JudikaturOGH

10ObS14/25v – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Juli 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi und die Hofrätin Dr. Wallner Friedl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Sibylle Wagner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Sylvia Zechmeister (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei K*, vertreten durch die Anwaltssocietät Sattlegger, Dorninger, Steiner Partner in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist Straße 1, vertreten durch Dr. Anton Ehm, Dr. Simone Metz, LL.M., Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 18. Dezember 2024, GZ 12 Rs 116/24a 23, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits und Sozialgericht vom 6. September 2024, GZ 10 Cgs 10/24d 17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger war im Zeitraum von 1. September 2004 bis 30. Juni 2023 als Kfz-Mechaniker im Pannen und Abschleppdienst mit einer Regelarbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich beschäftigt. Jeder der – abwechselnd eine Woche montags, dienstags sowie freitags bis sonntags und eine Woche mittwochs und donnerstags verrichteten – Dienste umfasste zwölf Stunden (mit einer Pause von 40 Minuten und einer Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich einer Stunde täglich). Dabei hatte der Kläger bis Dezember 2005 abwechselnd einen (vollen Kalender )Monat als Nacht und einen (vollen Kalender )Monat als Tagdienst zu leisten. Ab Jänner 2006 folgten auf einen Monat Nachtdienst zwei Monate Tagdienst. Überschneidungen in den Monaten gab es nicht, es wurde immer ein voller Beitragsmonat entweder im Tag oder im Nachtdienst gearbeitet.

[2] Mit Bescheid vom 11. Oktober 2023 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger bis zum Feststellungszeitpunkt 1. Juli 2023 insgesamt 526 Versicherungsmonate – davon 515 Beitragsmonate der Pflichtversicherung-Erwerbstätigkeit und 11 Ersatzmonate – erworben hat, erkannte 59 näher genannte Versicherungsmonate als Schwerarbeitsmonate an und lehnte die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum vom 1. September 2004 bis 30. Juni 2023 (mit Unterbrechung) ab.

[3] Der Kläger begehrte die im Zeitraum vom 1. September 2004 bis 30. Juni 2023 verrichteten Tätigkeiten als Schwerarbeit anzuerkennen, weil er Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 und Z 4 SchwerarbeitsV geleistet habe.

[4] Die Beklagte wandte ein , die Voraussetzungen für die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten aufgrund von Nacht oder Wechseldienst iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV lägen über die im Bescheid anerkannten Schwerarbeitsmonate hinaus nicht vor. Es sei mit der Ausübung der Tätigkeit auch kein Verbrauch von mindestens 2.000  Arbeitskilokalorien bezogen auf eine achtstündige Arbeitszeit verbunden.

[5] Das Erstgericht wiederholte die von der Beklagten bereits ausgesprochene Anerkennung von Schwerarbeitszeiten und wies das Mehrbegehren ab. Der Kläger habe in den strittigen Monaten keine Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 bzw Z 4 SchwerarbeitsV geleistet.

[6] Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV liege mangels eines Verbrauchs von mindestens 2.000 Arbeitskilokalorien nicht vor. Auch eine Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV sei zu verneinen: Reine Nachtarbeit stelle kein zum Vorliegen von Schwerarbeit führendes Belastungsmoment im Sinne der SchwerarbeitsV dar. Es müsse ein Schicht oder Wechseldienst erbracht werden, ein Wechsel zwischen Tag und Nachtdiensten müsse während eines (Kalender )Monats erfolgen.

[7] Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig, weil die Frage, ob die Qualifikation eines Kalendermonats als Schwerarbeitsmonat iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV einen Wechsel zwischen Nacht und Tagdienst innerhalb des Kalendermonats voraussetzte oder ob auch ein Wechsel jeweils zum Monatswechsel ausreichte, vom Obersten Gerichtshof bislang nicht beantwortet worden sei.

[8] Dagegen richtet sich Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen auf Anerkennung von 164 Schwerarbeitsmonaten, hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

[9] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist ungeachtet des Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO aufgrund einer klaren gesetzlichen Regelung (vgl RS0042656) nicht zulässig.

[11] 1.1. Gemäß § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV gelten als Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden, alle Tätigkeiten, die geleistet werden in Schicht oder Wechseldienst auch während der Nacht (unregelmäßige Nachtarbeit), das heißt zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr, jeweils im Ausmaß von mindestens sechs Stunden und zumindest an sechs Arbeitstagen im Kalendermonat , sofern nicht in diese Arbeitszeit überwiegend Arbeitsbereitschaft fällt.

[12] 1.2. Wesentliches Wesensmerkmal des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV ist somit der notwendige Wechsel zwischen Tag und Nachtdienst (RS0126106, siehe jüngst 10 ObS 129/24d Rz 15 und 10 ObS 4/25y Rz 9). Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stellt reine Nachtarbeit kein Belastungsmoment im Sinne der SchwerarbeitsV dar, das zum Vorliegen von Schwerarbeit führt, sondern es muss ein Schicht oder Wechseldienst (im Rahmen eines periodischen Dienst bzw Schichtplans) erbracht werden, das heißt, es muss vor, nach oder zwischen den sechs Nachtdiensten zumindest ein Wechsel zu einem Tagdienst stattfinden (RS0126106 [T2], jüngst 10 ObS 129/24d), und zwar pro Monat (10 ObS 104/17t ErwGr 2.1).

[13] 2.1. Gemäß § 4 SchwerarbeitsV ist ein Schwerarbeitsmonat jeder Kalendermonat , in dem eine oder mehrere Tätigkeiten nach § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV zumindest in jenem Ausmaß ausgeübt wurden, das einen Versicherungsmonat iSd § 231 Z 1 lit a ASVG begründet.

[14] 2.2. Im vorliegenden Fall lag unstrittig im jeweiligen Kalendermonat entweder nur Tag- oder nur Nachtdienst vor. Es kam innerhalb des Kalendermonats zu keinem Wechsel. Damit sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bejahung einer Schwerarbeit mangels eines Schicht- oder Wechseldienstes nicht erfüllt. Das Argument des Klägers, wonach sowohl vor als auch nach dem jeweiligen Nachtdienstmonat ein Wechsel in den Tagdienst erfolgt sei, dies teilweise fließend innerhalb einer Arbeitswoche, verfängt aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung nicht.

[15] Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch die Literatur diese Ansicht vertritt ( Rieder/Ölberg in Brameshuber/Aubauer/Rosenmayr-Khoshideh , SVS-ON § 4 APG Rz 75; Sonntag in Sonntag , ASVG 16 § 607 ASVG Rz 13c; Rainer/Pöltner in Mosler/Müller/Pfeil , Der SV-Komm § 4 APG Rz 135; Zheden in Poperl/Trauner/Weißenböck , ASVG Praxiskommentar [68. Lfg 2019] Schwerarbeitsverordnung Rz 13; Milisits , Schwerarbeitsverordnung: Ein Leitfaden für die Praxis [2008] 53; dieselbe , Handbuch zur gesetzlichen Pensionsversicherung in Österreich [2007] 179).

[16] 3. Mangels der Erfüllung der Voraussetzung von Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV ist nicht mehr auf die von der Revision herangezogenen Bestimmungen des Art XI Abs 6 NSchG (analog), wonach es zu einer Durchrechnung über zwei Monate hinweg kommen müsse, einzugehen.

[17] 4. Auch aus Art 2 Z 5 der RL 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung lässt sich mangels Relevanz kein anderes Ergebnis ableiten, regelt diese doch „nur“ die Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung im Hinblick auf tägliche Ruhezeiten, Ruhepausen, wöchentliche Ruhezeiten, wöchentliche Höchstarbeitszeit, Jahresurlaub sowie Aspekte der Nacht- und der Schichtarbeit und des Arbeitsrhythmus.

[18] 5. Zwar kann ein Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG auch dann erfolgen, wenn das Berufungsgericht die ordentliche Revision zugelassen hat, der Oberste Gerichtshof diese jedoch mangels einer Rechtsfrage iSd § 502 ZPO zurückweist (RS0085898 [T2]). Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden jedoch nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.

[19] Die von der Beklagten verzeichneten Kosten für die Revisionsbeantwortung waren nicht zuzusprechen (§ 77 Abs 1 Z 1 ASGG).

Rückverweise