12Os47/25s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juli 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Setz Hummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Eißler in der Strafsache gegen * E* M* wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 13. März 2025, GZ 80 Hv 100/24f 34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * E* M* von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe in V* und andernorts
„I./ im Zeitraum 10. Oktober 2023 bis dato sich als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an einer terroristischen Vereinigung, nämlich der Terrororganisation Hamas (Harakat al Muqawama al Islamiya) beteiligt, wobei er in dem Wissen handelte, durch seine Beteiligung die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen, nämlich insbesondere Anschläge gegen zivile Ziele sowie Selbstmordattentate in überfüllten Straßen sowie Bussen, Angriffe auf jüdische Siedler, Entführung und Ermordung israelischer Militärangehöriger mit dem Ziel der Zerstörung Israels und der Errichtung eines islamisch fundamentalistischen Palästinenserstaats unter Einsatz von Gewalt zu fördern, indem er durch nachangeführte Postings die terroristischen Straftaten durch den Anschlag der Hamas vom 7. Oktober 2023 auf die Bevölkerung Israels, bei dem mehr als 2000 Raketen aus dem Gazastreifen wahllos auf Zivilisten in Israel abgefeuert, mehr als 1000 Menschen getötet oder verletzt, Gräueltaten an der Zivilbevölkerung verübt und mehr als 200 Menschen als Geisel nach Gaza entführt wurden, als begrüßenswert und eine Teilnahme an solchen Taten als von Gott gewollt und erstrebenswert darstellte, und zwar
1./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach dem 10. Oktober 2023 auf seinem Instagram Account 's*' das via TikTok geteilte, selbst erstellte Video seinen Wohnblock mit geöffnetem Fenster und eine wehende Flagge Palästinas zeigend, verbunden mit dem Kommentar 'Europa verurteilt Hamas ich verurteile Europa wir sind Palästina und wir haben voll recht… Freiheit für Palästina' (verbunden mit mehrfachem Setzen der palästinensischen Flagge);
2./ am 10. Oktober 2023 auf seinem TikTok Profil 's*' ein selbst erstelltes Video seinen Wohnblock mit geöffnetem Fenster und wehender Flagge Palästinas zeigend, verbunden mit dem Kommentar 'ich bin s[e]hr stolz und möge allah unsre Löwen schützen' mit musikalischer Untermauerung in arabischer Sprache, 'Deine Helden, oh Palästina, tragen deinen Kopf hoch, ein Märtyrer verabschiedet sich von einem anderen Märtyrer ….';
3./ am 10. Oktober 2023 auf dem Instagram Account der Zeit im Bild des ORF als Reaktion auf einen Beitrag Benjamin Netanjahus mit dem Inhalt: 'Was wir unseren Feinden in den kommenden Tagen antun werden, wird für Generationen von ihnen spürbar sein' und den Kommentar des Accounts 'b*' mit dem Inhalt 'Der Hamas Hat den Krieg angefangen, in dem sie über 1000 Zivilisten an einem Tag abgeschlachtet haben und über 100 Menschen entführt haben. Israel hat das Recht zu Antworten und diese Terrororganisation ein für allemal zu Zerschlagen', als Nutzer 's*' den Kommentar: 'Hamas hat noch nicht angefangen dass wahr nur Mittag essen Freiheit für Palästina ps' und 'Wenn eine Nation ohne anerkannte militärische Kräfte sich verteidigt sind ‘s Terroristen, wenn eine Atommacht angreift und mordet, sind sie Friedenswächter Freiheit für Palästina ps' und
4./ am 19. Oktober 2023 auf seinem TikTok Profil 's*' ein selbst erstelltes Video seinen Wohnblock mit geöffnetem Fenster und wehender Flagge Palästinas zeigend, verbunden mit dem Kommentar 'Freiheit für Palästina pspspspspsps';
II./ durch die zu I./1./ bis 4./ dargestellten Postings, sohin in Medien, terroristische Straftaten und zwar den Anschlag der Hamas vom 7. Oktober 2023 auf die Bevölkerung Israels, bei dem mehr als 2000 Raketen aus dem Gazastreifen wahllos auf Zivilisten in Israel abgefeuert, mehr als 1.000 Menschen getötet oder verletzt, Gräueltaten an der Zivilbevölkerung verübt und mehr als 200 Menschen als Geisel nach Gaza entführt wurden (§ 278c Abs 1 Z 1, 2, 3, 6) in einer Art gutgeheißen, die geeignet ist, die Gefahr der Begehung einer oder mehrerer als solcher Straftaten herbeizuführen;
III./ durch die unter I./1./ bis 4./ angeführten Handlungen an der aus jedenfalls mehr als zehn Mitgliedern bestehenden Gruppierung der Hamas (Harakat al Muqawama al islamiyya), sohin an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stoffen, gefährlichen Abfällen, Falschgeld oder Suchtmitteln ausgerichtet ist, indem sie seit ihrer Gründung im Jahr 1987 durch Ahmad Yasin, Hassan Yousef und andere das Ziel verfolgt, den Staat Israel zu vernichten und an dessen Stelle einen islamistischen Staat Palästina zu gründen und zu diesem Zwecke insbesondere in Israel unter Anwendung besonderer Grausamkeit durch terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB durch ihre Kräfte die Zerstörung des israelischen Staates betreibt, in Israel durch Bombenanschläge die Zivilbevölkerung tötet und vertreibt, sich deren Vermögen aneignet, durch Geiselnahmen (zuletzt am 7. Oktober 2023) den israelischen Staat erpresst, bzw. (zumindest) schwer nötigt, durch all diese Straftaten eine Bereicherung im großen Umfang anstrebt und Dritte durch angedrohte und ausgeführte Terroranschläge, insbesondere in Israel selbst, aber auch in grenznahen Gebieten, einschüchtert und sich auf besondere Weise, nämlich durch Geheimhaltung ihres Aufbaues, ihrer Finanzstruktur, der personellen Zusammensetzung der Organisation und der internen Kommunikation, gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abschirmt, in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch diese Vereinigung unter anderem in ihrem Ziel, Israel zu vernichten und an dessen Stelle den islamischen Staat Palästina zu gründen und deren terroristische Straftaten nach § 278c StGB zur Erreichung dieses Ziels, förderte“,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft schlägt fehl.
[3] Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) richtet sich gegen die Konstatierungen, wonach der Angeklagte mit seinen Postings nicht zum Ausdruck bringen wollte, dass er den konkreten Überfall der Hamas und die damit einhergehenden Tötungen und Gräueltaten an der israelischen Zivilbevölkerung sowie die Geiselnahmen billigt oder er zu weiteren terroristischen Taten aufrufen wollte (US 6 f) sowie die – auch zu seiner subjektiven Tatseite bezüglich einer Beteiligung an der „Terrorgruppe“ Hamas getroffene (vgl US 9) – Negativfeststellung betreffend direkten oder indirekten Kontakt zu Mitgliedern der Hamas sowie die Unterstützung, Hilfe und Förderung dieser Gruppierung (US 7).
[4] Die als übergangen reklamierten – im Übrigen großteils ohnedies berücksichtigten (vgl US 6) – Beweisergebnisse, nämlich die zeitliche Nähe der inkriminierten Postings zum terroristischen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, deren Veröffentlichung auf mehreren periodischen elektronischen Medien sowie der Umstand, dass es sich dabei um vom Angeklagten selbst verfasste und mit einschlägiger Hintergrundmusik unterlegte Inhalte handelte, stehen den vorgenannten Konstatierungen nicht erörterungsbedürftig entgegen (RIS Justiz RS0098646).
[5] Indem die Beschwerde aus einer Zusammenschau dieser Faktoren andere Schlüsse zieht als das Schöffengericht (US 9), erschöpft sie sich in Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unbeachtlichen Schuldberufung.
[6] Die erfolglos bekämpften Feststellungen stehen der von der Staatsanwaltschaft angestrebten Subsumtion nach § 282a Abs 2 StGB (Anklagepunkt II./) sowie nach §§ 278b Abs 2, 278a Abs 1 StGB (Anklagepunkte I./ und III./) entgegen, womit sich ein Eingehen auf die Rechtsrüge (Z 9 lit a) erübrigt.
[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).