9ObA99/22g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI R* H*, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S* GmbH, *, vertreten durch Dr. Wolfgang Kinner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über den Antrag des Klägers „auf Einsicht zum Verfahren 9 ObA 99/22g“, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Antrag wird mit der Einschränkung stattgegeben, dass sämtliche Beratungsprotokolle und Abstimmungsvermerke, Aufzeichnungen des Berichterstatters, Entscheidungsentwürfe und Anmerkungen, die auf die innere Willensbildung sowie die Person des Berichterstatters Rückschlüsse zulassen, von der Akteneinsicht ausgenommen sind.
Text
Begründung:
[1] Der Oberste Gerichtshof hat in der gegenständlichen Arbeitsrechtssache mit Urteil vom 28. September 2022 zu AZ 9 ObA 99/22g der Revision der beklagten Partei nicht Folge gegeben.
[2] Nach Ausfertigung der Entscheidung wurden die (nicht digital geführten) Akten der Vorinstanzen an diese zurückgestellt.
[3] Am 12. Dezember 2023 beantragte der Kläger mit einer an den Obersten Gerichtshof gerichteten, von ihm selbst verfassten Eingabe „Einsicht zum Verfahren 9 ObA 99/22g“. Dieser Antrag ist inhaltlich als Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht in den Akt 9 ObA 99/22g des Obersten Gerichtshofs zu verstehen.
[4] Nach § 5 Abs 1 Satz 3 OGHG hat über das Recht auf Akteneinsicht der/die Senatsvorsitzende allein zu entscheiden.
[5]
Rechtliche Beurteilung
Dem Antrag kommt (mit den sich aus § 219 Abs 1 ZPO ergebenden Einschränkungen) Berechtigung zu.
[6] 1. Die ursprüngliche, auf § 20 OGHG gestützte Rechtsprechung, wonach eine Einsicht in die Akten des Obersten Gerichtshofs ausdrücklich (und grundsätzlich) ausgeschlossen sei, wurde in weiterer Folge nicht aufrecht erhalten (RS0071142 [T1]). Vielmehr sind nach der nunmehrigen Rechtsprechung die Bestimmungen über die Akteneinsicht auch auf Ob Akten anzuwenden (6 Ob 153/15s vom 4. 1. 2016; 6 Ob 83/21f Rn 7; vgl auch Rassi in Fasching/Konecny II/3 3 [2015]; § 219 ZPO Rz 19).
[7] 2.1 Nach § 219 Abs 1 ZPO können die Parteien in sämtliche ihre Rechtssache betreffenden, bei Gericht befindlichen Akten Einsicht nehmen und sich davon auf ihre Kosten Abschriften (Kopien) und Auszüge (Ausdrucke) erteilen lassen. Von der Akteneinsicht im Sinn der genannten Bestimmung sind aber Entwürfe zu Urteilen und Beschlüssen, Protokolle über Beratungen und Abstimmungen des Gerichts ausgenommen.
[8] 2.2 Die Gewährung der Akteneinsicht hat sich nach § 170 Abs 2 GeO zu richten, wonach Beratungsprotokolle und andere Schriftstücke, die ua zufolge § 219 Abs 1 ZPO von der Einsicht ausgeschlossen sind, vorher dem Akt zu entnehmen sind.
[9] 3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind somit sämtliche Beratungsprotokolle und Abstimmungsvermerke, Aufzeichnungen des Berichterstatters, Entscheidungsentwürfe und Anmerkungen, die auf die innere Willensbildung sowie die Person des Berichterstatters Rückschlüsse zulassen, weiters Stellungnahmen und Äußerungen von Senatsmitgliedern sowie das Original der Entscheidungsbegründung von der Akteneinsicht ausgenommen (RS0071142 [T1]; 6 Ob 153/15s vom 4. 1. 2016). Diese Verbote richten sich auch gegen die Parteien des Verfahrens selbst ( Gitschthaler in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 219 Rz 5).
[10] 4. Dem Akteneinsichtsbegehren war daher nur mit diesen Einschränkungen stattzugeben. Wie bereits mehrfach festgehalten wurde, verbleibt in tatsächlicher Hinsicht im Ergebnis somit lediglich ein „inhaltsleerer“ Rechtsmittelakt (6 Ob 551/90 [zu einem Ob Akt]), weil der Akteneinsichtnehmende nur jene Entscheidung zur Einsicht bekommt, deren Ausfertigung den Parteien ohnedies zugestellt wurde (6 Ob 83/21f Rn 3).