13Os56/25x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juli 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Artner in der Strafsache gegen * S* wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 95 Hv 113/24v des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 12. August 2024 (ON 23.1) und die Endverfügung der Einzelrichterin vom 19. August 2024 (ON 25.1) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Schneider LL.M., des Verurteilten und dessen Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Bollmann LL.M. zu Recht erkannt:
Spruch
In der Strafsache AZ 95 Hv 113/24v des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzen
das Urteil dieses Gerichts vom 12. August 2024 (ON 23.1) § 43 Abs 1 StGB, § 43a Abs 1 StGB und § 270 Abs 4 Z 2 StPO iVm § 488 Abs 1 StPO sowie
die Endverfügung der Einzelrichterin vom 19. August 2024 (ON 25.1) § 234 Abs 1 Geo.
Das genannte Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Ausspruch der Höhe des Tagessatzes aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Text
Gründe:
[1] Mit gekürzt ausgefertigtem Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. August 2024 (ON 23.1) wurde * S* – soweit hier von Bedeutung – mehrerer Vergehen schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen (zu je 10 Euro) verurteilt (US 3).
[2] „Gemäß § 43 Abs 1 StGB“ wurde die verhängte Geldstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen (US 3).
[3] Die für die Bemessung der Höhe des Tagessatzes maßgebenden Umstände sind der gekürzten Urteilsausfertigung nicht zu entnehmen (vgl US 4).
[4] Am 19. August 2024 ordnete die Einzelrichterin die Einhebung der Geldstrafe an (11 der Endverfügung ON 25.1). Nach der Aktenlage wurde die Geldstrafe bezahlt (ON 25.2).
Rechtliche Beurteilung
[5] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, stehen das Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. August 2024 (ON 23.1) und deren Endverfügung vom 19. August 2024 mit dem Gesetz nicht im Einklang:
[6] § 43 Abs 1 StGB sieht eine bedingte Nachsicht ausschließlich für (zwei Jahre nicht übersteigende) Freiheitsstrafen vor.
[7] Geldstrafen können gemäß § 43a Abs 1 StGB höchstens zu drei Viertel bedingt nachgesehen werden.
[8] Der Ausspruch der gänzlichen bedingten Nachsicht der Geldstrafe „gemäß § 43 Abs 1 StGB“ verletzt diese Bestimmungen.
[9] Nach § 270 Abs 4 Z 2 StPO (der gemäß § 488 Abs 1 erster Satz StPO auch für das Hauptverfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts gilt) hat die gekürzte Urteilsausfertigung gegebenenfalls – wenn also (wie hier) eine nach Tagessätzen zu bemessende Geldstrafe (§ 19 StGB) verhängt wurde – die für die Bemessung des Tagessatzes (§ 19 Abs 2 StGB) maßgebenden Umstände in Schlagworten zu enthalten.
[10] Dem zuwider nennt das in gekürzter Form ausgefertigte Urteil diese Umstände nicht (vgl US 4).
[11] Nach § 234 Abs 1 Geo setzt die Anordnung der Einbringung von – soweit hier von Interesse – Geldstrafen die Rechtskraft der Entscheidung im Grundverfahren voraus, mit der die Höhe und die Zahlungspflicht des einzubringenden Betrags bestimmt wurde.
[12] Eine rechtskräftige Entscheidung über die Zahlungspflicht im Grundverfahren liegt aber hier gerade nicht vor, weil die in Rede stehende Geldstrafe (wenngleich unter Verletzung der §§ 43 und 43a StGB) zur Gänze bedingt nachgesehen worden ist.
[13] Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die fehlende Offenlegung der für die Bemessung des Tagessatzes maßgebenden Umstände zum Nachteil des Verurteilten wirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die diesbezügliche Feststellung der Verletzung des § 270 Abs 4 Z 2 StPO iVm § 488 Abs 1 StPO auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
[14] Die Anordnung der Einbringung der Geldstrafe (11 der Endverfügung ON 25.1) und alle weiteren vom aufgehobenen Urteilsausspruch rechtslogisch abhängigen Entscheidungen und Verfügungen gelten gleichermaßen als beseitigt (RIS Justiz RS0100444).