8Ob92/25z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Mag. Malesich als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. G*, und 2. M* Gesellschaft m.b.H., *, beide vertreten durch Dr. Robert Steiner, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei F* GmbH, *, vertreten durch Mag. Alexander Jelly, Rechtsanwalt in Villach, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 20. März 2025, GZ 2 R 32/25w 29.3, womit das Urteil des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 27. Dezember 2024, GZ 3 C 816/23d 25, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen .
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 1.100,52 EUR (darin 183,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil seine Entscheidung von 4 Ob 527/93 abweichen könnte.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die Revision der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
[3] 1.1. Für den Inhalt einer ungemessenen Dienstbarkeit kommt es auf die jeweiligen Bedürfnisse des herrschenden Gutes im Rahmen der ursprünglichen oder der vorhersehbaren Bewirtschaftungsart an ( RS0097856 ; RS0016364 ; RS0016368 [T6, T7, T11, T20]). Der Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und jenen des Belasteten einer Dienstbarkeit erfordert gemäß § 484 ABGB eine Interessenabwägung, in die auch wirtschaftliche Vorteile und Nachteile einzubeziehen sind ( RS0011733 [T16]).
[4] Eine unzulässige Erweiterung einer Wegeservitut liegt vor, wenn der Weg zu anderen Zwecken als ursprünglich vereinbart benutzt wird oder wenn sich die Belastung des dienenden Grundstücks erheblich erhöht ( RS0011691 [T20] = RS0011725 [T31]).
[5] 1.2. Die Fragen des Ausmaßes beziehungsweise Umfangs einer Dienstbarkeit, der Grenzen ihrer zulässigen Erweiterung und der gemäß § 484 ABGB vorzunehmenden Interessenabwägung sind grundsätzlich stets einzelfallbezogen und daher im Allgemeinen nicht erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ( RS0011691 [T11, T15, T19]; RS0011733 [T11]; vgl auch RS0116522 [T1]).
[6] 2.1. Wie die Revision wohl selbst erkennt, ist die Sachlage der in der Zulassungsbegründung angeführten Entscheidung 4 Ob 527/93 mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar: Während dort ausdrücklich ein „uneingeschränktes“ Geh und Fahrrecht vereinbart worden war, wurde im vorliegenden Fall der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Eigentümerin des damals (1966) noch unbebauten herrschenden Wiesengrundstücks das Recht eingeräumt, vom öffentlichen Weg über die dienenden Grundstücke der Rechtsvorgänger der Klägerinnen und zurück „zu gehen und mit Fahrzeugen aller Art zu fahren“.
[7] Aus ersterer Entscheidung ist daher für die Auslegung des vorliegenden, gerade keine „uneingeschränkte“ Dienstbarkeit vorsehenden Vertrags nichts zu gewinnen; die Zulassungsfrage stellt sich nicht.
[8] 3. Als weitere erhebliche Rechtsfrage releviert die Revision den Umstand, dass nach den Feststellungen auf dem herrschenden Grundstück bereits 1970 bis ca 1985 eine Frühstückspension mit fünf Zimmern betrieben wurde. Weiters dass auf anderen, Dritten gehörenden und ebenfalls von inhaltsgleichen Servituten begünstigten Grundstücken, welche nur durch den befestigten, aber nicht asphaltierten W eg über die Grundstücke der Klägerinnen erschlossen werden, Fe rienhäuser errichtet und in einem Fall auch gewerberechtlich als Fremdenpension Zimmer vermietet wurden.
[9] Auch daraus ergibt sich jedoch keine erhebliche Rechtsfrage:
[10] 3.1. Es war nicht feststellbar, ob die Rechtsvorgänger der Klägerinnen von der Vermietung durch die Rechtsvorgänger der Beklagten oder der weiteren gewerblichen Fremdenpension wussten, oder ob im Zeitpunkt der Einräumung der Servitut eine solche Nutzung oder gar eine Nutzung vorhergesehen wurde, wie sie nunmehr die Beklagte (die das herrschende Grundstück 2022 erwarb) mit der Errichtung einer Appartement und/oder Wohnungseigentumsanlage mit 14 Wohneinheiten und 25 PKW Abstellplätzen plant.
[11] 3.2. Die Vorinstanzen vertraten daher die Auffassung, dass dieses Vorhaben den durch die ursprüngliche ebenso wie die vorhersehbare Bewirtschaftungsart vorgegebenen Rahmen sprengen würde und dessen zu erwartenden Folgen für die Inanspruchnahme des Servitutswegs (nämlich insbesondere eine Verkehrszunahme um 57 %, eine Verschlechterung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs durch das erhöhte Verkehrsaufkommen sowie eine Zunahme von Verkehrsbehinderungen auf dem steilen Weg insbesondere bei winterlichen Verhältnissen und eine Anpassung der Beschaffenheit der Dienstbarkeitstrasse – Verbreiterung, Befestigung, organisierte permanente Schneeräumung und Streuung – an das erhöhte Verkehrsaufkommen) von den Klägerinnen nicht hingenommen werden müssen; sie gaben daher ihrem Begehren auf Feststellung statt, dass die Dienstbarkeit nicht die von der Beklagten geplante und eingereichte Erschließung umfasst sowie dass eine Wegnutzung zu diesen Zwecken daher unzulässig ist.
[12] Dies hält sich im Rahmen der eingangs dargelegten Rechtslage und des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums.
[13] 3.3. Woraus konkret entgegen der Ansicht der Vorinstanzen die mit dem nunmehrigen Projekt verbundene Nutzung vorhersehbar gewesen sein sollte, legt die Revision nicht konkret dar.
[14] Dass eine Änderung der Beschaffenheit des Servitutsweges (etwa dessen Breite und/oder Befestigung), um die Benützung des herrschenden Grundstücks zu ermöglichen oder zu erleichtern, auch dann eine nicht zu duldende Mehrbelastung sein kann, wenn dies die Ausübung der Servitut erleichtern würde, entspricht der ständigen Rechtsprechung (vgl RS0016367 ); aus dem Umstand, dass dies in anders gelagerten Einzelfällen auch anders beurteilt werden kann, ist für die Revision, die damit keine unvertretbare Fehlbeurteilung der Vorinstanzen aufzeigt, nichts zu gewinnen.
[15] In der Revision angesprochene sekundäre Feststellungsmängel liegen nicht vor. Das Erstgericht hat hinsichtlich der Nutzungsintensität ohnehin einen Vergleich zwischen der drohenden und der bisherigen Nutzung von 1966 bis zum Schluss der Verhandlung gezogen. Dass die Änderung der Bewirtschaftungsart durch die Neuerrichtung einer Appartement /Wohnungseigentumsanlage in der von der Beklagten geplanten Dimension auch anstelle einer Frühstückspension mit fünf Zimmern, und zusätzlich zu bestehenden Ferienhäusern, mögen diese auch fallweise vermietet worden sein, zu einer Mehrbelastung des Dienstbarkeitsweges führt, ist jedenfalls vertretbar (vgl etwa RS0011718 [insb T3, T4, T10, T11]).
[16] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerinnen haben auf die Unzulässigkeit der Revision konkret hingewiesen.