigen Positionen seien keine konkreten Einwendungen erhoben worden.

Gegen diesen Beschluss richten sich die Rekurse beider Parteien.

Der Kläger bekämpft ihn im Wesentlichen gänzlich, erhebt eine Mängel- und Rechtsrüge und stellt primär den Abänderungsantrag, die Gebühren des Sachverständigen mit „maximal EUR 10.000,00 zzgl. 20 % USt“ zu bestimmen; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt (ON 47).

Die Beklagte bekämpft ihn, soweit die Gebühren des Sachverständigen mit mehr als EUR 497,00 inkl. USt bestimmt wurden, erhebt gleichfalls eine Mängel- und Rechtsrüge und stellt in erster Linie den Abänderungsantrag, die Gebühren des Sachverständigen mit EUR 497,00 inkl. USt zu bestimmen; hilfsweise stellt auch sie einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag (ON 46).

Der Sachverständige hat sich am Rekursverfahren beteiligt (ON 48, 49) und verteidigt im Wesentlichen die von ihm verzeichneten Gebühren.

Beide Rekurse sind iSd Eventualanträge teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Im Rekursverfahren hat gemäß § 8 a JN der Einzelrichter zu entscheiden. Denn diese Bestimmung ist hier anzuwenden, weil das Datum der Entscheidung erster Instanz nach dem 30. April 2011 liegt (Artikel 39 Abs 8 BGBl I Nr. 111/2010).

2. Das Gericht muss über (vor oder nach Eintritt des Ruhens gestellte) Anträge nicht prozessbeteiligter Personen auch nach Ruhen des Verfahrens entscheiden, also auch über den Gebührenanspruch des SV (Gitschthaler in Rechberger, ZPO 3 § 163 Rz 6 mwN; Krammer/Schmidt, SDG-GebAG 3 [2001] § 38 E22, § 39 E2, § 41 E69 und 70).

3. Die Einwendungen (Äußerungen) der Parteien zur Gebührennote waren rechtzeitig, weshalb das Erstgericht sie zu beachten hatte. Zwar liegen keine Rückscheine betreffend die Zustellung des Beschlusses vom 4. Juli 2012 (ON 40) vor. Die Parteienvertreter konnten aber durch Vorlage der ihnen zugegangenen Beschlussausfertigung samt Eingangsvermerk (jeweils 10. Juli 2012) nachweisen, dass die eingeräumte 14-tägige Frist zur Äußerung gewahrt wurde.

4. Eine zum (teilweisen) Verlust des Gebührenanspruches führende Warnpflichtverletzung liegt nicht vor.

§ 25 Abs 1 a GebAG bestimmt:

„Ist zu erwarten oder stellt sich bei der Sachverständigentätigkeit heraus, dass die tatsächlich entstehende Gebühr die Höhe des Kostenvorschusses, mangels eines solchen den Wert des Streitgegenstands oder EUR 2.000,00, in Verfahren vor dem Landesgericht und im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft aber EUR 4.000,00 übersteigt, so hat die oder der Sachverständige das Gericht bzw die Staatsanwaltschaft rechtzeitig auf die voraussichtlich entstehende Gebührenhöhe hinzuweisen, wenn das Gericht oder die Staatsanwaltschaft den oder die Sachverständige nicht anlässlich des Auftrags von dieser Verpflichtung befreit hat. Unterlässt der oder die Sachverständige diesen Hinweis, so entfällt insoweit der Gebührenanspruch. In dringenden Fällen können unaufschiebbare Tätigkeiten auch schon vor der Warnung oder dem Zugang einer Reaktion darauf begonnen werden.“

Die erste Warnung hat der Sachverständige zweifellos rechtzeitig ausgesprochen. Danach erlagen Kostenvorschüsse von insgesamt EUR 14.000,00, sodass eine Gebührenanspruchsminderung unter diesen Betrag aus Gründen der Warnpflichtverletzung von vorne herein nicht in Betracht kommt.

Aber auch darüber hinaus besteht kein Anlass für eine Anspruchskürzung aus diesem Grund.

Es ist nachvollziehbar und plausibel, dass dem SV entsprechend seinen Ausführungen erst aufgrund der am 23. Mai 2012 erhaltenen weiteren Unterlagen die (weitere) Abschätzung des Umfanges seiner Arbeiten möglich war.

Aber selbst wenn ihm die (neuerliche, entsprechende) Warnung schon früher möglich gewesen wäre, so führte das im konkreten Fall zu keiner (anteiligen) Anspruchskürzung. Denn der SV warnte neuerlich (wenn auch allenfalls verspätet), worauf das Erstgericht den Parteien einen weiteren Kostenvorschussauftrag erteilte, dem die Beklagte nachkam. Aber auch der Kläger sprach sich (zunächst) keineswegs gegen die weitere Gutachtenserstattung aus. Vielmehr forderte er bloß die dargelegten Aufklärungen. Das Erstgericht stellte die Äußerung des Klägers dem SV zu und trug diesem sinngemäß die Fortführung des Gutachtensauftrages auf (s. ON 33).

Eine Anspruchskürzung iSd § 25 Abs 1 a GebAG setzt aber voraus, dass nach einer (allenfalls auch verspäteten) Warnung nicht ein (zumindest sinngemäßer) Auftrag zur Fortführung der Gutachtenserstattung erfolgt. Wird nämlich in Kenntnis der höheren Gebühr am Auftrag festgehalten, so ist der Sinn der Warnpflicht erfüllt, nämlich die realistische wirtschaftliche Bewertung des Prozessaufwandes durch alle Beteiligten möglich. Die Kostenschätzung des SV im Rahmen der Warnung hat die Wirkung wie ein verbindlicher Kostenvoranschlag nach § 1170 a Abs 1 ABGB. Die bekanntgegebenen Kosten bilden (grundsätzlich) die Obergrenze für die Bestimmung der Gebühren. Im Gegensatz zu § 1170 a Abs 1 ABGB sind aber weitere Warnungen möglich und auch notwendig, wenn eine Überschreitung der im Rahmen der Warnung genannten Kosten erforderlich wird (Krammer/Schiller/Schmidt/Tanczos, Sachverständige und ihre Gutachten [2012] 134). Lässt das Gericht (etwa weil die Parteien sich nicht dagegen aussprechen) den SV trotz (neuerlicher, allenfalls auch verspäteter) Warnung weiterarbeiten, gebührt dem SV auch die weitere Gebühr (s. zur vergleichbaren Rechtslage im Werkvertragsrecht [allerdings beim „unverbindlichen“ Kostenvoranschlag] Rebhahn in Schwimann, ABGB 3 § 1170 a Rz 12 mwN).

Der Umstand der (allfälligen) Verspätung der Warnung ist dann deswegen nicht mehr relevant, weil das „Vorausarbeiten“ des SV nachträglich akzeptiert wurde und seine – durchaus auf eigenes Risiko erbrachte – Vorleistung damit Gericht und Parteien zugänglich wird.

Wird also infolge der (weiteren) Kostenwarnung der Auftrag nicht widerrufen, vielmehr trotz (neuerlicher) Warnung am Gutachtensauftrag festgehalten, kommt eine Kürzung des Gebührenanspruches wegen Warnpflichtverletzung nicht in Betracht, solange sich die Gebühr im Rahmen der nunmehrigen Warnung hält. Die Akzeptanz der Gebührenüberschreitung durch das Gericht kann auch als entsprechende (partielle, nachträgliche) Befreiung von der Warnpflicht iSd § 25 Abs 1 a GebAG gedeutet werden.

5.1. Hinsichtlich der Kosten für die Beiziehung von Hilfskräften gemäß § 30 GebAG ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

Dem SV steht es frei, Hilfskräfte beizuziehen. Sie unterliegen seiner fachlichen Weisung und Überwachung. Die Verteilung der bei einem umfangreichen Gutachten erforderlichen Vorarbeiten an qualifizierte Hilfskräfte kommt der Zeit- und Geldersparnis wie Verfahrensbeschleunigung zu Gute. Der Kostenersatz für Hilfskräfte ist auf den dem SV tatsächlich entstandenen und zu bescheinigenden Aufwand beschränkt. Grundsätzlich sind die Angaben des SV über die Aufwendungen für wahr zu halten. Der Ersatz der Kosten der Hilfskräfte ist mit jenem Betrag zu begrenzen, der dem SV gebührt hätte, wenn er die Arbeiten selbst ausgeführt hätte. Die Angaben des SV über den Zeitaufwand sind so lange als wahr anzunehmen, als nicht das Gegenteil zumindest wahrscheinlich gemacht wird (Krammer/Schmidt, aaO § 30 E1, 2, 4, 9, 52, 54, 63; § 38 E49 ff ua).

In realistischer Betrachtung ist die „unumgängliche Notwendigkeit“ der Beiziehung von Hilfskräften (für die Entlohnbarkeit ihres Einsatzes) teleologisch (nach dem Gesetzeszweck) dahin einzuschränken, dass der diesbezügliche Aufwand bereits dann zu ersetzen ist, wenn die Verwendung von Hilfskräften keine höheren Kosten verursacht hat, als sie ohne deren Beiziehung betragen hätten. Dies gilt um so mehr, wenn der Stundensatz der Hilfskraft wesentlich niedriger ist als jener des SV (vgl Krammer/Schiller/Schmidt/Tanczos, aaO 147 mit Beispiel).

Im Rekursverfahren gilt das Neuerungsverbot (Krammer/Schmidt, aaO § 41 E80 uva). Es dürfen daher im Rechtsmittelverfahren keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorgebracht/vorgelegt werden. Entspricht die Gebührenverzeichnung nicht dem Gesetz und fehlt es an der Bescheinigung erheblicher Umstände, so ist der SV unter Fristsetzung aufzufordern, die Mängel zu beheben, ansonsten kann dies zum Gebührenverlust führen (Krammer/Schiller/Schmidt/Tanczos, aaO 153 f).

5.2. Wendet man diese Grundsätze hier an, kann eine Beurteilung der geltend gemachten Gebühr für Hilfskräfte noch nicht erfolgen.

a.) Zwar hat der SV bestimmte Stundensätze für die Hilfskräfte geltend gemacht. Allerdings hat er in erster Instanz nicht einmal behauptet, diese Stundensätze selbst bezahlen zu müssen (die Gebührennote enthält den Satz: „Die auf den beiliegenden Leistungsverzeichnis dargestellten Stundensätze II sind jene, die die K***** GmbH, deren Geschäftsführer und im Volldienstverhältnis beschäftigter Dienstnehmer ich bin, für mich an Auftraggeber/Klienten dieser Gesellschaft ins Verdienen bringt“. Das hat nichts mit den Stundensätzen zu tun, die der Sachverständige für seine Hilfskräfte zu zahlen hat). Auf die Ausführungen des SV im Rekursverfahren dazu kann wegen Verstoßes gegen das Neuerungsverbot nicht eingegangen werden. Das Erstgericht wird sie allerdings im fortgesetzten Verfahren zu beachten haben.

b.) Was die Zahl der verzeichneten Stunden für juridisch vorgebildete Berufsanwärter anlangt, sind die vom SV geltend gemachten als im Wesentlichen unbedenklich anzusehen (s. das der Gebührennote angeschlossene Leistungsverzeichnis). Die Ausführungen der Rekurswerber sind nicht geeignet, diesbezüglich erhebliche Bedenken hervorzurufen. Nicht beizupflichten ist der Auffassung, dass interne Besprechungen der beteiligten Mitarbeiter keine zu honorierende Leistung darstellen würden. Vielmehr ist zwanglos davon auszugehen, dass derartige Besprechungen der Erledigung des Gutachtensauftrages dienten. In den konkret angeführten (geringfügig) unterschiedlichen Angaben im Leistungsverzeichnis zum 17.2. und 11.4.2012 sah das Erstgericht zu Recht keinen Anlass zu begründeten Zweifeln am Leistungsverzeichnis. Denn auch ohne die plausiblen Ausführungen des SV im Rekursverfahren dazu (ON 49, S. 6) waren diese geringen Unterschiede in den Zeitangaben leicht damit erklärbar, dass die beteiligten Hilfskräfte naturgemäß unterschiedliche Aufgaben hatten und damit im Zusammenhang eben ein unterschiedlicher Zeitaufwand anfiel. Dass für ein fachlich notwendiges Gespräch eine ohnehin nur kurze Vor- bzw Nachbereitung notwendig ist bzw sein kann, ist einsichtig.

c.) Die Zahl der verzeichneten Stunden für Hilfskräfte Sekretariat war durchaus bedenklich und daher aufklärungsbedürftig, weil der Zeitaufwand für die Übertragung bzw das Reinschreiben von Befund und Gutachten einschließlich der Beilagen in Urschrift und Ausfertigungen nicht (zusätzlich) zu entlohnen, sondern mit dem in § 31 Abs 1 Z 3 genannten Gebührensatz abzugelten ist.

Im fortgesetzten Verfahren wird also zu klären sein, welcher Zeitaufwand für diese „Schreibarbeiten“ (dazu zählen auch Formatierungen und Tätigkeiten wie scannen) anfiel und in den geltend gemachten „Sekretariatskosten“ enthalten ist; dieser ist nicht (zusätzlich) zuzuerkennen. Die übrigen notwendigen Kanzleiarbeiten sind durchaus mit dem erforderlichen Zeitaufwand zu honorieren.

6.1. Die Gebühr für Mühewaltung ist die Entlohnung für die eigentliche Sachverständigentätigkeit, die in der Erstattung von Befund und Gutachten besteht.

Nach der Grundregel des § 34 Abs 1 GebAG ist die Mühewaltungsgebühr nach richterlichem Ermessen, nach der aufgewendeten Zeit und Mühe und nach den vollen außergerichtlichen Erwerbseinkünften des SV für eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit zu bestimmen, mindestens aber mit EUR 20,00 pro Stunde. Dies gilt für den gesamten zivilen Streitbereich, allerdings nur, wenn auf Zahlung aus Amtsgeldern verzichtet wird und die zahlungspflichtige Partei nicht Verfahrenshilfe genießt. Kommt wie hier § 34 Abs 1 nicht zur Anwendung (weil der SV nicht auf Zahlung aus Amtsgeldern verzichtete), erfolgt die Bestimmung der Mühewaltungsgebühr nach § 34 Abs 2. In diesem Fall ist die Mühewaltungsgebühr in erster Linie nach den Tarifen des GebAG zu bestimmen. Solche Tarife gibt es für den hier bestellten SV nicht. Daher sind wiederum die außergerichtlichen Erwerbseinkünfte maßgeblich, wobei aber im Hinblick auf die öffentliche Aufgabe der Rechtspflege zum Wohl der Allgemeinheit ein Abschlag von 20 % vorzunehmen ist.

Der SV hat die Höhe dieser außergerichtlichen Einkünfte nachzuweisen. Mit Nachweisen ist die Glaubhaftmachung (Bescheinigung) gemeint, die darin besteht, das Entscheidungsorgan von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu überzeugen. § 273 ZPO ist sinngemäß anzuwenden. Dies kann etwa durch den Nachweis von Honoraren für eine außergerichtliche Gutachtertätigkeit und des für eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit bezogenen Erwerbseinkommens erfolgen.

Erfolgt kein solcher Nachweis und ist (wie hier mangels bestehender gesetzlich vorgesehener Gebührenordnung) auch Abs 4 nicht anzuwenden, so gelten nach § 34 Abs 3 Rahmensätze pro angefangener Stunde. Der Rahmensatz für Tätigkeiten, die besonders hohe fachliche Kenntnisse erfordern, die durch ein Universitätsstudium oder eine gleichwertige Vorbildung vermittelt werden, beträgt EUR 80,00 bis EUR 150,00. Innerhalb des Rahmens ist die Gebühr je nach der konkret erforderlichen Qualifikation des beauftragten SV, der Schwierigkeit des aufgetragenen Befunds oder Gutachtens und der Ausführlichkeit der notwendigen Begründung zu bestimmen. Im Bereich des § 34 Abs 2 ist von den nach § 34 Abs 3 ermittelten Einkünften ein weiterer Abzug von 20 % nicht mehr vorzunehmen (s. zu all dem Krammer/Schiller/Schmidt/Tanczos, aaO § 138 bis 143 samt Praxistipps und Beispielen).

6.2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist derzeit nur ein Stundensatz von EUR 150,00 zuerkennbar. Denn ein höherer Stundensatz für außergerichtliche Einkünfte wurde im erstinstanzlichen Verfahren nicht nachgewiesen. Was die K***** GmbH an ihre Auftraggeber/Klienten verrechnet, ist, wie dargelegt, irrelevant. Wesentlich wäre das Honorar des SV selbst für eine außergerichtliche Gutachtertätigkeit oder das für eine gleiche oder gleichartige Tätigkeit bezogene Erwerbseinkommen (der Stundensatz kann grob durch Division des Jahresbruttoeinkommens mit 1.800 ermittelt werden). Die Zuerkennung der höchstmöglichen Rahmengebühr gemäß § 34 Abs 3 erscheint nach der Aktenlage gerechtfertigt. Die Tätigkeit erforderte nicht nur ein abgeschlossenes Universitätsstudium, sondern wesentlich darüber hinausgehende Kenntnisse. Der Fall war deswegen zusätzlich schwierig, weil diverse Unterlagen nicht vorgelegt wurden. Es war eine sehr ausführliche Begründung nötig, die dennoch gut nachvollziehbar ist. Die Zahl der verzeichneten Stunden erscheint unbedenklich, zumal auch diese grundsätzlich für wahr zu halten ist (vgl o. 5.1.).

Demgemäß kann diesbezüglich bereits ein Gebührenbetrag von (17,5 x EUR 150,00) EUR 2.625,00 netto zuerkannt werden.

7. Auch die vom SV verzeichneten sonstigen Kosten gemäß § 31 GebAG in Höhe von netto EUR 984,59 sowie die gemäß § 36 GebAG begehrte Gebühr für Aktenstudium von netto EUR 44,90 sind unbedenklich, mit den Ansätzen des GebAG in Einklang und werden auch in den Rekursen nicht konkret bekämpft, weshalb es beim diesbezüglichen Zuspruch zu bleiben hat.

Festzuhalten ist, dass in der Ausführung des SV in ON 49, S. 8, dass es akzeptabel wäre, EUR 152,00 (76 Seiten Urschrift zu je EUR 2,00) nicht zuzuerkennen, kein (unbedingter) Verzicht auf diese Position zu erblicken ist, da er anstelle dieser Schreibkosten höhere Sekretariatskosten nach Stundensätzen begehrt, was, wie dargelegt, der Gesetzeslage widerspricht (s. § 31 Abs 1 Z 3 letzter Halbsatz GebAG).

8. Hinzu kommt noch die gemäß § 31 Abs 1 Z 6 GebAG gesondert an- und zuzusprechende USt von 20 % aus den genannten Beträgen (EUR 2.625,00 + EUR 984,59 + EUR 44,90 x 0,2 =) EUR 730,90.

9. Weil gemäß § 39 Abs 2 GebAG die Gebührenbeträge auf volle Euro abzurunden sind, ist daher in teilweiser Stattgebung der Rekurse derzeit ein Gebührenbetrag von EUR 4.385,00 (darin EUR 730,83 USt) zuzuerkennen. Hinsichtlich des Mehrbegehrens des SV (mit Ausnahme des unbekämpften „Abschlages“ von der Mühewaltungsgebühr von 20 % inkl. USt, also EUR 1.191,60, welches Begehren daher rechtskräftig abgewiesen ist) war ein Aufhebungs- und Rückverweisungsbeschluss zu fassen. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren die aufgezeigten offenen Fragen (Stundensätze der Hilfskräfte mit juristischer Vorbildung; Stundenzahl und -sätze der Hilfskräfte Sekretariat; höhere Mühewaltungsgebühr) eine Klärung zuzuführen haben, wobei die nach der Fassung des angefochtenen Beschlusses vorgelegten Schriftsätze und Urkunden durchaus zu beachten sein werden, insbesondere also die vom SV mit der Rekursbeantwortung vorgelegten Urkunden.

10. Die durch diese Rechtsmittelentscheidung bedingte Änderung der Auszahlungsanordnung ist dem Erstgericht vorzubehalten (Krammer/Schmidt, aaO § 42 E17).

11. Abschließend sei angemerkt, dass dem Antrag des Klägers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (ON 47, S. 12) schon deswegen nicht stattzugeben ist, weil das Erstgericht – vom SV unbekämpft – die Auszahlung der Gebühren erst nach Rechtskraft des angefochtenen Beschlusses anordnete.

12. Kosten wurden zu Recht nicht verzeichnet, zumal gemäß § 41 Abs 3 GebAG kein Kostenersatz stattfindet (s.a. Krammer/Schmidt, aaO § 41 E91 bis 93).

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 3

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