10ObS69/25g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden und den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi und den Hofrat Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Sibylle Wagner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Sylvia Zechmeister (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Mag. Thomas Preisinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau, 1081 Wien, Josefstädter Straße 80, wegen Versehrtenrente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 21. Mai 2025, GZ 7 Rs 26/25k 62, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die – von den Vorinstanzen verneinte – Qualifikation der bei der Klägerin aufgetretenen COVID 19-Erkrankung als Berufskrankheit gemäß § 177 Abs 1 ASVG iVm Nr 38 der Anlage 1 zum ASVG (in der zum Infektionszeitpunkt geltenden Fassung; nunmehr Nr 3.1. der Anlage 1 zum ASVG idF BGBl I 2024/18).
[2] Die Klägerin war zum Zeitpunkt ihrer – mit überwiegender Wahrscheinlichkeit beruflich verursachten – Infektion mit COVID 19 an einer Universität beschäftigt.
[3] Die Vorinstanzen wiesen die auf Feststellung des Ereignisses als Berufskrankheit und auf Zahlung einer Versehrtenrente gerichteten Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[5] 1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die in Nr 38 der Anlage 1 zum ASVG aufgezählten Unternehmen dadurch gekennzeichnet sind, dass die dort beschäftigten Personen nach durchschnittlicher Betrachtung – also unabhängig von der konkreten Tätigkeit des Versicherten (RS0134302) – und im Regelfall in einem ganz besonderen Ausmaß der Gefahr von Ansteckungen ausgesetzt sind, während das bloße Risiko, mit allenfalls Infizierten kurz in Kontakt zu kommen, dem alle Erwerbstätigen ausgesetzt sind, die im intensiven, ständigen Kontakt mit Menschen stehen, nicht hinreicht, um Infektionskrankheiten als Berufskrankheit zu qualifizieren (10 ObS 114/24y Rz 13; 10 ObS 1/23d Rz 12 je mwN). Das besondere Infektionsrisiko in Schulen oder Haftanstalten wurde darin gesehen, dass sich dort zahlreiche Personen für lange Zeit gemeinsam in einem geschlossenen Raum aufhalten (10 ObS 39/23t Rz 19; 10 Ob 1/23d Rz 13; 10 Ob 149/22t Rz 47).
[6] 2. Die außerordentliche Revision zeigt ein Abweichen der Beurteilung der Vorinstanzen von der dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht auf. Entgegen der Auffassung der Klägerin stellten die Vorinstanzen nicht auf die konkrete Tätigkeit der Klägerin ab. Wie die Klägerin selbst ausführt, kommt in Universitäten eine Vielzahl von Personen in wechselnder Zusammensetzung zusammen. Typischerweise sind die zahlreichen Personen aber nicht für lange Zeit gemeinsam in einem geschlossenen Raum, und können Universitätsbedienstete in der Regel – anders als Lehrer in Schulen zu den Schülern – einen entsprechenden Abstand zu den Studierenden einhalten, sodass dort eine vergleichbare Gefährdung wie in den in der Revision thematisierten Schulen nicht besteht.