10Bs400/11s – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter des Oberlandesgerichtes DI Dr.Luger als Vorsitzenden sowie die Richterin des Oberlandesgerichtes Mag.List und den Richter des Oberlandesgerichtes Mag.Redtenbacher in der Rechtshilfesache gegen A***** P***** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 S über die Beschwerden des Fachverbandes der R*****, des Fachverbandes der V*****, des Fachverbandes der L*****, des Fachverbandes der B***** und des *****verbandes gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 22.Juli 2011, 19 HR 259/11d (ON 3 zu 15 HSt 127/11y der Staatsanwaltschaft Graz), in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Die Beschwerden werden als unzulässig zurückgewiesen .
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte der Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Graz in der Rechtshilfesache gegen A***** P***** wegen des Verdachts der Straftaten nach Art 292 Abs 1 und 2 des kroatischen Strafgesetzes aufgrund des Antrages der Staatsanwaltschaft Graz vom 15.Juli 2011 gemäß §§ 109 Z 3 lit a, 116 Abs 1 StPO das Zwangsmittel der durch den Fachverband der B*****, den Fachverband der S*****, den Fachverband der R*****, den Fachverband der K***** und den Fachverband der L***** zu erteilenden Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte dahingehend, ob bei den genannten Instituten im Zeitraum vom 1. bis zum 31.Jänner 1996 Geschäftsverbindungen mit der Bezeichnung DEM ***** und USD ***** (allenfalls nur ***** und *****) bestanden oder bestehen, bejahendenfalls wer Inhaber bzw. Bevollmächtigter dieser Geschäftsverbindung war oder ist und wann die Geschäftsverbindungen eröffnet oder geschlossen wurden, wobei auch alle Unterlagen über die Identität des Inhabers der Geschäftsverbindung bzw. Bevollmächtigten herauszugeben seien. Die Wirksamkeit des Beschlusses befristete das Erstgericht mit 21.September 2011.
Während Antrag und gerichtliche Bewilligung die Unterschrift des Staatsanwaltes und des Einzelrichters aufweisen, ist eine Unterfertigung der Anordnung der Durchführung durch ein Entscheidungsorgan der Staatsanwaltschaft Graz in der dem Beschwerdegericht vorliegenden Kopie der Urschrift nicht ausgewiesen.
Dessen ungeachtet wurde den genannten fünf Bankenfachverbänden im Wege des Stadtpolizeikommandos Graz am 5.August 2011 (Fachverband der V***** und Fachverband der L*****), am 8.August 2011 (Fachverband der R***** und Fachverband der B*****) und am 9.August 2011 (*****verband) jeweils eine Kopie einer mit der Unterfertigungsstampiglie des Richters und der Unterschrift des Leiters der Geschäftsabteilung („Für die Richtigkeit der Ausfertigung. Der Leiter der Geschäftsabteilung“) versehenen Beschlussausfertigung (Antrag + gerichtliche Bewilligung) ohne Zustellnachweis zugestellt. Mit Anlassbericht vom 9.August 2011 brachte das SPK Graz der Staatsanwaltschaft Graz zur Kenntnis, dass alle von der Anordnung betroffenen Fachverbände ihr Tätigwerden von der Übersendung des gegenständlichen Schriftstückes „im Original“ abhängig gemacht hätten, weshalb um die Übermittlung von fünf Originalanordnungen zur Verteilung an die Fachverbände ersucht werde. Diese „Originale“ wurden den Fachverbänden am 15.September 2011 (Fachverband der R***** [ON 6, Seite 1], Fachverband der V***** [ON 7, Seite 1], Fachverband der L***** [ON 8, Seite 1]) bzw. am 16. September 2011 (*****verband in ON 10, Seite 1) - ebenfalls im Wege des SPK Graz - zugestellt.
Gegen den Beschluss vom 22.Juli 2011 richten sich die Beschwerden des Fachverbandes der R***** (Postaufgabe am 15.September 2011, ON 6), des Fachverbandes der V***** (Postaufgabe am 16.September 2011, ON 7), des Fachverbandes der L***** (Postaufgabe 16.September 2011, ON 8), des Fachverbandes der B***** (Postaufgabe am 19.September 2011, ON 9) und des *****verbandes (Postaufgabe 19.September 2011, ON 10).
Diese sind verspätet.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 88 Abs 1 zweiter Satz und Abs 2 StPO sind Beschwerden gegen einen Beschluss, mit dem eine Anordnung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren bewilligt wird, binnen vierzehn Tagen ab Bekanntmachung oder ab Kenntnis der Nichterledigung oder Verletzung des subjektiven Rechts schriftlich oder auf elektronischem Weg bei der Staatsanwaltschaft einzubringen. Nach § 81 Abs 1 StPO hat die Bekanntmachung von Erledigungen des Gerichts und der Staatsanwaltschaft durch mündliche Verkündung, durch Zustellung einer Ausfertigung (§ 79 GOG), durch Telefax oder im elektronischen Rechtsverkehr nach Maßgabe des § 89a GOG zu erfolgen. Unzweifelhaft handelt es sich beim verfahrensgegenständlichen Beschluss um eine Erledigung im Sinn des § 81 Abs 1 StPO ( Murschetz in WK-StPO § 81 Rz 2).
Aus der Verwendung des Begriffes „Bekanntmachung“ in § 88 Abs 1 zweiter Satz StPO wird in Zusammenschau mit dem die Bekanntmachung, die Zustellung und Fristen regelnden 4. Abschnitt des 5. Hauptstückes der Strafprozessordnung (§§ 81 bis 84 StPO) erkennbar, dass die Auslösung des Laufes einer Beschwerdefrist jedenfalls vom Einlangen des Inhalts des Beschlusses im Verfügungsbereich des zur Beschwerde Befugten abhängt (so auch § 86 Abs 2 StPO). Aus der gesetzlichen Unterscheidung zwischen Bekanntmachung (§ 81 StPO) und Zustellung (§§ 82, 83 StPO) ist zu schließen, dass die Wirksamkeit der Bekanntmachung einer gerichtlichen Entscheidung nicht bloß den Zugang, sondern auch die Erfüllung der an der Art der Bekanntmachung (mündliche Verkündung, Zustellung einer Ausfertigung, Telefax, elektronischer Rechtsverkehr) orientierten Formerfordernisse voraussetzt. Für diese Interpretation spricht auch, dass für die (bloße) Regelung der Zulässigkeit der Zustellung von gerichtlichen Entscheidungen im Wege des Telefax oder des elektronischen Rechtsverkehrs die Aufnahme in die Arten der Zustellung (§ 83 StPO) ausgereicht (wie es auch für die Zustellung an Opfer in Abs 5 leg. cit. ausdrücklich vorgesehen ist) und es nicht auch der ausdrücklichen Erwähnung als Art der Bekanntmachung (§ 81 Abs 1 StPO) bedurft hätte. Da § 81 Abs 1 StPO hinsichtlich der Bekanntmachung durch Telefax und im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs vom Erfordernis der Übermittlung einer „Ausfertigung“ einerseits durch die sprachliche Gestaltung der Bestimmung und andererseits durch den Verweis auf § 89a GOG abrückt, ist den Formerfordernissen sämtlicher Bekanntmachungen lediglich der Zweck gemein, dem Empfänger die gerichtliche Herkunft der Erledigung erkennbar zu machen.
Dieser Regelungszweck ist im Zusammenhang mit dem Verweis des § 81 Abs 1 StPO auf § 79 GOG zu beachten, zumal dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, dass er - offenkundig aus Effizienz- und Beschleunigungserwägungen - die Anforderungen an mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellte Ausfertigungen herabsetzen (§ 79 Abs 1 letzter Satz GOG) und gleichzeitig die Formerfordernisse für die Vervielfältigung von ursprünglich auf solche Weise erstellte Ausfertigungen verschärfen wollte. Wird eine mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellte, mit der Stampiglie der Gerichtskanzlei und der Unterschrift ihres Leiters versehene gerichtliche Erledigung durch ein Kopierverfahren vervielfältigt, so trägt die Kopie den gesetzlichen Anforderungen an die Form einer Ausfertigung hinreichend Rechnung, weil sie für den Empfänger nicht bloß die gerichtliche Herkunft erkennbar macht, sondern auch die wesentliche Merkmale einer gerichtlichen Ausfertigung (Unterfertigungsstampiglie des Richters und Unterschrift des Leiters der Geschäftsabteilung - vgl § 149 Abs 1 lit b Geo.) aufweist (so auch OGH 19.September 2001, 3 Ob 147/01s mit dem Hinweis auf § 149 Abs 2 zweiter Satz Geo, der eine Unterfertigung der Ausfertigung vor der Vervielfältigung vorsieht). Die ordnungsgemäße Zustellung einer derartigen Ausfertigung (= Kopie) löst daher die Beschwerdefrist nach § 88 Abs 2 StPO aus.
Da es sich bei § 82 Abs 3 zweiter Satz StPO, wonach die Kriminalpolizei nur dann um eine Zustellung zu ersuchen ist, wenn dies im Interesse der Strafrechtspflege unbedingt erforderlich ist, lediglich um eine in erster Linie das Verhältnis zwischen Gerichten, Staatsanwaltschaften und Kriminalpolizei betreffende Ordnungsvorschrift handelt (wenn auch eine – fallbezogen nicht indizierte - Verletzung der Rechte des Empfängers im Zusammenhang mit einer unnötiges Aufsehen verursachenden Zustellung durch die Kriminalpolizei im Sinne der §§ 5 Abs 2 zweiter Satz, 106 StPO denkbar ist), die auch im Fall des Nichtvorliegens derartiger in der Strafrechtspflege liegender Interessen die Wirksamkeit der Zustellung an den Empfänger nicht hindert, können diesbezüglich weitere Erwägungen auf sich beruhen.
Unbeschadet des Verstoßes gegen § 83 Abs 3 StPO (Zustellung der gerichtlichen Entscheidung zu eigenen Handen) ist die Zustellung der Ausfertigung durch den faktischen Zugang an die Beschwerdeführer als bewirkt anzusehen (§ 7 ZustellG). Da die den Beschwerdeführern mit dem der Zustellung nachfolgenden Tag beginnende, 14 Tage dauernde Frist zur Einbringung des Rechtsmittels (§ 84 Abs 1 Z 3 StPO) am 19., 22. bzw 23.August 2011 abgelaufen ist, sind die am 15., 16. bzw. 19.September 2011 zur Post gegebenen Beschwerden sämtlicher Fachverbände nach § 89 Abs 2 erster Fall StPO als unzulässig zurückzuweisen.
Oberlandesgericht Graz, Abteilung 10