10ObS57/25t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Annerl und Dr. Vollmaier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Michael Mutz und Mag. Dr. Werner Hallas (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch die Prutsch Lang Damitner Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84–86, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 24. April 2025, GZ 7 Rs 1/25h 36, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob der Kläger im Zeitraum von 1. 12. 2002 bis 31. 1. 2023 Schwerarbeitszeiten iSd § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV erworben hat.
[2] Der Kläger war während dieses Zeitraums als selbständiger Landwirt tätig. Bei einem Arbeitstag (wie beim Kläger) im Ausmaß von 9,82 Stunden ergibt sich eine Belastung von weniger als 8.374 Kilojoule.
[3] Mit Bescheid vom 26. 4. 2023 stellte die Beklagte fest, dass im Zeitraum von 1. 12. 2002 bis 31. 1. 2023 keine Schwerarbeitszeiten vorliegen.
[4] Die Vorinstanzen wiesen das auf Feststellung der Versicherungszeiten von 1. 12. 2002 bis 31. 1. 2023 als Schwerarbeitszeiten gerichtete Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht verneinte die in der Berufung geltend gemachten Mängel des Verfahrens erster Instanz (unterbliebene weitere Beweisaufnahmen). Das Berufungsgericht verneinte auch das Vorliegen von sekundären Feststellungsmängeln, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitraum an keinem Arbeitstag die gemäß § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV für körperliche Schwerarbeit definierte Belastungsgrenze von 8.374 Kilojoule erreicht habe.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[6] 1.1. Ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz bildet nach ständiger Rechtsprechung – auch in Sozialrechtssachen (RS0043061) – keinen Revisionsgrund (RS0042963). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben (RS0042963 [T58]). Nur wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat, läge ein Mangel des Berufungsverfahrens selbst vor (RS0040597 [T4]; RS0043086 [T1, T5, T7]).
[7] 1.2. Ein solcher Ausnahmefall wird im Rechtsmittel nicht angesprochen. Mit der bloßen Wiederholung der Mängelrüge der Berufung, wonach das Erstgericht Beweismittel nicht aufgenommen habe, und der Behauptung, dass sich die gerügten Verfahrensmängel erster Instanz auch im Berufungsverfahren „niedergeschlagen“ hätten, zielt der Kläger in Wahrheit auf die – wie ausgeführt nicht zulässige – neuerliche Überprüfung der gerügten Mängel des Verfahrens erster Instanz ab.
[8] 2.1. In der Rechtsrüge betont der Kläger, dass es bei der Beurteilung, ob ein Schwerarbeitsmonat iSd § 4 SchwerarbeitsV vorliege, nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auf die tatsächlich geleistete Arbeitszeit bei tageweiser Betrachtung ankomme.
[9] 2.2. Inwiefern die Beurteilung des Berufungsgerichts mit dieser Rechtsprechung in Widerspruch stehen soll, wird in der Revision aber nicht aufgezeigt. Nach den vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen erreichte der Kläger den in § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV normierten Wert von 8.374 Arbeitskilojoule im maßgeblichen Zeitraum an keinem Tag. Entgegen dem Vorwurf des Klägers ging das Berufungsgericht somit von einer tageweisen Betrachtungsweise aus (vgl RS0130802). Die vom Kläger in diesem Zusammenhang relevierten Schwankungen der täglichen Arbeitszeit berücksichtigte das Berufungsgericht ebenso, es ging aber – womit sich der Kläger in der Revision nicht auseinandersetzt – davon aus, dass der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren und in der Berufung keine solchen Schwankungen dargestellt habe, aus denen sich längere als die vom Erstgericht ermittelten Arbeitszeiten ableiten ließen. Somit legte auch das Berufungsgericht im Sinne gesicherter Rechtsprechung seiner Beurteilung die tatsächlich geleistete Arbeitszeit (von höchstens 9,82 Stunden täglich) zugrunde (RS0129750). Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass er den erforderlichen Energieumsatz aufgrund längerer Arbeitszeiten erreicht hat.
[10] 2.3. Aus diesem Grund geht auch die Rüge von sekundären Feststellungsmängeln dazu, an wie vielen Tagen im Monat Schwerarbeit geleistet worden sei, ins Leere: Wenn zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen, können diesbezüglich keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden (RS0053317 [T1]).