JudikaturOGH

3Nc20/25h – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Ordinationssache der betreibenden Partei V*, vertreten durch Dr. Florian Knaipp, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichtete Partei B*, Malta, wegen 21.743,63 EUR sA, über den Antrag auf Ordination nach § 28 JN den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Di e Antragstellerin führt als Betreibende gegen die C* als Verpflichtete aufgrund einer titulierten Forderung – auf Rückzahlung von Spielverlusten aus Online-Glücksspielen, die die Verpflichtete in Österreich ohne Konzession angeboten hatte – zu * des Bezirksgerichts Salzburg ein Exekutionsverfahren. Zu 3 Nc 2/24d des Obersten Gerichtshofs war ihr Ordinationsantrag für die Bewilligung und Vollziehung der beabsichtigten Forderungsexekution bewilligt worden.

[2] Die Antragstellerin beantragt, ihr „zur Betreibung einer Drittschuldnerklage mit einem Streitwert von 21.743,63 EUR im Wege der Ordination das örtlich zuständige Landesgericht“ zu bestimmen. Dazu bringt sie zusammengefasst vor, das Bezirksgericht Salzburg habe ihr (unter anderem) die Forderungsexekution nach § 294 EO durch Pfändung des der Verpflichteten zustehenden Guthabens aus Kontoverbindungen bei der Antragsgegnerin als Drittschuldnerin sowie aus Forderungen aus bereits bewilligten und nicht zur Gänze ausgenützten Krediten bewilligt. Die Exekutionsbewilligung sei der Antragsgegnerin zugestellt worden und diese habe erklärt, dass sie keine Vermögenswerte der Verpflichteten in Österreich halte. Eine Erklärung darüber, ob die Antragsgegnerin in einem anderen Land Vermögen der Verpflichteten halte, sei hingegen nicht abgegeben worden. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass die Antragsgegnerin sehr wohl Vermögenswerte in einem anderen Land halte, wobei der genaue Ort ungewiss sei. Naheliegend sei , dass die Antragsgegnerin ein Girokonto der Verpflichteten verwalte, zumal ein solches zwingende Voraussetzung dafür sei, in Malta eine Glücksspielkonzession zu erhalten. Wegen dieser unvollständigen Auskunft plane die Antragstellerin, gegen die Antragsgegnerin eine Drittschuldnerklage einzubringen. Die Zuständigkeit dafür bestimme sich nach allgemeinen Regel ungen. S oweit sich von der Antragsgegnerin gehaltene Vermögenswerte der Verpflichteten in Malta befänden, seien zwar die dortigen Gerichte für die Drittschuldnerklage international zuständig. Aufgrund der Spruchpraxis in Malta sei aber eine Klagsführung dort „jedenfalls zum Scheitern verurteilt“. Dies zeige sich insbesondere aus einer Entscheidung der Ersten Kammer des Zivilgerichts vom 27. Februar 2025 über eine Klage eines (näher genannten) Glücksspielanbieters, mit der die Anerkennung eines österreichischen Urteils über die Rückforderung von Spielverlusten mit der Begründung verweigert worden sei, dass dieses dem maltesischen ordre public widerspreche; infolge der österreichischen Rechtsprechung seien die Glücksspielanbieter im österreichischen Verfahren auf Rückerstattung der Spielverluste „de facto ohne effektiven Rechtsschutz“. Aus diesem Grund sei zu erwarten , dass eine Drittschuldnerklage, die letztlich dazu diene, einen Titel durchzusetzen, der nach Ansicht der maltesischen Gerichte gegen die öffentliche Ordnung verstoße, erfolglos bleiben müsse. Aufgrund der „Nahebeziehung der Drittschuldnerin und der verpflichteten Partei“ sei dies zu erwarten. Unabhängig davon sei es auch möglich, dass die Antragsgegnerin außerhalb von Malta „beispielsweise Schließfächer“ verwalte, in denen die Verpflichtete Wertgegenstände verwahre, und es sei daher denkbar, dass es eine „internationale Zuständigkeit eines anderen Gerichts außerhalb Maltas“ gebe, die jedoch „derzeit nicht bestimmt werden“ könne. Damit seien die Voraussetzungen für eine Ordination nach § 28 Abs 1 Z 2 JN erfüllt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.

[4] 1.1 Als Grundlage für die Bestimmung eines zuständigen Gerichts kommt im Anlassfall (nur) § 28 Abs 1 Z 2 JN in Betracht. Danach ist die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts durch den Obersten Gerichtshof nur dann zulässig, wenn der Kläger seinen Wohnsitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre.

[5] 1.2 Durch diese Bestimmung wird die internationale Zuständigkeit Österreichs erweitert, indem eine Notkompetenz für den Fall eröffnet wird, dass die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar ist ( Garber in Fasching / Konecny ³ § 28 JN Rz 22 mwN). Dabei ist allerdings zu beachten, dass bei Fehlen eines Anknüpfungspunkts, der eine besondere Zuständigkeit österreichischer Gerichte begründen würde, zunächst davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber Klagen gegen Personen, die in Österreich keinen ordentlichen Wohnsitz oder bleibenden Aufenthalt haben, im Allgemeinen von den österreichischen Gerichten nicht behandelt wissen will (RS0046264). § 28 JN schafft für den Obersten Gerichtshof also nicht die Möglichkeit, grundsätzlich jede Rechtssache, zu deren Entscheidung die Zuständigkeitsvorschriften kein österreichisches Gericht berufen, der österreichischen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen (RS0046322) und damit einen allgemeinen Klägergerichtsstand zu etablieren ( Garber in Fasching / Konecny ³ § 28 JN Rz 56, 58 mwN).

[6] 1.3 Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN ist gemäß § 28 Abs 4 JN vom Antragsteller zu behaupten und zu bescheinigen (RS0124087 [T3]).

[7] 1.4 Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland nach § 28 Abs 1 Z 2 JN wird in der Rechtsprechung und Lehre insbesondere dann bejaht, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt wird, eine dringende Entscheidung im Ausland nicht rechtzeitig erreicht werden kann, eine Prozessführung im Ausland eine der Parteien politischer Verfolgung aussetzen würde oder in außergewöhnlicher Weise kostspielig wäre (RS0046148).

[8] 1.5 Nach der jüngeren Rechtsprechung ist schon das Erlassen eines Zahlungsverbots an einen Drittschuldner im Rahmen der Forderungsexekution ( die keinen Eingriff in die fremde Territorialhoheit bewirkt [RS0106937]) grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Verpflichtete seinen (Wohn-)Sitz im Inland hat oder eine örtliche Zuständigkeit im Inland besteht. Ein Ordinationsantrag für die beabsichtigte Exekution auf das Arbeitseinkommen eines im Ausland lebenden Verpflichteten aus dem Arbeitsverhältnis zu seinem ausländischen Arbeitgeber wurde (noch zur Rechtslage vor der GREx BGBl I 2021/86) unter anderem mit dieser Begründung abgelehnt (3 Nc 36/09p mwN; näher dazu Oberhammer in Angst / Oberhammer , EO 3 § 294 Rz 5 ff). Eine „Notzuständigkeit“ sei allerdings in Erwägung zu ziehen, wenn die Exekution im Drittschuldnerstaat unmöglich oder unzumutbar sei, wenn also die Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN erfüllt seien ( Oberhammer in Angst / Oberhammer , EO 3 § 294 Rz 7/1).

[9] 2. Die Antragstellerin vermag di e behauptete Unzumutbarkeit einer Rechtsverfolgung insbesondere (auch) in Malta nicht zu beschein igen. Ihre Bezugnahme auf die Rechtslage in Malta betrifft nur die Verfahren zur exekutiv en Durchsetzung von rechtskräftigen österreichischen Exekutionstiteln gegen maltesische Glücksspielanbieter. Im vorliegenden Fall beabsichtigt sie aber, eine Klage gegen eine maltesische Bank einzubringen. Für das behauptete Naheverhältnis zwischen der verpflichteten Glücksspielanbieterin und dieser Bank hat sie keine Begründung angeführt. Di e bloße – im Vorbringen überdies nur vermutete – (Giro-) Kontoverbindung der Verpflichteten bei der Bank, gegen die die Antragstellerin eine Drittschuldnerklage einzubringen beabsichtigt, kann eine solche Nahebeziehung nicht bewirken. Es ist auch nicht ersichtlich, inwieweit eine Geschäftsbeziehung bzw „Nahebeziehung“ zwischen Glücksspielanbieterin und Bank die beabsichtigte Rechtsverfolgung in Malta unmöglich oder unzumutbar machen soll. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die maltesischen Gerichte in einem V erfahren gegen die Bank – wie die Antragstellerin meint – „ähnlich vorgehen“ werden wie in den Verfahren gegen die in Malta ansässigen Glücksspielunternehmen. Dass die beabsichtigte Klage in Malta „von vornherein aussichtslos“ wäre, ist damit weder hinreichend behauptet noch bescheinigt.

[10] 3. Da die Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN nicht erfüllt sind, war der Ordinationsantrag abzuweisen.

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