22Ds1/25d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 9. Juli 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer als weiteren Richter sowie den Rechtsanwalt Dr. Schimik und die Rechtsanwältin Dr. Mascher als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Ebner in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufung des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 26. Februar 2024, GZ D 28/23, 6 DV 24/23 20, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, des Kammeranwalts Mag. Kammler und des Beschuldigten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde *, Rechtsanwalt in *, vom Vorwurf freigesprochen, er habe – entgegen §§ 9 und 10 RAO sowie § 10 Abs 1 RL BA 2015 – einerseits im Mai 2022 die R* GmbH im Zusammenhang mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über deren Vermögen beraten und für diese einen Insolvenzeröffnungsantrag eingebracht und andererseits im Jänner 2023 in einem vom Masseverwalter der R* GmbH gegen deren geschäftsführenden Gesellschafter und dessen Gattin angestrengten Zivilprozess vor dem Bezirksgericht Ried im Innkreis die zuletzt Genannten vertreten.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die dagegen wegen Vorliegens des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO (dazu RIS Justiz RS0128656 [T1]) Berufung des Kammeranwalts wegen des Ausspruchs über die Schuld geht – wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – fehl.
[3] Nach der – auch in Anwaltsdisziplinarsachen geltenden (RIS Justiz RS0127315 [T9] und RS0130018 [T5]) – ständigen Rechtsprechung erfordert die erfolgreiche Anfechtung eines Freispruchs auch ein prozessförmiges Aufzeigen der Relevanz eines behaupteten Fehlers für das Ergebnis. Demnach ist hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Erkenntnis des Disziplinarrats keine Konstatierungen enthält, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der mündlichen Verhandlung vorgekommene (§ 37 DSt) Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel geltend zu machen (RIS Justiz RS0118580). Fehlen die dafür nötigen Indizien, bedarf es der Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO, wurden die fehlenden Tatbestandsmerkmale verneint, ist insoweit ein Begründungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) geltend zu machen, wobei im Verfahren nach dem DSt (ebenso wie im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts und im bezirksgerichtlichen Verfahren) solche Negativfeststellungen auch mit Beweiswürdigungskritik im Rahmen der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld im engeren Sinn (§ 464 Z 2 erster Fall StPO) bekämpft werden können (RIS Justiz RS0127315 [T10]).
[4] Die Berufung des Kammeranwalts, die ausgehend vom objektiven Geschehen das Vorliegen einer unzulässigen Doppelvertretung behauptet, reklamiert zwar das Fehlen von Feststellungen im Sinn eines „zumindest fahrlässige[n] Verhalten[s]“, bezieht sich aber insofern nur auf eine Betrachtung des äußeren Urteilssachverhalts, ohne auf konkrete Verfahrensergebnisse Bezug zu nehmen.
[5] Ein Feststellungsmangel wird jedoch nur dann prozessförmig geltend gemacht, wenn die verlangten Konstatierungen aus konkret bezeichneten (RIS Justiz RS0124172), in der mündlichen Verhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen nach den Regeln folgerichtigen Denkens oder anhand grundlegender Erfahrungssätze abgeleitet werden können (RIS Justiz RS011 6735 und RS0118580 [T7, T8, T23 und T30]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 584, 601 und 607 f sowie § 288 Rz 1 f). Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses sind kein solches Verfahrensergebnis und daher auch kein Indiz, auf das die Behauptung eines Feststellungsmangels gestützt werden kann (RIS Justiz RS0118580 [T29]).
[6] Der Berufung war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – nicht Folge zu geben.