22Ds2/25a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 9. Juli 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer als weiteren Richter sowie die Rechtsanwältin Dr. Mascher und den Rechtsanwalt Dr. Raming als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Ebner in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 31. Juli 2024, GZ D 31/23, 1 DV 34/23 20, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Kranz, des Kammeranwalts Rechtsanwalt Dr. Orgler und des Beschuldigten zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Berufung wird die Geldbuße auf 7.000 Euro herabgesetzt.
Gemäß § 16 Abs 2 DSt wird davon ein Teil von 3.500 Euro unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde *, Rechtsanwalt in *, mehrerer Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt (1, 2 und 3) sowie eines Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt (2) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er
(1) trotz mehrfacher Aufforderung seinem Mandanten * S* keine Auskunft über den S tand des Verfahrens AZ 243 S 37/20s des Bezirksgerichts Graz Ost (ES 4) erteilt und insbesondere den Genannten nicht davon in Kenntnis gesetzt, dass bereits Teilzahlungen vom Schuldner eingelangt sind,
(2) gegenüber seinem Mandanten * S* eine um jedenfalls mehr als 7.000 Euro überhöhte (ES 9) Honorarnote über rund 8.400 Euro (ES 5) gelegt sowie
(3) das im Betrag von 5.404,72 Euro bestrittene Honorar (2) weder an den Vertreter seines Mandanten weitergeleitet noch gerichtlich hinterlegt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der Disziplinarrat verhängte über den Beschuldigten nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 9.000 Euro, wovon er gemäß § 16 Abs 2 DSt einen Teilbetrag von 4.000 Euro unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.
[4] Bei der Strafbemessung wertete der Disziplinarrat das Zusammentreffen von drei Disziplinarvergehen sowie die Umstände, dass der Beschuldigte wissentlich Honorar für nicht erbrachte Leistungen beansprucht hat und dass der von ihm eingeforderte Honorarbetrag etwa das Achtfache einer „allenfalls gerechtfertigten“ Forderung ausmachte, als erschwerend, die geständige Verantwortung des Beschuldigten und dessen bisherige Unbescholtenheit als mildernd.
[5] Gegen den Strafausspruch wendet sich die Berufung des Beschuldigten mit dem Ziel der Herabsetzung der Geldbuße.
[6] Nach ständiger Judikatur sind die für die Strafbemessung maßgebenden Grundsätze des Strafgesetzbuchs (§§ 32 ff StGB) auch für das anwaltliche Disziplinarverfahren sinngemäß heranzuziehen (RIS Justiz RS0054839).
[7] Hievon ausgehend ist die Gewichtung des besonderen Erschwerungsgrundes des § 33 Abs 1 Z 1 StGB dahin zu korrigieren, dass der Beschuldigte (nicht drei, sondern) vier Disziplinarvergehen begangen hat, weil im Schuldspruch 2 beide Deliktsfälle des § 1 Abs 1 DSt idealkonkurrierend zusammentreffen. Demgegenüber tritt der Umstand, dass das Disziplinarverfahren aus einem nicht vom Beschuldigten zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat (§ 34 Abs 2 StGB), mildernd hinzu.
[8] Grundlage für den Strafausspruch ist der Schuldspruch ( Lendl , WK StPO § 260 Rz 34), womit auch die Berufung gegen den Strafausspruch ihre Argumente auf der Basis der den Schuldspruch tragenden Feststellungen zu entwickeln hat. Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Berufung, indem sie – abweichend von den Konstatierungen des Disziplinarrats – zum Schuldspruch 1 einwendet, die zeitgerechte Verständigung des Mandanten von den Zahlungseingängen sei auf Arbeitsüberlastung zurückzuführen gewesen, und zum Schuldspruch 2 behauptet, der Beschuldigte habe rechtsirrig die Auffassung vertreten, dem Mandanten nicht persönlich verrichtete Tagsatzungen verrechnen zu dürfen.
[9] Bei einem gesetzlichen Rahmen von bis zu 45.000 Euro (§ 16 Abs 1 Z 2 DSt) entspricht die vom Disziplinarrat verhängte Geldbuße der V erschuldensschwere ( § 32 Abs 2 und 3 StGB) und trägt den (mangels diesbezüglicher Angaben des Beschuldigten zutreffend zugrunde gelegten) durchschnittlichen Einkommens und Vermögensverhältnissen eines Rechtsanwalts angemessen Rechnung (§ 16 Abs 6 DSt).
[10] Allerdings reicht hier der besondere Milderungsgrund des § 34 Abs 2 StGB in die Grundrechtssphäre. Nach der Judikatur des EGMR ist das Grundrecht auf Entscheidungen in angemessener Frist (Art 6 Abs 1 erster Satz MRK) nämlich jedenfalls dann verletzt, wenn sich die Verfahrensdauer insgesamt als unangemessen lang erweist ( Grabenwarter/Pabel EMRK 7 , § 24 Rn 83 mwN), was hier unter Berücksichtigung der geringen Komplexität des Falles (dazu Grabenwarter/Pabel EMRK 7 § 24 Rn 82) mit Blick auf die zwischen dem Einlangen der Disziplinaranzeige und der Rechtskraft des Disziplinarerkenntnisses liegende Zeitspanne von mehr als zwei Jahren zu bejahen ist.
[11] Der Oberste Gerichtshof erkennt die in der solcherart überlangen Verfahrensdauer gelegene Grundrechtsverletzung ausdrücklich an und gleicht sie durch eine Reduktion der Geldbuße um 2.000 Euro aus.
[12] Im Hinblick auf das bisherige Wohlverhalten des Beschuldigten konnte ein Teilbetrag von 3.500 Euro unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen werden.
[13] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.