JudikaturOGH

8ObA18/25t – OGH Entscheidung

Entscheidung
Arbeitsrecht
12. August 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Mag. Malesich als Vorsitzende und die Hofräte MMag. Matzka und Dr. Stefula und die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Susanne Haslinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei N* S*, vertreten durch die Brandstätter Scherbaum Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, 1082 Wien, Rathaus, vertreten durch Mag. Dieter Kieslinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Bestandes eines Dienstverhältnisses, in eventu Kündigungsanfechtung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 26. Februar 2025, GZ 8 Ra 107/24z 80, womit das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom 4. September 2024, GZ 34 Cga 107/20h 74, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. D ie Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin stand seit 1. 6. 1993 in einem Dienstverhältnis zur Beklagten, auf das die Wiener Vertragsbedienstetenordnung 1995 (Wr VBO 1995) anzuwenden ist. Sie wurde für den Verwendungsbereich diplomierte medizinische-technische Fachkraft angestellt. Seit 15. 5. 2019 war sie Ersatzmitglied des Dienststellenausschusses der Hauptgruppe *.

[2] Aufgrund einer Autoimmunerkrankung zählt die Klägerin seit dem Jahre 2000 zum Kreis der begünstigten Behinderten mit einem Behinderungsgrad von derzeit 80 % .

[3] Mit Schreiben vom 20. 7. 2020 kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis der Klägerin gemäß § 42 Abs 2 Z 1, 2, und 5 Wr VBO 1995 zum 31. 12. 2020.

[4] Im Zeitraum von 2015 bis 2020 wies die Klägerin folgende Abwesenheiten vom Dienst aufgrund von Krankenständen auf: 2015: 113 Tage (und 22 Tage Kuraufenthalt); 2016: 130 Tage; 2017: 52 Tage; 2018: 297 Tage; 2019: 277 Tage; 2020: 78 Tage.

[5] Die bei der Klägerin vorliegende internistische Erkrankung bedingt Krankenstände von drei Wochen pro Jahr. Zum Kündigungszeitpunkt 2020 sind aus orthopädischer Sicht Krankenstände von zumindest weiteren sechs Wochen pro Jahr zu erwarten. Gesamt sind daher Krankenstände von mindestens neun Wochen im Jahr prognostizierbar.

[6] Die beabsichtigte Kündigung war dem Zentralausschuss der Personalvertretung der Bediensteten der Gemeinde Wien schriftlich bekannt gegeben worden; dieser hatte mit Beschluss vom 18. 6. 2020 der beabsichtigten Kündigung zugestimmt.

[7] Die Klägerin begehrt die Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses, eventualiter ficht sie die Kündigung an. Die Kündigung sei rechtsunwirksam, weil entgegen § 37 Abs 3 Wiener Personalvertretungsgesetz ( Wr PVG) keine Verständigung der Klägerin durch den Zentralausschuss, dass dieser der Kündigung zugestimmt hätte, erfolgt sei. Außerdem hätte die Beklagte die Kündigung erst nach – hier nicht eingeholter – Zustimmung des Behindertenausschusses gemäß § 8 Abs 2 BEinstG aussprechen dürfen. Auch inhaltlich bestritt die Klägerin die von der Beklagten herangezogenen Kündigungsgründe. Zu ihren Krankenständen brachte sie zusammengefasst vor, dass diese auf gegen sie gerichtete Mobbinghandlungen bzw auf Arbeitsunfälle zurückzuführen seien und keine Folgeerkrankungen zu erwarten stünden. Der Amtsarzt der Beklagten habe ihr die körperliche Fähigkeit zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten positiv attestiert. Eine ungünstige Zukunftsprognose sei zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs nicht vorgelegen. Außerdem hätte die Beklagte für Diensterleichterungen der Klägerin sorgen können.

[8] Die Beklagte bestritt. Eine Verständigung der Klägerin durch den Zentralausschuss iSd § 37 Abs 3 Wr PVG sei erfolgt. § 8 Abs 2 BEinstG komme gemäß § 8 Abs 6 lit a BEinstG nicht zur Anwendung, vielmehr sei nur nach § 37 Abs 3 Wr PVG vorzugehen gewesen. Die Kündigung sei wegen überhöhter Krankenstände berechtigt.

[9] Das Erstgericht wies die Klage ab. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf es detaillierte Feststellungen (insbesondere zum Gesundheitszustand der Klägerin aus neurologischer, psychopathologischer und orthopädischer Sicht), aus denen sich zusammengefasst ergibt:

[10] Der Klägerin war zum Kündigungszeitpunkt eine tägliche Arbeitszeit im Ausmaß einer Vollzeitbeschäftigung mit höchstens leichter körperlicher Belastung unter Einhaltung der üblichen Arbeitspausen zumutbar. Für eine Verschlechterung des Gesundheitszustands liegen keine Anhaltspunkte vor, eine solche ist aber aufgrund der langen orthopädischen Anamnese nicht auszuschließen.

[11] Nach eigenen Angaben ist die Klägerin seit Mai 2023 nunmehr wieder als Röntgenassistentin für 40 Stunden beschäftigt. Das physische Berufsanforderungs- bzw Minimalleistungsprofil für den Beruf diplomierte medizinische technische Fachkraft ist mit ihrem physischen Leistungskalkül vereinbar.

[12] Ab 22. 5. 2020 wurde die Klägerin vorerst befristet für die Dauer von drei Monaten der Direktion der Teilunternehmung */Abteilung Competence Center für Arbeitssicherheit und Gesundheitserhaltung (CCAG) dienstzugeteilt. Ihre Verständigung darüber erging am 26. 5. 2020. Am 2. 6. 2020 informierte die Klägerin die Beklagte, dass sie den Dienst im CCAG nicht antreten werde. Zeitgleich thematisierte sie in dieser E-Mail, die von ihr an sechs weitere Mailadressen gesandt wurde, den eingeschränkten Gesundheitszustand einer Arbeitskollegin. „Der Inhalt dieser Nachricht dürfte die Verantwortlichen der Beklagten veranlasst haben, die Kündigung der Klägerin in die Wege zu leiten.“ Die beabsichtigte Kündigung wurde dem Zentralausschuss der Personalvertretung der Bediensteten der Gemeinde Wien schriftlich bekannt gegeben. Dieser stimmte mit Beschluss vom 18. 6. 2020 der beabsichtigten Kündigung zu. Mit eingeschriebenem Brief verständigte der Zentralausschuss die Klägerin von der Zustimmung zur Kündigung.

[13] Am 16. 6. 2020 meldete die Klägerin beim Postamt eine Ortsabwesenheit für den Zeitraum 17. 6. 2020 bis 3. 7. 2020, obwohl tatsächlich keine Reise anstand bzw die Reisepläne sich zu diesem Zeitpunkt wieder zerschlagen hatten. Tatsächlich hielt sich die Klägerin auch in diesem Zeitraum an ihrer Wohnadresse auf. Maximal stundenweise Abwesenheiten vom Wohnort sind möglich; die Klägerin kehrte jedoch jeden Tag wieder an die Abgabestelle zurück.

[14] Aufgrund einer Fehlleistung der Postmitarbeiter nahmen diese einen Zustellversuch des Briefes des Zentralausschusses an der Wohnadresse der Klägerin vor und hinterließen, als niemand das Schreiben in Empfang genommen hatte, die gelbe Hinterlegungsanzeige im Postfach der Klägerin.

[15] Am 2. 7. 2020 unterrichtete die Klägerin die Personalstelle * per Mail von der Erkrankung der Tochter und der daraus folgenden Pflegefreistellung. In der Antwort-E-Mail wurde der Pflegeurlaub bestätigt und die Klägerin von der Einleitung des Kündigungsverfahrens und der Hinterlegung eines Schreibens des Zentralausschusses am 23. 6. 2020 in Kenntnis gesetzt. Die Klägerin hat diese E Mail-Nachricht erhalten.

[16] Die Klägerin ging mehrfach erhaltenen Informationen über die Hinterlegung eines Schreibens des Zentralausschusses nicht nach und unternahm keinen Versuch zur Behebung des hinterlegten Schreibens beim Postamt innerhalb der zwei- bis dreiwöchigen Hinterlegungsfrist. Das Schreiben wurde letztendlich als „nicht behoben“ an den Absender retourniert.

[17] Bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung brachte die Klägerin keine Beschwerde bei der gemeinderätlichen Personalkommission gegen die Zustimmung des Zentralausschusses zu ihrer Kündigung ein.

[18] Die Kündigung wurde dem Rechtsvertreter der Klägerin am 23. 7. 2020 zugestellt.

[19] Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, dass wegen der Stellung der Klägerin als Personalvertreterin der Behindertenausschuss vor ihrer beabsichtigten Kündigung nicht zu verständigen war. Anstelle dessen sei der Zentralausschuss der Personalvertretung der Bediensteten der Gemeinde Wien in Kenntnis zu setzen gewesen. Die Verständigung und Zustimmung des Zentralausschusses seien einwandfrei dokumentiert, sodass die formalen Einwände der Klägerin ins Leere gingen. Diese habe auch vor dem Kündigungsausspruch von der Zustimmung des Zentralausschusses Kenntnis erlangt; ein Zustellmangel liege nicht vor. Dass sie gemäß § 37 Abs 3 Wr PVG gegen die beabsichtigte Kündigung bei der gemeinderätlichen Personalkommission Beschwerde erhoben hätte bzw dies zu tun beabsichtige, habe die Klägerin nicht einmal behauptet. Eine Anrufung der Kommission in Verbindung mit einem allfälligen Wiedereinsetzungsantrag oder Antrag auf neuerliche Zustellung des Schreibens des Zentralausschusses wäre ihr offen gestanden. Trotz anwaltlicher Vertretung (zumindest ab 8. 7. 2020) sei der entsprechende Schritt nicht gesetzt worden, sodass die Kündigung vom 20. 7. 2020 rechtswirksam sei.

[20] Auch inhaltlich erweise sich die Kündigung als gerechtfertigt. Das Beweisverfahren habe eine ungünstige Krankenstandsprognose der Klägerin ergeben. Die zu prognostizierenden Krankenstände im Ausmaß von neun Wochen pro Jahr überschritten die für einen Arbeitgeber tolerable Grenze von sieben Wochen, weshalb die Beklagte berechtigt gewesen sei, das Dienstverhältnis mit der Klägerin zu lösen.

[21] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Die Klägerin sei wirksam gemäß § 37 Abs 3 Wr PVG durch den Zentralausschuss von der Zustimmung zur Kündigung verständigt worden . Aufgrund von § 8 Abs 6 lit a BEinstG sei keine Zustimmung des Behindertenausschusses zur Kündigung erforderlich gewesen. Weil z um Kündigungszeitpunkt wegen des bestehenden Gesundheitszustands der Klägerin Krankenstände von insgesamt neun Wochen jährlich zu prognostizieren gewesen seien, sei die Klägerin iSd § 42 Abs 2 Z 2 Wr VBO 1995 objektiv dienstunfähig gewesen. Die Frage, ob die Beklagte verpflichtet gewesen sei, der Klägerin eine leichtere Arbeit zuzuweisen, stelle sich nicht, weil deren Dienstunfähigkeit nicht daraus resultiere, dass sie die ihr zugeteilten Arbeiten wegen ihrer gesundheitlichen Einschränkungen grundsätzlich nicht mehr verrichten könnte, sondern aus ihrer Krankenstandsprognose.

[22] Laufe eine undifferenzierte Berechnung krankheitsbedingter Fehlzeiten eines Arbeitnehmers darauf hinaus, dass Fehlzeiten wegen mit einer Behinderung im Zusammenhang stehenden Krankheiten Zeiten allgemeiner „schlichter“ Krankheiten gleichgesetzt werden, so könne dies eine mittelbare Diskriminierung eines Arbeitnehmers bewirken. Nach § 4a Abs 2a Wr VBO 1995 liege eine mittelbare Diskriminierung dann nicht vor, wenn die mittelbar benachteiligende Regelung, das Beurteilungskriterium oder die Maßnahme durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Die Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben für die von Diskriminierung in der Arbeitswelt betroffenen Personenkreise sei hinsichtlich des nach der RL 2000/78/EG geschützten Merkmals der Behinderung einer Person insbesondere im BEinstG erfolgt. In den Fällen des § 8 Abs 6 lit a BEinstG sorgten die für Personalvertreter geltenden Bestimmungen für einen dem BEinstG gleichwertigen Schutz. Der Gesetzgeber habe damit ein rechtliches Instrumentarium geschaffen, das eine angemessene Berücksichtigung der Interessen des behinderten Dienstnehmers auch im Fall der Kündigung wegen behinderungsbedingter Krankenstände gewährleiste. Eine zusätzliche Berücksichtigung der Interessen des Behinderten durch eine Neutralisierung von behinderungsbedingt zu erwartenden Krankenständen im Rahmen der Prüfung, ob Dienstunfähigkeit iSd § 42 Abs 2 Z 2 Wr VBO 1995 vorliegt, sei vor diesem Hintergrund grundsätzlich nicht geboten.

[23] Gegen das Berufungsurteil richtet sich die aus dem Rechtsmittelgrund nach § 503 Z 4 ZPO erhobene Revision der Klägerin mit einem auf Klagestattgebung gerichteten Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

[24] Die Beklagte beantragt in ihrer vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung , die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, dieser nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[25] Die Revision ist zur Wahrnehmung der Rechtsicherheit zulässig und im Sinne des Eventualantrags auf Urteilsaufhebung auch berechtigt.

[26] 1. Voranzustellen ist, dass sich das Verfahren bisher nur auf den Kündigungsgrund der mangelnden gesundheitlichen Eignung (§ 42 Abs 2 Z 2 Wr VBO 1995) bezog. Sollte sich dieser als nicht berechtigt erweisen, wäre noch auf die beiden anderen relevierten Kündigungsgründe einzugehen.

[27] 2. Nach dem festgestellten Sachverhalt befand sich die Klägerin in den Jahren vor ihrer Kündigung stets in einem (zum Teil) weit über sieben Wochen liegenden Ausmaß im Krankenstand. Z udem ist auch zukünftig mit jährlichen Krankenständen der Klägerin von zumindest neun Wochen zu rechnen. D as von der Klägerin zum Beweis ihrer Diensttauglichkeit (auch) in der Revision ins Treffen geführte amtsärztliche Gutachten vom 25. 2. 2020 hat lediglich als Beweismittel Relevanz, sein Inhalt ist für sich genommen somit rechtlich unerheblich. Ein sekundärer Feststellungsmangel liegt insofern nicht vor. Weil der Oberste Gerichtshof keine Tatsacheninstanz ist, ist von ihm nicht zu erörtern, ob das amtsärztliche Gutachten gegen die genannten Feststellungen spricht.

[28] 3. Dass die Wirksamkeit ihrer Kündigung aufgrund von § 8 Abs 6 lit a BEinstG nicht der Zustimmung des Behindertenausschusses nach § 8 Abs 2 BEinstG bedurfte, gesteht die Klägerin nunmehr in der Revision selbst zu.

[29] 4. Nach § 37 Abs 2 Satz 1 HalbS 1 Wr PVG ist vor der Kündigung einer Personalvertreterin, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis steht, die Zustimmung des Zentralausschusses einzuholen; dasselbe gilt nach HalbS 2 leg cit für die Kündigung einer Personalvertreterin, die in einem durch Vertrag begründeten Dienstverhältnis steht, es sei denn, dass auf sie ein bestimmter – hier von der Beklagten aber nicht angezogener – Kündigungsgrund zutrifft. Hat der Zentralausschuss die Zustimmung gemäß § 37 Abs 2 Wr PVG erteilt, so hat er die betroffene Personalvertreterin nach Abs 3 Satz 1 leg cit unverzüglich zu verständigen.

[30] Die Klägerin bestreitet in ihrer Revision, wirksam über die Zustimmung des Zentralausschusses verständigt worden zu sein mit der Begründung, aufgrund ihrer Ortsabwesenheitsmeldung habe ihr das Schreiben auch nicht durch Hinterlegung an ihrer Wohnadresse zugestellt werden können.

[31] Nach den Feststellungen war die Klägerin aber nicht (dauernd) ortsabwesend. Die Nichtberücksichtigung einer Abwesenheitsmeldung nimmt einer dennoch erfolgten Zustellung an den (nicht dauernd abwesenden) Empfänger nicht die Rechtswirksamkeit (2 Ob 116/09m = RS0125574; Stumvoll in Fasching/Konecny , Zivilprozessgesetze 3 II/2 [2016] § 4 ZustG Rz 1 [in FN 4]). Die Zustimmung des Zentralausschusses wurde der Klägerin demnach durch Hinterlegung wirksam zugestellt. Ob auch die der Klägerin zugegangenen mündlichen Informationen über die Zustimmung des Zentralausschusses eine Verständigung iSd § 37 Abs 3 Satz 1 Wr PVG darstellen, kann demnach offenbleiben.

[32] 5. Ansonsten wird in der Revision die Gültigkeit der von § 37 Abs 2 Wr PVG geforderten und hier vorliegenden Zustimmung des Zentralausschusses nicht in Abrede gestellt. Die Klägerin räumt auch ein, die Möglichkeit gehabt zu haben, gegen die Zustimmung des Zentralausschusses eine Beschwerde an die gemeinderätliche Personalkommission zu erheben. Schon mangels einer solchen Beschwerde ihrerseits ist auf ihre Beanstandung, der Rechtsschutz gegen Entscheidungen des Zentralausschusses sei unzureichend, nicht einzugehen. Im Übrigen zielt die diesbezügliche Argumentation der Klägerin nicht darauf ab, dass für die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung nicht die erforderliche Zustimmung des Zentralausschusses fehle, sondern darauf, dass ihre behinderungsbedingten Krankenstände nicht – zumindest nicht ohne Weiteres – berücksichtigt werden hätten dürfen. Mit Letzterem befindet sich die Klägerin aber im Recht:

[33] 6. Nach § 42 Abs 2 Z 2 Wr VBO 1995 ist die Beklagte zur Kündigung eines Bediensteten berechtigt, wenn dieser für die Erfüllung seiner Dienstpflichten gesundheitlich ungeeignet ist.

[34] 6.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist dieser Kündigungsgrund auch dann verwirklicht, wenn der Dienstnehmer zwar grundsätzlich für seine Arbeit körperlich geeignet ist, aber Krankenstände auftreten, die den Bediensteten laufend in einem weit über dem Durchschnitt liegenden Maß an der Dienstleistung hindern. Die Erfüllung der Dienstpflichten umfasst nämlich nicht nur die Arbeitsleistung an sich, sondern auch deren Verfügbarkeit für den Dienstgeber (9 ObA 53/20i [Pkt 1] mwN).

[35] 6.2. Eine starre Grenze für überhöhte Krankenstände in Bezug auf deren Häufigkeit und Dauer besteht zwar nicht. Bei der Annahme überdurchschnittlicher Krankenstände orientiert sich die Rechtsprechung aber an Krankenständen, die jährlich sieben Wochen und darüber ausmachen. Beim Erfordernis des „längeren Zeitraums“ wird von der Rechtsprechung darauf abgestellt, dass sich die über dem Durchschnitt liegenden Krankenstände über mehrere Jahre erstreckten (8 ObA 68/18k [Pkt 3] mwN). Dennoch kommt es nicht allein auf die Dauer und Häufigkeit der in der Vergangenheit aufgetretenen Krankenstände an (RS0081880 [T13]). Entscheidend ist vielmehr, ob daraus abgeleitet werden kann, dass der Dienstnehmer für die Erfüllung der Dienstpflichten gesundheitlich in Zukunft nicht geeignet ist (RS0081880 [T12, T16]; 8 ObA 39/23b [Rz 3]).

[36] 6.3. Treten Krankenstände auf, die den Arbeitnehmer laufend in einem weit über dem Durchschnitt liegenden Maß an der Dienstleistung hindern, und ist indiziert, dass dies auch in der Zukunft der Fall sein wird, so ist er somit zur Erfüllung seiner Dienstpflichten iSd § 42 Abs 2 Z 2 Wr VBO 1995 ungeeignet. Auf welche Gründe diese – berechtigten – Krankenstände zurückzuführen sind bzw sein werden, ist an sich (siehe aber sogleich Pkt 6.4.) nicht erheblich (RS0081880).

[37] Die unter Pkt 2. genannten Feststellungen würden damit grundsätzlich die Kündigung der Klägerin rechtfertigen.

[38] 6.4. Der EuGH hat aber bereits mehrfach ausgesprochen, dass es zu einer mittelbaren Ungleichbehandlung wegen der Behinderung iSv Art 2 Abs 2 Buchst b der Richtlinie 2000/78/EG (Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie) führen kann, wenn eine nationale Regelung ohne Unterscheidung an eine bestimmte Krankenstandsdauer eine ungünstige Rechtsfolge – etwa eine verkürzte Kündigungsfrist oder die Möglichkeit zu einer Kündigung – anknüpft, weil im Vergleich zu einem Arbeitnehmer ohne Behinderung ein Arbeitnehmer mit Behinderung ein zusätzliches Risiko trägt, wegen einer mit seiner Behinderung zusammenhängenden Krankheit abwesend zu sein (EuGH C 335/11 und C 337/11, Rs HK Danmark , Rz 76; C 270/16, Rs Ruiz Conejero , Rz 39; C 397/18, Rs Nobel Plastiques Ibérica SA , Rz 59). Auf eine solche Regelung läuft die der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zugrundeliegende Annahme hinaus, ein mehr als siebenwöchiger Krankenstand sei überdurchschnittlich und berechtige grundsätzlich zur Auflösung des Dienstverhältnisses wegen Dienstunfähigkeit (vgl Hießl , Anmerkung zu EuGH C 335/11 und C 337/11 in ZESAR 2013, 415 [427]).

[39] 6.5. Angesichts dieser Judikatur des EuGH hat der Oberste Gerichtshof bereits (auch – vgl RS0129453 ) im Fall einer auf § 42 Abs 2 Z 2 Wr VBO 1995 gestützten Kündigung festgehalten, dass dann, wenn eine undifferenzierte Berechnung krankheitsbedingter Fehlzeiten eines Arbeitnehmers darauf hinausläuft, dass Fehlzeiten wegen mit einer Behinderung im Zusammenhang stehenden Krankheiten Fehlzeiten wegen „schlichter“ Erkrankungen gleichgesetzt werden, eine mittelbare Diskriminierung eines behinderten Arbeitnehmers vorliegen kann ( 9 ObA 165/13z [Pkt 3.1.]; vgl auch Schrattbauer , Anmerkung zu 9 ObA 45/21i in DRdA- infas 2022, 89 [92]). Dem entspricht die Judikatur des VwGH, wonach das reine Abstellen auf eine zu hohe Zahl von Krankenstandstagen eine Diskriminierung eines Behinderten darstellen kann, wenn die hohe Zahl der Krankenstände „zumindest teilweise eine Folge der Behinderung [ist]“ ( VwGH 2013/12/0154 ).

[40] 6.6. Es ist somit zwischen behinderungsbedingten und „schlichten“ Krankenständen zu differenzieren (vgl 9 ObA 45/21i [Rz 26] ). Stellt ein Gericht lediglich – wie hier – undifferenziert fest, mit welcher Gesamtzahl von Krankenstandstagen (oder -wochen) zu rechnen ist, lässt es aber offen, ob (und inwieweit) die Krankenstände auf eine Behinderung zurückzuführen sind, so leidet seine Entscheidung an einem Feststellungsmangel ( 9 Ob A 24/24f [Rz 21]).

[41] 6.6.1. Liegt auch unter Herausrechnung des behinderungsbedingten Krankenstands ein überdurchschnittlicher Krankenstand vor, so wäre die Kündigung mangels gesundheitlicher Eignung des Arbeitnehmers (hier: nach § 42 Abs 2 Z 2 Wr VBO 1995) ohne Weiteres gerechtfertigt.

[42] 6.6.2. Wird hingegen nur unter Mitberücksichtigung jener Krankenstandstage, die (auch) auf die Behinderung zurückgehen, die Gesamtkrankenstandsdauer von jährlich zumindest sieben Wochen erreicht, bei der nach der Rechtsprechung mangelnde gesundheitliche Eignung und damit ein Kündigungsrecht des Arbeitgebers – hier nach § 42 Abs 2 Z 2 Wr VBO 1995 – anzunehmen ist, so ist noch zu prüfen, ob der Arbeitgeber geeignete Maßnahmen zur Hintanhaltung des behinderungsbedingten Krankenstands iSd Art 5 der Richtlinie 2000/78/EG ergriffen hat (EuGH C 397/18, Rs Nobel Plastiques Ibérica SA , Rz 73). Es bedarf damit – auf das österreichische Recht bezogen – einer Beurteilung, ob die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch unter Berücksichtigung der dem Arbeitgeber nach § 6 (insb Abs 1a) BEinstG obliegenden angemessene Vorkehrungen und Förderungsmaßnahmen sachlich gerechtfertigt ist ( Bachhofer , Der lange Krankenstand als Kündigungsgrund in der Rechtsprechung, DRdA-infas 2020, 53 [56 f]; Auer-Mayer in Widy , Behinderteneinstellungsgesetz 9 [2022] § 7b Rz 28; vgl auch Kuhn , Anmerkung zu EuGH C 397/18 in EuZA 2020, 391 [401]), mit anderen Worten, ob der Arbeitgeber alle geeigneten und erforderlichen und ihm zumutbaren Fördermaßnahmen ergriffen hat, um dem Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung zu ermöglichen bzw um zukünftige Krankenstände zu verhindern ( Mair , Krankheit als Behinderung, wbl 2014, 541 [548]; Auer-Mayer , Anmerkung zu 9 ObA 165/13z in DRdA 2015, 110 [113 f]).

[43] 7. Im vorliegenden Fall geben die Feststellungen noch keine Auskunft darüber, ob die Klägerin (vom Ausspruch der Kündigung aus gesehen) in der Zukunft ( 8 ObA 39/23b [Rz 3]) aufgrund „schlichter“ Krankenstände laufend in einem weit über dem Durchschnitt liegenden Maß – somit mehr als sieben Wochen pro Jahr – an der Dienstleistung gehindert sein wird. Ergäbe sich, dass es für eine Überschreitung der Grenze von sieben Wochen auf die behinderungsbedingten Krankenstände ankommt, wäre – nach Erörterung mit den Parteien (§ 182a ZPO) – zu beurteilen, ob (und inwieweit) die Beklagte durch geeignete, ihr zumutbare Maßnahmen die behinderungsbedingten Krankenstände hintanhalten könnte.

[44] 8. Dass nach der Gesetzeslage eine Institution der Kündigung zustimmen muss(te), ändert an der Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen gewöhnlichen und behinderungsbedingten Krankenständen – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nichts, weil der beklagten Arbeitgeberin nur dann ein Kündigungsrecht zukommt, wenn der Arbeitnehmer gesundheitlich ungeeignet ist (§ 42 Abs 2 Z 2 Wr VBO 1995). Dafür sind aber zunächst nur die gewöhnlichen Krankenstandstage zu berücksichtigen und behinderungsbedingte Krankenstandstage nur dann mitzuberücksichtigen, wenn sie der Arbeitgeber nicht zumutbar verhindern könnte.

[45] Es sind damit die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben. Dem Erstgericht ist die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

[46] 9. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.

Rückverweise