10ObS61/25f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden und den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi, den Hofrat Dr. Vollmaier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Sibylle Wagner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Sylvia Zechmeister (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Dr. Anke Reisch, Rechtsanwältin in Baden, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Alterspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 29. April 2025, GZ 8 Rs 49/25x 27, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger, der mit 16. 1. 2023 sein 65. Lebensjahr vollendete, stellte rund ein Jahr später einen mit 21. 1. 2024 datierten Antrag auf Gewährung einer Alterspension; dieser langte am 25. 1. 2024 bei der Beklagten ein.
[2] Mit Bescheid vom 19. 3. 2024 erkannte die Beklagte dem Kläger die Alterspension ab 1. 2. 2024 zu.
[3] Der Kläger begehrt nun die Feststellung, dass ihm die Alterspension bereits ab 1. 1. 2024 gebühre. Er habe sein aktives Berufsleben mit 31. 12. 2023 beendet und sei mit 1. 1. 2024 in die Alterspension übergetreten. Der Anspruch auf Pensionszahlung sei mit diesem Zeitpunkt erwachsen.
[4] Das Erstgericht wies die Klage ab.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.
[6] Die Pension des Klägers sei gemäß § 86 Abs 3 Z 2 ASVG erst mit dem Stichtag angefallen, weil er den Antrag nicht binnen eines Monats nach Erfüllung der Voraussetzung einer Alterspension gestellt habe. Nach § 223 Abs 2 ASVG sei der hier maßgebliche Stichtag der 1. 2. 2024. Dafür habe sich seine Pension jedoch – wegen der (ein volles Jahr) späteren Inanspruchnahme – gemäß § 5 Abs 4 APG um einen Zuschlag in Höhe von 5,1 % erhöht.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist mangels einer darin aufgezeigten Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig .
[8] 1. Nach § 361 Abs 1 Z 1 ASVG sind die Leistungsansprüche von den Versicherungsträgern in der Pensionsversicherung auf Antrag festzustellen.
[9] Gemäß § 85 ASVG entstehen die Ansprüche auf die Leistungen aus der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung in dem Zeitpunkt, in dem die im Zweiten, Dritten und Vierten Teil des ASVG hiefür vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt werden. Der Anfall von (Alters-)Pensionen ist jedoch in § 86 Abs 3 Z 2 ASVG gesondert geregelt, und zwar mit der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen, wenn sie auf einen Monatsersten fällt, sonst mit dem der Erfüllung der Voraussetzungen folgenden Monatsersten, sofern die Pension binnen einem Monat nach Erfüllung der Voraussetzungen beantragt wird. Wird der Antrag auf die Pension erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so fällt die Pension mit dem Stichtag an.
[10] Nach § 223 Abs 2 ASVG ist der Stichtag bei Anträgen auf eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Alters der Tag der Antragstellung, wenn dieser auf einen Monatsersten fällt, sonst der dem Tag der Antragstellung folgende Monatserste.
[11] 2. Aus diesen Bestimmungen, die (schon nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut) auch auf die Versicherungsleistung der Alterspension Anwendung finden (vgl etwa 10 ObS 101/21g Rz 15; 10 ObS 138/21y Rz 16; 10 ObS 140/21t Rz 14 uva), leitet der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung ab, dass für die Feststellung von Leistungsansprüchen in der Pensionsversicherung das Antragsprinzip gilt, eine Leistungsgewährung daher nur aufgrund eines Antrags zulässig ist (RS0085092; zur Alterspension insb 10 ObS 5/90; weiters 10 ObS 175/13b ErwGr 2.1. und 2.2.; 10 ObS 51/15w ErwGr 1.; 10 ObS 18/23d Rz 19 ua).
[12] Fehlt die Antragstellung, wird nicht das Entstehen des Anspruchs gehindert, wohl aber der Anfall der Leistung (10 ObS 175/13b ErwGr 2.2. mwN).
[13] 3. Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach ausgesprochen, dass die grundsätzlich allen Versicherten eingeräumte Möglichkeit der Stichtagswahl samt damit ausgelöstem grundsätzlich unverrückbaren Stichtag verfassungsrechtlich unbedenklich ist (RS0084543 [T2, T3]; 10 ObS 175/13b ErwGr 3.; zuletzt 10 ObS 144/23h Rz 7). Sie ermöglicht einem Versicherten, der bei Eintritt des Versicherungsfalls des Alters die Wartezeit noch nicht erfüllt hat oder eine höhere Alterspension beziehen möchte, durch den Erwerb weiterer Versicherungsmonate diese allgemeine Leistungsvoraussetzung oder die Voraussetzungen für eine höhere Leistung bis zum hinausgeschobenen Stichtag zu erfüllen. Zugleich soll durch das Antragsprinzip vermieden werden, dass die Sozialversicherungsträger und die Versichertengemeinschaft mit hohen Pensionsnachzahlungen für Zeiträume belastet werden, für die erst nachträglich ein Leistungsantrag gestellt wurde (10 ObS 278/94; 10 ObS 175/13b ErwGr 3.; 10 ObS 51/15w ErwGr 4.).
[14] Ferner wurde in der Rechtsprechung bereits wiederholt festgehalten, dass das Gesetz kein Institut kennt, welches den Versicherten vor versicherungsrechtlichen Nachteilen bewahrt, wenn ihm ohne sein Verschulden eine zeitgerechte Antragstellung nicht möglich war. Auch eine wegen Unkenntnis des Gesetzes verspätete Antragstellung wirkt auf keinen früheren Zeitpunkt zurück (RS0085841; zuletzt 10 ObS 144/23h Rz 5). Die Fiktion eines tatsächlich nicht gestellten Antrags lässt sich auch aus dem Grundsatz der sozialen Rechtsanwendung nicht ableiten (RS0086446 [T1]).
[15] 4. Das Berufungsgericht ist in der angefochtenen Entscheidung von diesen Leitlinien ausgegangen. Die Ausführungen in der Revision geben keinen Anlass, von dieser gesicherter Rechtsprechung abzugehen.
[16] 4.1. Der Kläger führt ins Treffen, er sei durch die Auslegung des Berufungsgerichts in seinem vom Schutzbereich der Eigentumsgarantie nach Art 1 1. ZPEMRK erfassten (vgl dazu VfGH G 165/08 = VfSlg 18.885) Pensionsanspruch für Jänner 2024 verkürzt worden. Schon deshalb sei eine verfassungskonforme Interpretation von § 86 Abs 3 Z 2 ASVG dahin geboten, dass unter „Stichtag“ der Tag des „Pensionsantritts“, also des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben, gemeint sei.
[17] Abgesehen davon, dass die vorgeschlagene Auslegung mit der in § 223 Abs 2 ASVG für die Versicherungsfälle der Pensionsversicherung (§ 222 ASVG: Alter, geminderte Arbeitsfähigkeit und Tod) ausdrücklich normierten Stichtagsregelung in unauflösbarem Widerspruch stünde, nimmt die Argumentation des Klägers nicht darauf Bedacht, dass in dem – mangels Antragstellung bewirkten – teilweisen Verlust von Versicherungsleistungen dann von vornherein kein Eigentumseingriff erblickt werden kann, wenn die verspätete Antragstellung ausschließlich der Sphäre des Klägers zuzurechnen ist (vgl 10 ObS 5/90; 10 ObS 175/13b ErwGr 4.). Die Revision legt in diesem Zusammenhang nicht einmal andeutungsweise dar, inwieweit der Kläger durch außerhalb seiner Sphäre liegende Umstände an einer früheren Antragstellung gehindert gewesen sein soll.
[18] 4.2. Weshalb die zur Beurteilung des Pensionsanspruchs heranzuziehenden Bestimmungen (§ 361 Abs 1 Z 1, § 86 Abs 3 Z 2 iVm § 223 Abs 2 ASVG) besonders schwer verständlich oder aber nicht hinreichend bestimmt sein sollen, legt der Kläger in seiner Revision nicht nachvollziehbar dar. Auch insoweit rufen die Rechtsmittelausführungen somit keine aufzugreifenden Bedenken an der Verfassungskonformität des geltenden Antrags und Stichtagsprinzips hervor.
[19] 4.3. Welche für seinen Rechtsstandpunkt positiven Folgerungen der Kläger aus der geforderten Umdeutung seines Antrags (dahin, dass der Pensionsbezug ab dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben beansprucht werde) abzuleiten gedenkt, bleibt unklar: Wie schon unter Punkt 3. näher dargelegt, scheiden sowohl eine rückwirkende Antragstellung als auch die Fiktion eines tatsächlich (noch) nicht gestellten Antrags aus.