6Ob76/25g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. C*, Rechtsanwalt, *, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Dr. E* (AZ * des Handelsgerichts Wien), *, vertreten durch Dr. Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. G*, vertreten durch Huber Swoboda Oswald Aixberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 57.305,52 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 13. Februar 2025, GZ 1 R 132/24b 104, womit das Endurteil des Bezirksgerichts Horn vom 23. April 2024, GZ 13 C 60/21w 92, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird dem Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
[1] Der Beklagte ist Eigentümer einer Liegenschaft mit Garten, Nebengebäuden und einem Haus (EZ *, Grundbuch * G*). Es befinden sich in dem Haus eine Wohnung im Erdgeschoß und eine weitere im Obergeschoß.
[2] Die Liegenschaft gehörte vormals dem Onkel des Beklagten (dem vormaligen Kläger, über dessen Vermögen im Laufe des Verfahrens das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und der zur leichteren Verständlichkeit im Weiteren weiterhin als Onkel bezeichnet wird). Der Onkel schenkte sie (unter Einräumung eines Gebrauchsrechts für sich) im Jahr 2002 seiner Schwester, der Mutter des Beklagten. Diese übergab die Liegenschaft im Jahr 2012 (mit Übergabsvertrag) ihrem Sohn, dem Beklagten. Der Beklagte räumte seinen Eltern im Übergabsvertrag ein durch das Gebrauchsrecht seines Onkels eingeschränktes Fruchtgenussrecht ein.
[3] Einigkeit bestand zwischen dem (klagenden) Onkel (der immer einen Schlüsselsatz für sich hatte) und seinem beklagten Neffen (von Beginn an) darüber, dass (grundsätzlich) ein Gebrauchsrecht des Onkels an der Liegenschaft besteht und dessen Umfang jedenfalls die gesamte im Erdgeschoß befindliche Wohnung sowie die Mitbenützung des Gartens, der Nebenräume und der Garage umfasst. Ein darüber hinausgehendes Wohnrecht auch betreffend die Wohnung im Erdgeschoss verneinte der Beklagte aber.
[4] Mittlerweile steht zwischen den Parteien aufgrund des vom Berufungsgericht (mit Urteil vom 10. 11. 2022, 1 R 89/22a) abgeänderten Teilurteils des Erstgerichts vom 27. 2. 2022, verbücherte Gebrauchsrecht des Onkels weder räumlichen noch sonstigen Einschränkungen unterliegt, weswegen ihm sowohl ein Wohnungsgebrauchsrecht an allen Wohnungen bzw bewohnbaren Teilen des auf der Liegenschaft errichteten Wohngebäudes einschließlich Terrasse, Keller und Dachboden zusteht, als auch das Recht, den gesamten Garten sowie alle übrigen auf der Liegenschaft errichteten Gebäude und darauf befindlichen Bestandteile, nämlich insbesondere die Garage sowie die beiden Nebengebäude, zu nutzen; außerdem steht fest, dass das vorgenannte Gebrauchsrecht exklusiver (also einer die Nutzung durch Eigentümer oder dritte Personen ausschließenden) Natur ist.
[5] Der Onkel bewohnte und nutzte das Objekt bis 2020 abgesehen von Familienbesuchen nicht. Die Erdgeschosswohnung des Hauses, das mit Schenkungsvertrag auf den Todesfall aus dem Jahr 1983 dem Onkel zugekommen war, war zuvor von seiner Mutter (der Großmutter des Beklagten) bewohnt worden. Nach deren Tod im Jahr 1998 wurde die Erdgeschosswohnung von der Schwester des Onkels, also der Mutter des Beklagten mit ihrer Familie benutzt (so etwa im Sommer und in den Ferien). Der Beklagte nutzte hingegen die vormals vermietete Wohnung im Obergeschoss, die von ihm ab dem Jahr 2000 „hergerichtet“ und eingerichtet und deren Küche von ihm möbliert wurde.
[6] Der Onkel war nach dem Tod seiner Mutter lediglich sporadisch und einige Stunden „zu Besuch“ im Haus. Er wusste, dass sich der Beklagte und dessen Geschwister in G* mit „wachsender Intensität“ aufhielten.
[7] Es kam weder nach dem Schenkungsvertrag zwischen dem Kläger und seiner Schwester noch nach dem Übergabsvertrag (womit dem Beklagten das Haus zukam) zu einer Änderung der Nutzung der Liegenschaft. Der Beklagte richtete die Wohnung im Obergeschoss sukzessive weiter her, so ließ er etwa das Dach des Hauses reparieren und notwendige Sanierungen vornehmen. Darüber hinaus renovierte er das Bad im Erdgeschoss barrierefrei und auch das WC im Obergeschoss.
[8] Bis ca 2019 war das Verhältnis zwischen dem Onkel und seinem Neffen sehr gut. Erst im Jahr 2020 erklärte der (in finanzielle Schwierigkeiten geratene) Onkel, das Haus exklusiv in Anspruch nehmen zu wollen.
[9] Der Kläger als Insolvenzverwalter des Onkels begehrte zuletzt 57.305,52 EUR für die Nutzung des Hauses durch den Beklagten im Zeitraum 1. 5. 2020 bis 30. 4. 2023.
[10] Der Beklagte wendete dagegen ein, er habe das Gebrauchsrecht des Onkels nicht unmöglich gemacht, die Liegenschaft nur an Wochenenden benutzt, wozu er nicht der Zustimmung des Onkels bedurft habe, solange dieser sein Gebrauchsrecht nicht faktisch oder tatsächlich ausübte. Er nutze nur die Wohnung im Obergeschoss. Das nicht verbaute Mobiliar im Untergeschoss gehöre (nicht ihm, sondern) dem Onkel.
[11] Das Erstgericht sprach dem Kläger 44.570,96 EUR zu und wies das Mehrbegehren von 12.734,56 EUR (insoweit rechtskräftig) ab. Der Onkel sei nicht verpflichtet gewesen, einer Mitbenützung d er Liegenschaft durch den Beklagten zu dulden und habe Anspruch auf Benützungsentgelt für die Zeit von Jänner 2021 bis April 2023. Ab Mai 2023 sei dem Onkel die Nutzung möglich gewesen, sodass ab dann kein Ersatz mehr zustehe.
[12] Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil gestützt auf § 1041 ABGB. Der Höhe nach ging es – wie das Erstgericht – unter Berücksichtigung der vom Kläger begehrten Beträge von einem Ersatz für die Nutzung des gesamten Objekts aus.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig und im Sinn des in eventu gestellten Aufhebungsantrags berechtigt :
[14] 1. § 1041 ABGB dient dem Ausgleich einer Vermögensverschiebung durch zuweisungswidrige Nutzung eines Rechtsguts (2 Ob 3/19h [ErwGr 1.3.]). Der durch einen unberechtigten Eingriff in ein ihm ausschließlich zugewiesenes Rechtsgut Verkürzte hat gegen denjenigen, der die „Sache“ (im weitesten Sinn, vgl RS0019926, also etwa auch ein Gebrauchsrecht) rechtsgrundlos zu seinem Nutzen verwendet hat, einen bereicherungsrechtlichen Verwendungsanspruch. Es soll der unberechtigte Vorteil des Bereicherten rückgängig gemacht werden ( Apathy/Perner in Schwimann/Kodek , ABGB 5 [2021] § 1041 Rz 2; vgl auch Koziol/Spitzer in KBB 7 [2023] § 1041 Rz 1).
[15] 2. Schuldner des Verwendungsanspruchs ist also derjenige, der den unberechtigten Nutzen gezogen bzw in das fremde Rechtsgut eingegriffen hat ( Kerschner in Klang 3 [2019] § 1041 ABGB Rz 6; Meissel in Rummel/Lukas, ABGB 4 § 1041 Rz 9 [Stand 1. 5. 2017, rdb.at]).
[16] Er hat gemäß § 1041 ABGB ein dem verschafften Nutzen angemessenes Entgelt zu entrichten, wobei es in erster Linie nicht etwa auf die Nachteile des Anspruchsberechtigten, sondern auf den Nutzen des Benützers, insbesondere auf die von ihm durch die Benützung der fremden Sache ersparten Auslagen ankommt (RS0019850).
[17] 3. Insofern zeigt der Beklagte zutreffend auf, dass sich aus den – auch vom Berufungsgericht zugrundegelegten – Feststellungen eine Nutzung durch ihn bezogen auf die gesamte Liegenschaft nicht ergibt. Diese Feststellungen sind auch vom Rahmen seiner Einwendungen gedeckt, hatte er doch schon in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 15. 6. 2023 vorgetragen, er nütze (wobei aber erkennbar auch die vorherige Nutzung angesprochen war) ausschließlich die Wohnung im Obergeschoss. Überdies brachte er vor, es sei das (offenbar gemeint: das im Erdgeschoss befindliche) Mobiliar seit der Schenkung im Jahr 2002 beibehalten worden. Im Eigentum des Klägers stehendes Mobiliar könne einer Nutzung durch den Kläger nicht entgegenstehen.
[18] Nach den Feststellungen nutzte die Schwester des Onkels (und Mutter des Beklagten) mit „ihrer Familie“ die Erdgeschosswohnung in dieser besonderen Konstellation „von Anfang an“ mit Zustimmung des Onkels. Zwar war ihr vom Beklagten ein Fruchtgenussrecht eingeräumt worden, dieses wurde aber ausdrücklich unter den Vorbehalt des Gebrauchsrechts des Onkels gestellt. Die Berechtigung dessen Schwester, die Liegenschaft (mit ihrer Familie) zu nutzen, basierte auf der Gestattung durch den Onkel im Sinne einer „familiären Wohnungsgewährung“ (jederzeit beendbare Überlassung von Wohnraum im Familienkreis RS0020503; vgl Stabentheiner , Mietrecht 5 [2022] Rz 20; Höllwerth in GeKo Wohnrecht I § 1090 ABGB Rz 46 [Stand 1. 10. 2017, rdb.at]). Der Servitutsberechtigte ist selbst zur Abwehr von Störungen seines Rechts durch Dritte befugt (RS0106908; RS0012094; RS0012084; vgl auch 1 Ob 11/08m). Der Eigentümer der dienenden Liegenschaft ist demgegenüber nur zur Duldung der Servitut, nicht aber zu einem aktiven Tun verpflichtet (vgl §§ 472, 482 ABGB; Memmer in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.05 § 482 Rz 3 [Stand 15. 12. 2023, rdb.at]).
[19] Mehrere Bereicherungsschuldner haften grundsätzlich nicht solidarisch, sondern nur anteilig nach der jedem Einzelnen zugeflossenen Bereicherung (RS0016343). Hier handelt es sich um zwei Wohneinheiten (vgl auch Ersturteil vom 27. 2. 2022, Seite 12). Es kommt damit im vorliegenden Fall auf die konkrete Nutzung durch den Beklagten und den dadurch von ihm erlangten Vorteil an:
[20] 4. Inwiefern im vorliegenden Fall Redlichkeit oder Unredlichkeit eine Rolle spielen sollte, vermag die Revision nicht schlüssig darzulegen.
[21] Dem Grundsatz nach schuldet (ohnehin) auch der redliche Benützer das verkehrsübliche Benützungentgelt im Sinne dessen, was er sonst am Markt für die Benützung aufwenden hätte müssen (RS0019850; RS0019900; RS0019813 [insb T7]).
[22] Die von den Vorinstanzen herangezogenen (und durch einen Sachverständigen ermittelten) Beträge entsprechen den verkehrsüblichen Werten (allerdings für die Nutzung der Liegenschaft als Ganzes [also unter Nutzung der Wohnung im Obergeschoss und im Untergeschoss samt Garten, Nebenräumen und Garage]). Für das Vorliegen von Unredlichkeit des Beklagten vor Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang wäre im Übrigen der Kläger ganz konkret behauptungs- und beweispflichtig. Diesbezüglich ist aber auch die Relevanz nicht erkennbar, weil weder behauptet noch nachgewiesen ist, dass ein höheres als das vom Sachverständigen ermittelte Benützungsentgelt am Markt erzielbar gewesen wäre (vgl 2 Ob 173/24s [ErwGr 16]).
[23] 4.1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte frei und ohne Absprache, wann immer es ihm beliebte, zur Nutzung vor Ort fahren konnte und ihm eine vergleichbare Nutzung eines Objekts nur durch monatliche Anmietung als Ferienhaus oder Zweitwohnsitz erreichbar gewesen wäre, trifft – im Grundsätzlichen und soweit sie sich auf die tatsächlich vom Beklagten genutzte Wohneinheit im Obergeschoss samt Mitbenützung der allgemeinen Bereiche („Ferienwohnung“ statt Ferienhaus) bezieht – zu, sodass unabhängig von Redlichkeit oder Unredlichkeit des Beklagten der Zuspruch des marktüblichen Entgelts nicht zu beanstanden ist. Eine tageweise Berechnung oder eine nur nach (genutzten) Wochenenden wurde daher von den Vorinstanzen zutreffend nicht erwogen. Welchen geldwerten Nutzen der Beklagte aus der (eigenen) Nutzung der Obergeschosswohnung samt „Allgemeinflächen“ zog, lässt sich aus den bisher getroffenen Feststellungen nicht ableiten, und es erschließt sich angesichts der festgestellten Nutzungsverhältnisse in Bezug auf die Erdgeschosswohnung durch die Schwester des Onkels bis dato nicht, inwieweit der Beklagte insoweit bereichert sein sollte.
[24] 5. Dies bedingt die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht.
[25] 6. Sollte der Kläger das Klagebegehren – soweit es nicht bereits rechtskräftig abgewiesen wurde – auch noch auf die bisher zwar erwähnte, aber hinsichtlich des Tatsachenvorbringens zum Verschulden wohl konkretisierungsbedürftige Rechtsgrundlage von Schadenersatz stützen wollen, wäre von ihm näher darzulegen und zu beweisen, wann und aus welchen Umständen heraus der Beklagte – konkret für welche Nutzung der Liegenschaft – in welchem Zeitraum erkannt hat oder schuldhaft nicht erkannt hat, dass dem Onkel ein eine Nutzung durch andere ausschließendes Gebrauchsrecht auch am Obergeschoss hat und inwieweit der Beklagte für welchen dadurch entstandenen Schaden ersatzpflichtig wäre.
[26] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.