8Ob102/25w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Mag. Malesich als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N*, vertreten durch Mag. Monika Roiser, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Autobahnen und Schnellstraßen Finanzierungs Aktiengesellschaft, FN 92191a, 1030 Wien, Schnirchgasse 17, vertreten durch die Freudemann Vaptsarova Rechtsanwältinnen GmbH in Wien, wegen 33.360 EUR sA und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. Jänner 2023, GZ 1 R 119/22d 54, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 23. Mai 2022, GZ 22 C 36/19h 50, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
I. Das Verfahren wird fortgesetzt.
II. D er Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.210,04 EUR (darin 368,34 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Die Beklagte hat nach § 6 ASFINAG Ermächtigungsgesetz das Recht, die nach § 1 Abs 1 BStMG (Bundesstraßen Mautgesetz) für die Benützung von Autobahnen und Schnellstraßen in Österreich zu entrichtende Maut einzuheben. Die Klägerin ist Energienetzbetreiberin und Tochtergesellschaft eines Energieversorgungsunternehmens. Bis zum Frühjahr 2017 gingen die Streitteile übereinstimmend davon aus, dass die mit Blaulicht ausgestatteten Fahrzeuge der Klägerin nach § 5 Abs 1 Z 1 BStMG von der Mautpflicht ausgenommen sind. Im Jahr 2017 änderte die Beklagte ihre Mautordnung dahin, dass die Ausnahmen von der Mautpflicht für Blaulichtfahrzeuge auf den Einsatzfall und die Rückfahrt beschränkt wurden, und stellte die Beklagte für Fahrten, bei denen das an den Fahrzeugen angebrachte Blaulicht nicht eingeschaltet war, eine Ersatzmaut von 120 EUR in Rechnung. Die Klägerin bezahlte die vorgeschriebene Ersatzmaut in 278 Fällen.
[2] Die Klägerin begehrt die Rückzahlung der bezahlten Ersatzmaut von insgesamt 33.360 EUR sA sowie die Feststellung, dass die auf sie zugelassenen Fahrzeuge, die aufgrund eines gültigen Bescheids nach § 20 Abs 5 KFG 1967 mit Blaulicht ausgestattet sind, auch dann von der Mautpflicht ausgenommen seien, wenn das Blaulicht nicht verwendet wird, sofern den im Bescheid erteilten Bedingungen und Auflagen entsprochen wird. Die Regelung in der Mautordnung der Beklagten , wonach Blaulichtfahrzeuge nur für den Einsatzfall und die Rückfahrt von der Mautpflicht ausgenommen seien, w iderspreche § 5 Abs 1 Z 1 BStMG und sei deshalb nach § 879 Abs 1 ABGB unwirksam.
[3] Die Beklagte wendet ein , dass die Änderung der Mautordnung zulässig gewesen sei. Die Klägerin habe durch die Zahlung ein konstitutives Anerkenntnis abgegeben. Außerdem sei eine entrichtete Ersatzmaut nach § 20 Abs 6 BStMG nicht rückforderbar.
[4] Das Erstgericht gab sowohl dem Zahlungs als auch dem Feststellungsbegehren statt. Die Beklagte habe in ihrer Mautordnung eine vom Wortlaut des § 5 BStMG abweichende Ausweitung der Mautpflicht vorgenommen und damit die ihr gesetzlich eingeräumten Befugnisse überschritten. Die Vorschrift des § 20 Abs 6 BStMG stehe der Rückforderung nicht entgegen. Die Beklagte habe auch keinen Grund zur Annahme gehabt, dass die Klägerin ihre Zahlungspflicht anerkennen hätte wollen.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung . Die Regelungen in der Mautordnung seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren, die – ungeachtet der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde – einer nachträglichen Prüfung durch die Gerichte unterlägen. Nach § 5 Abs 1 Z 1 BStMG seien Fahrzeuge, die über eine Bewilligung gemäß § 20 Abs 5 KFG 1967 („Blaulichtbescheid“) verfügen, unter Einhaltung der in der Bewilligung enthaltenen Auflagen und Bedingungen von der Entrichtung d er Maut befreit. Dass die Beklagte ohne ersichtliche Rechtfertigung darüber hinaus die Verwendung des Blaulichts verlange, bedeute eine gröbliche B enachteiligung der Klägerin, die nach § 879 Abs 3 ABGB zur Nichtigkeit der in der Mautordnung enthaltenen Regelung führe . Die rechtsgrundlos vereinnahmte Ersatzmaut sei nach § 877 ABGB zurückzuzahlen.
[6] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Frage der Rückforderbarkeit einer nach der Mautordnung der Beklagten bezahlten Ersatzmaut zu.
[7] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens, mit der sie die Abänderung der Entscheidung dahin anstrebt, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
[9] I. Da der Oberste Gerichtshof Bedenken gegen die Gesetzeskonformität iSd Art 139 B VG der von ihm damals noch als Verordnung qualifizierten Mautordnung der Beklagten hegte, wurde mit Beschluss vom 5. 12. 2024 zu 8 Ob 31/23a ein entsprechender Verordnungsprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof gestellt und mit der Fortführung des Revisionsverfahrens nach § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.
[10] Mit Beschluss vom 2 4. 6. 2025 zu V 3/2025 wies der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag als unzulässig zurück. Die Einhebung von Mautentgelten durch die Beklagte sei als Akt der privatrechtsförmigen Tätigkeit eines ausgegliederten Rechtsträgers anzusehen, sodass es sich bei der Mautordnung – auch wenn sie der Genehmigung des zuständigen Bundesministers im Einvernehmen mit dem Finanzminister bedürfe und Verstöße dagegen nach § 20 Abs 1 bis 3 BStMG mit Verwaltungsstrafe bedroht seien – um einen privatrechtsförmigen Akt handle, welcher der Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof entzogen sei.
[11] Das Revisionsverfahren war nun fortzuführen.
[12] II. Die Revision ist mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Mautpflicht von Blaulichtfahrzeugen zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
[13] 1. Nach § 20 Abs 5 KFG dürfen bei – nicht unter Abs 1 Z 4 fallenden – Fahrzeugen Scheinwerfer und Warnleuchten mit blauem Licht nur bewilligt werden, wenn ihre Verwendung im öffentlichen Interesse gelegen ist und dagegen vom Standpunkt der Verkehrs und Betriebssicherheit keine Bedenken bestehen und die zu einer – nachfolgend angeführten – Verwendung bestimmt sind. Nach § 20 Abs 6 KFG sind diese Bewilligungen unter entsprechenden Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen.
[14] 2. Nach § 5 Abs 1 Z 1 BStMG sind Fahrzeuge von der Mautpflicht ausgenommen, an denen unter anderem gemäß § 20 Abs 5 KFG Scheinwerfer oder Warnleuchten mit blauem Licht sichtbar angebracht sind, sofern bei ihrer Verwendung den gemäß § 20 Abs 6 KFG erteilten Auflagen und Bedingungen entsprochen wird. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten beschränkt sich diese Ausnahme von der Mautpflicht nicht auf Einsatzfahrten, weil § 5 Abs 1 Z 1 BStMG nur darauf abstellt, ob das Blaulicht am Fahrzeug angebracht ist. Dass das Blaulicht auch eingeschaltet ist, wird hingegen nicht gefordert. Dass § 5 Abs 1 Z 1 BStMG die Befreiung von der Mautpflicht davon abhängig macht, dass bei der „Verwendung“ den gemäß § 20 Abs 6 KFG erteilten Auflagen und Bedingungen entsprochen wird, betrifft nach der Absicht des Gesetzgebers nur den Fall, dass das „Anbringen“ des Blaulichts bestimmten Beschränkungen unterworfen ist, also etwa nur für ein örtlich beschränktes Gebiet bewilligt wurde (ErläutRV 2298 BlgNR 24. GP 2). Die Befreiung von der Mautpflicht für Fahrzeuge, die aufgrund eines Bescheids nach § 20 Abs 5 KFG mit Blaulicht ausgestattet sind, ist demnach nicht auf Einsatzfahrten beschränkt (so auch Rittler , Mautbefreiung auf Bundesstraßen für Blaulichtfahrzeuge, ZVR 2019/205 [394 ff]).
[15] 3 . Nach § 14 BStMG hat die Beklagte eine Mautordnung festzulegen, die der Genehmigung des Bundesministers für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen bedarf. Sie ist von der Beklagten nach § 16 Abs 1 BStMG im Internet unter der Adresse www.asfinag.at zu verlautbaren. Der Oberste Gerichtshof hat die Maut, die von der Beklagten eingehoben wird, seit jeher als privatrechtliches Entgelt behandelt, das aufgrund eines zwischen dem Nutzer der Straße und der Beklagten abgeschlossenen (privatrechtlichen) Straßenbenutzungsvertrags geschuldet wird ( 2 Ob 133/00y ; 2 Ob 33/01v ; 10 Ob 78/15s ). Die Mautordnung der Beklagten wurde hingegen von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten G erichtshofs als Durchführungsverordnung im Sinne d es Art 18 Abs 2 B VG qualifiziert ( RS0124049 ). Schon um eine Rechtsschutzlücke zu vermeiden, kann diese Rechts ansicht angesichts der nunmehr vorliegenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zu V 3/2025 nicht mehr aufrecht erhalten werden. Die Regelungen in der Mautordnung der Beklagten sind deshalb nicht als Durchführungsverordnung, sondern als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren, welche die Beklagte den mit den Straßenbenützern abgeschlossenen Verträgen zugrundelegt (ebenso bereits ErläutRV 1139 BlgNR 21. GP 18 und N. Raschauer , Zum Rechtscharakter der Mautordnung, ecolex 2013 , 186 ff). Die Zulässigkeit der in der Mautordnung der Beklagten enthaltenen Regelungen unterliegt damit der Nachprüfung durch die ordentlichen Gerichte.
[16] 4. Die Mautordnung der Beklagten sieht in Punkt 1.3.3.1 unter der Überschrift „ Ausnahmen von der Vignettenpflicht “ ab der Version 48 folgende Regelung vor: „ Im Fall von Kraftfahrzeugen gemäß § 20 Abs 5 KFG besteht eine Ausnahme von der Mautpflicht nur für die Dauer der Verwendung des Scheinwerfers oder der Warnleuchte mit blauem Licht und wenn bei der Verwendung den gemäß § 20 Abs 6 KFG erteilten Auflagen und Bedingungen entsprochen wird. Die Rückfahrt von einem Einsatz, bei dem Scheinwerfer oder Warnleuchten mit blauem Licht verwendet wurden, ist ebenfalls von der Vignettenpflicht ausgenommen. “ Mit der Version 75 wurde eine geringfügige sprachliche Änderung vorgenommen, die Regelung aber inhaltlich unverändert beibehalten.
[17] 5 . Nach § 15 Abs 1 Z 3 BStMG hat die Mautordnung der Beklagten nur „ Informationen über die Ausnahmen von der Pflicht zur Entrichtung der fahrleistungsabhängigen und der zeitabhängigen Maut “ zu enthalten. In § 5 Abs 2 BStMG wird der Beklagten lediglich die Ermächtigung erteilt, anlassbezogen in der Mautordnung Fahrzeuge für Fahrten im Rahmen von humanitären Hilfstransporten in Notstandsfällen von der Mautpflicht auszunehmen. Hingegen ist eine Ermächtigung der Beklagten, die im Gesetz enthaltenen Ausnahmen von der Mautpflicht einzuschränken oder die gesetzliche Mautpflicht sonst auszuweiten, dem Gesetz nicht zu entnehmen. Dies zeigt sich insbesondere in § 15 Abs 2 Z 10 BStMG (§ 15 Abs 2 Z 6 BStMG aF), wonach „ sonstige anlassbezogene Regelungen “ in der Mautordnung nur zulässig sind, wenn sie keine Belastungen der Mautschuldner zur Folge haben.
[18] 6. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten handelt es sich bei dieser in der Mautordnung der Beklagten enthaltenen Regelung um keine bloße Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben, sondern um eine Ausweitung der Mautpflicht, weil auch Fahrzeuge, die aufgrund eines Bescheids nach § 20 Abs 5 KFG mit Blaulicht ausgestattet sind, außerhalb von Einsatzfahrten der Mautpflicht unterworfen werden. Die Regelung in Punkt 1.3.3.1 der Mautordnung der Beklagten verstößt damit gegen § 5 Abs 1 Z 1 BStMG, was nach § 879 Abs 1 ABGB zur Unwirksamkeit der Regelung führt ( Rittler , ZVR 2019/205 [396]).
[19] 7 . Um Mautprellerei zu verhindern und ein ordnungsgemäßes Funktionieren d es Mautsystems zu gewährleisten, erklärt § 20 BStMG die nicht ordnungsgemäße Entrichtung der Maut zur Verwaltungsübertretung, wobei aber § 20 Abs 5 BStMG die Straflosigkeit der Tat anordnet, wenn der Mautschuldner fristgerecht die in der Mautordnung festgelegte Ersatzmaut entrichtet. Nach § 19 Abs 1 BMStG darf die in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut festzusetzende Ersatzmaut den Betrag von 250 EUR nicht übersteigen. Im G egensatz zur Verwaltungsstrafe ist d ie Ersatzmaut keine hoheitlich zu verhängende Strafe, sondern eine zivilrechtliche (schuldrechtliche) Sanktion ( N. Raschauer , ecolex 2013 , 187 FN 18; Kinczel , Die schriftliche Aufforderung zur Zahlung der Ersatzmaut, ZVR 2021/190 [376]). Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die Beklagte bei der Einhebung der Maut privatrechtlich agiert (aA Klingenbrunner , Was ist die Ersatzmaut? ZVR 2007/164 [291]). Dementsprechend sind mit der Entrichtung der Ersatzmaut auch die zivilrechtlichen Ansprüche der B eklagten erfüllt ( ErläutRV 1139 BlgNR 21. GP 20).
[20] 8. Wenngleich die Mautaufsichtsorgane befugt sind, Fahrzeuglenker und Zulassungsbesitzer zur Zahlung der Ersatzmaut aufzufordern, besteht doch kein Rechtsanspruch der Beklagten auf Bezahlung der Ersatzmaut. Wohl aber wird es angesichts der drohenden Verwaltungsstrafe in den meisten Fällen eine Bereitschaft zu ihrer Entrichtung geben (ErläutRV 1139 BlgNR 21. GP 15). Um ein Umgehen der Strafsanktion durch ein nachträgliches Zurückfordern der Ersatzmaut zu verhindern, sieht § 20 Abs 6 BStMG vor, dass die Rückforderung „ ordnungsgemäß gezahlter Ersatzmauten “ ausgeschlossen ist. Demgegenüber steht § 20 Abs 6 BStMG schon aufgrund des Wortlauts einer Rückforderung rechtsgrundloser Zahlungen nicht entgegen, insbesondere wenn eine Ersatzmaut vereinnahmt wurde, obwohl gar keine Mautpflicht bestanden hat.
[21] 9. Voraussetzung für die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs ist nach § 1431 ABGB aber nicht nur das Fehlen eines Rechtsgrundes, sondern auch, dass die Leistung auf einem Irrtum beruht ( RS0014891 ; RS0033558 ; RS0033607 ). Wenn jemand eine Zahlung leistet, von der er weiß, dass er sie nicht schuldet, so besteht nach § 1432 ABGB kein Rückforderungsanspruch. Auch wenn der Schuldner Zweifel über den Bestand der Schuld hatte, ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn die Zahlung den rechtsgeschäftlichen Zweck hatte, einen zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Rechtsstreit endgültig zu erledigen (RS0033612). Wenn der Schuldner in einem solchen Fall vermeiden will, dass die Zahlung in diesem Sinne ausgelegt wird, muss er sich die Rückforderung vorbehalten ( RS0033576 ; RS0116237 ). Ein solcher Vorbehalt muss spätestens mit der Zahlung erklärt werden, um die mit einer vorbehaltslosen Zahlung verbundenen Rechtswirkungen zu vermeiden. Die Rückforderung ist nicht mehr zulässig, wenn sie aus der Sicht des Empfängers als Anerkenntnis verstanden werden durfte (RS0033065; RS0033612 [T1, T2]).
[22] 10. Ein Vorbehalt ist aber nur dann erforderlich, wenn der Gläubiger nach dem objektiven Verständnis eines redlichen Erklärungsempfängers von einem Rückforderungsverzicht des Schuldners ausgehen durfte ( RS0033612 [T6]). Im vorliegenden Fall übermittelte die Klägerin der Beklagten zu jeder Zahlung ein Schreiben, in welchem sie sich unter Berufung auf die gesetzliche Ausnahme von der Mautpflicht eine Rückforderung vorbehielt. Nach den Feststellungen erfolgten die ersten 15 Zahlungen, nachdem die Beklagte das jeweilige Vorbehaltschreiben bereits erhalten hatte. Später langten manche Vorbehaltschreiben erst ein, nachdem die Beklagten die jeweiligen Zahlungen erhalten hatte, bei einzelnen konnte der Zugang nicht festgestellt werden. Dennoch hatte die Beklagte schon aufgrund der vorherigen Schreiben, die ihr jedenfalls zugegangen waren, auch hier keinen Grund zur Annahme, dass die Klägerin ihre Mautpflicht nunmehr anerkennen wollte, sodass insoweit keine gesonderten Vorbehalte mehr erforderlich waren. Es bedurfte daher auch keiner exakten Feststellungen zum Zugang der nachfolgenden Schreiben, sodass auch der diesbezüglichen Verfahrensrüge der Beklagten keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt. Die Vorinstanzen haben den Rückforderungsanspruch der Klägerin daher zu Recht bejaht.
[23] 11. Der Beklagten ist dahin zuzustimmen, dass die Bindungswirkung des rechtskräftigen Feststellungsurteils eine abermalige Prüfung dieser Frage ausschließt, sodass die festgestellte Befreiung der Klägerin von der Mautpflicht in einem allfälligen Folgeprozess nicht neuerlich geprüft werden kann (RS0039147). Eine Bindungswirkung der Vorentscheidung ist aber nur dann anzunehmen, wenn eine Identität des rechtserzeugenden Sachverhalts verbunden mit notwendig gleicher rechtlicher Qualifikation gegeben ist (RS0041572). Verändern sich die Individualisierungsmomente des Rechtsschutzanspruchs nach Schluss der mündlichen Verhandlung, aufgrund derer die Entscheidung erging, so entsteht ein neuer Rechtsschutzanspruch, der dann von der Rechtskraft der Entscheidung über den ersten nicht berührt wird (RS0041247). Dementsprechend würde das gegenständliche Feststellungsurteil im Fall der Änderung der Rechtslage keine Bindungswirkung entfalten, weshalb – entgegen der Rechtsansicht der Beklagten – auch keine Notwendigkeit bestand, den Urteilsspruch ausdrücklich auf die Geltungsdauer des § 5 Abs 1 Z 1 BStMG zu beschränken.
[24] 12. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 5 0 ZPO.