JudikaturOLG Graz

2R151/12m – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
24. September 2012

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch die Richter Dr.Kostka (Vorsitz), Mag.Tanczos und Mag.Weiß in der Rechtssache der klagenden Partei A***** B***** , geboren am *****, *****, vertreten durch ihren Sachwalter Dr.C***** B*****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei U***** B***** , geboren am *****, *****, vertreten durch Dr.Thomas Stampfer und Dr.Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 32.321,33 samt Anhang, hier wegen Verfahrenshilfe, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 24.Juli 2012, 20 Cg 58/12g-3, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird in Punkt 2. dahin abgeändert , dass der Klägerin die Verfahrenshilfe auch im Umfang des § 64 Abs 1 Z 3 ZPO bewilligt wird.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Für A***** B*****, *****, ist der Wiener Rechtsanwalt Dr.C***** B***** mit Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 30.August 2010, 26 P 79/08a-136, zum Sachwalter zur Vertretung unter anderem vor Gerichten bestellt und die bisherige Sachwalterin, die nunmehr Beklagte, als Sachwalterin ihres Amtes enthoben worden.

Mit der vom Sachwalter der Betroffenen am 19.Juli 2012 eingebrachten, sachwaltergerichtlich genehmigten Klage wird Schadenersatz in Höhe von EUR 32.321,33 wegen versäumter Antragstellung um Berufsunfähigkeitspension und Pflegegeld begehrt.

Am 24.Juli 2012 erließ das Erstgericht den beantragten Zahlungsbefehl.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom gleichen Tag bewilligte es der Klägerin aufgrund ihres unter einem gestellten Verfahrenshilfeantrages die Verfahrenshilfe im Umfang der Begünstigungen des § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis f ZPO, wies aber das Mehrbegehren, der Klägerin die Verfahrenshilfe auch im Umfang des § 64 Abs 1 Z 3 ZPO zu bewilligen, ab.

Aufgrund des vorgelegten Vermögensbekenntnisses nahm das Erstgericht eine Unterhaltsgefährdung der Klägerin und die Unzumutbarkeit einer Belehnung ihrer Eigentumswohnung zur Bevorschussung der zu erwartenden Verfahrenskosten als bescheinigt an, begründete aber die teilweise Abweisung hinsichtlich der Beigebung eines Verfahrenshilfevertreters unter Berufung auf § 267 Abs 1 ABGB. Der Sachwalter habe gegenüber der Betroffenen keinen Entgeltanspruch für die Vertretung im Prozess.

(Nur) gegen die Abweisung richtet sich der unbeantwortet gebliebene Rekurs der klagenden Partei mit einem entsprechenden Abänderungsantrag.

Dem Rekurs kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Im Rekurs wird im Wesentlichen damit argumentiert, dass § 267 Abs 1 (gemeint ist jeweils offenbar § 276 Abs 2) ABGB nur das Ziel habe, den Betroffenen zu entlasten, nicht aber den Sachwalter zu belasten, der Verfahrenshilfe zu beantragen habe, widrigenfalls ihm kein Entgeltanspruch zustünde. Die Bestimmung sei verfassungskonform auszulegen und verletze in der vom Erstgericht verstandenen Auslegung den Grundsatz der Unverletzlichkeit des Eigentums und des Verbotes der Zwangsarbeit, müsse der Rechtsanwalt diesfalls doch völlig umsonst arbeiten, während er bei Verfahrenshilfegewährung zumindest eine Vergütung des Staates für die Altersvorsorge der Rechtsanwälte erhalte.

Eine darin erkennbar angeregte Anfechtung der Bestimmung des § 276 Abs 2 Satz 2 ABGB oder jener der Verfahrenshilfe nach §§ 63f ZPO beim Verfassungsgerichtshof muss schon an der Möglichkeit der Auslegung scheitern. Der diesbezüglichen Argumentation im Rekurs vermag sich der erkennende Senat schon deshalb nicht anzuschließen, da die Übernahme einer Sachwalterschaft keine allgemeine Bürgerpflicht darstellt (Grüblinger, Der Entgeltanspruch des Sachwalters für Fachleistungen, EF-Z 2008, 174). Hier geht es um die gebotene Sozialverträglichkeit einer Entlohnungslösung (Huter, Sachwalterentlohnung der vermögenden Betroffenen, EF-Z 2008, 41f). Die Sachwalterschaft ist grundsätzlich nicht unentgeltlich zu führen (Grüblinger aaO 174 und LG Korneuburg, 25 R 50/10w). Nach der in § 275 ABGB zum Ausdruck kommenden Wertung soll oberste Maxime des Sachwalters die Handlung im Interesse des Pflegebefohlenen sein. So verbietet es sich, eigene Entgeltansprüche, die dem Wohl des Betroffenen zuwiderlaufen, (gegebenenfalls nur zur Unzeit) geltend zu machen (Grüblinger, aaO 173).

Der Ersatz eines allfälligen Barauslagenaufwandes des Sachwalters zum Beispiel für seine Reisekosten zu Verhandlungen beim Erstgericht ist durch die Bewilligung der Verfahrenshilfe nach § 64 Abs 1 Z 1 lit f ZPO (notwendige Barauslagen des vom Gericht bestellten gesetzlichen Vertreters) schon gewährleistet. Dass durch die Regeln der §§ 266 und 267 ABGB keine Diskriminierung der Rechtsanwälte stattfindet, hat schon das Höchstgericht aufgezeigt (1 Ob 298/00f). Dies muss umso mehr auch jetzt für die Folgebestimmung des § 276 Abs 2 ABGB gelten.

Anspruch auf Gewährung der Verfahrenshilfe besteht für natürliche Personen, deren notwendiger Unterhalt durch die zu bevorschussenden Verfahrenskosten beeinträchtigt wäre, hier also durch die Kosten der notwendigen Vertretung im Rechtsstreit durch einen Rechtsanwalt. Dieser Unterhaltsbedarf liegt zwischen dem notdürftigen und dem standesgemäßen und damit abstrakt zwischen dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbständig Erwerbstätigen und dem Existenzminimum. Wesentlich ist, dass unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles eine die Bedürfnisse des Einzelnen berücksichtigende bescheidende Lebensführung möglich ist. Maßstab zur Prüfung dieser Unterhaltsgefährdung ist der zu erwartende Aufwand, von dessen Bevorschussung der Antragsteller vorläufig befreit werden soll (Fucik in Rechberger, ZPO-Kommentar³ Rz 2 und 3 zu § 63 ZPO).

Dass hier bei der Klägerin von dieser Unterhaltsgefährdung schon durch die Bevorschussung der notwendigen Barauslagen und weder von einer aussichtslosen noch einer mutwilligen Rechtsverfolgung auszugehen ist, hat schon das Erstgericht unbekämpft dargelegt.

Umso mehr wäre daher von einer Unterhaltsbeeinträchtigung der betroffenen Klägerin auszugehen, wenn sie auch noch mit den Rechtsanwaltskosten für den gegenständlichen Rechtsstreit belastet wäre. Dass ein solcher Vertretungskostenersatzanspruch des die Betroffene hier als Rechtsanwalt vertretenden Sachwalters nicht besteht, hat das Erstgericht zutreffend aufgezeigt. Die dafür zugrunde zu legende Gesetzesstelle ist (zwar nicht § 267 Abs 1 ABGB, sondern der dieser Bestimmung nachgebildete) § 276 Abs 2 ABGB. Erbringt danach ein Rechtsanwalt, der als Sachwalter fungiert, für einen Betroffenen bestimmte Fachleistungen, so gebührt ihm an sich nach § 276 Abs 2 Satz 1 ABGB (zusätzlich zur sonstigen Belohnung) ein angemessenes Entgelt. Die Angemessenheit richtet sich, vorausgesetzt es handelt sich bei dem Sachwalter um einen Rechtsanwalt, nach dem Rechtsanwaltstarifgesetz bei Gerichtsverfahren. Einschränkungen erfährt dieser Anspruch in Fällen einer rechtsfreundlichen Vertretung auf zweierlei Art: Zum einen gebührt dem Sachwalter ein Anspruch nur dann, wenn die Voraussetzungen zur Bewilligung von Verfahrenshilfe nicht gegeben oder die Kosten vom Gegner zu ersetzen sind. Zum anderen sind sämtliche Ansprüche des Sachwalters, auch wenn es sich nicht um einen Rechtsanwalt handelt, insoweit zu mindern, als daraus eine Gefährdung der Lebensbedürfnisse des Betroffenen resultiert (Grüblinger aaO 171). Das Vorliegen der Voraussetzungen zur Gewährung der Verfahrenshilfe für die Betroffene lässt einen solchen Entgeltanspruch des Sachwalters gar nicht erst entstehen (6 Ob 237/03a; 6 Ob 258/06v; Hopf in KBB, ABGB-Kommentar³ Rz 4 zu §§ 266 bis 267; Grüblinger aaO 172; LG Salzburg 21 R 51/07p). Der Rechtsansicht im Rekurs, ein Entgeltanspruch des Sachwalters nach dem Rechtsanwalttarifgesetz setze eine solche Verfahrenshilfeantragstellung voraus, kann daher nicht beigetreten werden.

Der Sachwalter der Klägerin, der auch als ihr Rechtsvertreter im Prozess auftritt, hat sich zutreffend (vgl 1 Ob 82/12h) nicht auf eine ihm erteilte Vollmacht nach § 30 Abs 2 ZPO berufen. Es entspricht herrschender Rechtsprechung zu § 28 ZPO, dass nicht nur der Rechtsanwalt (und die sonstigen dort erwähnten begünstigten Personen) im Anwaltsprozess keiner Vertretung durch einen (anderen) Rechtsanwalt bedarf (bedürfen), sondern dass auch solche Parteien von der Anwaltspflicht befreit sind, die durch einen Rechtsanwalt als gesetzlichen oder organschaftlichen Vertreter im Prozess vertreten werden (1 Ob 82/12h mzwN; Barth, Der Rechtsanwalt als Sachwalter in ÖJZ 2005, 53ff, 58 und 59). Im vorliegenden Fall umfasst der Wirkungsbereich des bestellten Sachwalters unter anderem auch die Vertretung der Klägerin vor Gericht, womit er - als subjektiv von der Anwaltspflicht befreite Person - auch wirksam die Klage erheben und den Prozess für die Betroffene führen kann und das Vorliegen einer förmlichen Prozessvollmacht gar nicht nötig ist, weil eine ausreichende Vertretungsmacht eben auf andere Weise gewährleistet ist.

Hat aber der hier die betroffene Klägerin ohne Prozessvollmachtsbedarf vertretende Sachwalter, der auch Rechtsanwalt ist, im Hinblick auf die bei der Betroffenen bestehenden Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gegen diese keinen Entgeltanspruch, kann sie an sich auch im Rahmen der Verfahrenshilfegewährung nicht von einem solchen befreit werden.

Auch ist nach herrschender Rechtsprechung die Beigebung eines Verfahrenshilfevertreters dann nur ausnahmsweise (zum Beispiel bei besonderer, von der Partei nicht zu beherrschender Schwierigkeit) zu bewilligen, wenn die Partei für das konkrete Verfahren gar keines Anwaltes bedarf.

Nunmehr sieht (sowohl § 267 Abs 1 Satz 2 als auch) § 276 Abs 2 Satz 2 ABGB ausdrücklich vor, dass der Rechtsanwalt, der als Sachwalter bestellt worden ist, keinen Entgeltanspruch hat, wenn beim Pflegebefohlenen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gegeben sind, ihm also Verfahrenshilfe bewilligt wurde oder bei Stellung eines Antrages zu bewilligen gewesen wäre. Im Ergebnis wird der Rechtsanwalt damit im Falle der Bedürftigkeit des Betroffenen schon alleine durch seine Bestellung als Sachwalter jedenfalls praktisch als „Verfahrenshelfer“ tätig (Barth aaO 59). Zutreffend zeigt der Rekurs daher auf, dass es selbstverständlich nicht so sein kann, dass der Rechtsanwalt als Sachwalter gezwungen wird, den Betroffenen fortan im Prozess nicht nur unentgeltlich, sondern darüber hinaus auch ohne „Verbuchung“ als Verfahrenshilfefall zu vertreten (so auch Barth aaO 59). Auch in der Regierungsvorlage zum Sachwalterrechtsänderungsgesetz 2006 hinsichtlich der neuen Bestimmung des § 276 Abs 2 ABGB wird ausgeführt, dass in jenen Verfahren, in denen beim Betroffenen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gegeben sind, ungeachtet des Umstandes, dass ein Rechtsanwalt als Sachwalter (Kurator) bestellt ist, Verfahrenshilfe bewilligt werden und der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer den Sachwalter (Kurator) als Verfahrenshelfer bestellen kann (hier allerdings nur nach Übereinkunft mit der Wiener Rechtsanwaltskammer). So kann dem Sachwalter (Kurator) seine Tätigkeit für den Pflegebefohlenen im Rahmen der Pauschalvergütung angerechnet werden (1420 dB XXII GP 15/62).

Daraus kann nur gefolgert werden, dass die aus dem dargestellten Verfahrenshilferecht allein ableitbaren Gründe, der Klägerin die Verfahrenshilfe auch im Umfang des § 64 Abs 1 Z 3 ZPO nicht zu bewilligen, hier nicht herangezogen werden können. Im Sinne des genannten gesetzgeberischen Willens ausgelegt, muss daher auch im Sinne des § 276 Abs 2 Satz 2 ABGB die Beiziehung eines Rechtsanwaltes zur Verfahrenshilfe doch möglich sein (vgl dazu auch EFSlg 124.800 und 124.801; Klauser-Kodek JN-ZPO MGA 16 E 8b zu § 63 ZPO).

Dem Rekurs war daher stattzugeben.

Eine Kostenentscheidung entfiel, da Kosten (zutreffend) nicht verzeichnet wurden.

Der Unzulässigkeitsausspruch gründet sich auf § 528 Abs 2 ZPO.

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 2

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