10ObS15/25s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Annerl und die Hofrätin Dr. Wallner Friedl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Michael Mutz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1100 Wien, Wienerbergstraße 11, wegen Versehrtenrente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Jänner 2025, GZ 12 Rs 1/25s 13, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger war als Facharzt für Psychiatrie in einem Krankenhaus angestellt. Er wurde von seiner Dienstgeberin angewiesen, an einem Strahlenschutzkurs teilzunehmen. Die Absolvierung eines solchen Seminars war notwendig, um den Radiologiebetrieb im Krankenhaus aufrecht erhalten zu können. Daraufhin besuchte der Kläger vom 5. bis 9. 9. 2020 ein von seiner Dienstgeberin gewähltes Strahlenschutzseminar bei der * Labor GmbH. Am Kurs nahmen circa 20 Personen teil, zwei bis drei davon waren Covid 19 positiv. Zumindest eine dieser positiv getesteten Personen steckte den Kläger an. Der Kläger leidet mittlerweile an einer Post Covid Erkrankung.
[2] Mit Bescheid vom 11. 4. 2024 erkannte die Beklagte die Infektionskrankheit Covid 19 vom Oktober 2020 weder als Arbeitsunfall noch als Berufskrankheit an und verneinte einen Anspruch auf Leistungen aus der Unfallversicherung.
[3] Der Kläger begehrte – soweit noch revisionsgegenständlich – die Anerkennung seiner Covid 19 Erkrankung als Berufskrankheit, sowie, die Beklagte zur Leistung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß zu verpflichten. Er habe sich in einem nach der Liste der Berufskrankheiten geschützten Unternehmen, nämlich einem Laboratorium, infiziert.
[4] Die Beklagte bestritt und wandte im Wesentlichen ein, das gegenständliche Laboratorium sei keines für wissenschaftliche oder medizinische Untersuchungen, sondern biete Aus und Fortbildungen im Strahlenschutz an. Die Ansteckung sei somit nicht in einem Listenunternehmen erfolgt.
[5] Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil fest, dass die Covid 19 Infektion des Klägers vom Oktober 2020 Folge einer Berufserkrankung sei. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, der Kläger sei als in einem Krankenhaus arbeitender Facharzt für Psychiatrie grundsätzlich vom Personenkreis der (damals noch) Nr 38 der Anlage 1 zum ASVG erfasst. Unter Berücksichtigung der generell-abstrakten Betrachtung von Beschäftigten in gefahrenträchtigen Unternehmen sowie in Anbetracht dessen, dass der Kläger das Strahlenschutzseminar im Auftrag seiner Dienstgeberin absolviert habe, sei die Covid 19 Infizierung des Klägers vom Oktober 2020 als Berufskrankheit zu qualifizieren.
[6] Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Spalte 3 der Nr 38 der Anlage 1 könne sich naturgemäß nur auf solche Laboratorien beziehen, in denen man sich eine Infektionskrankheit zuziehen könne, nicht etwa auf ein Labor, in dem im Bereich Strahlung und Strahlenschutz geforscht werde. Im Fall des Klägers könne aber dahingestellt bleiben, ob im Zusammenhang mit derartigen Laborleistungen eine abstrakt erhöhte Infektionsgefahr denkbar sei, weil er selbst vorgebracht habe, er sei außerhalb des Labors in einem Lehrsaal des Unternehmens der GmbH „beschäftigt“ gewesen. Gelange aber der Kläger bei der Seminarteilnahme gar nicht in den abstrakten Gefahrenbereich, komme eine Anerkennung als Berufskrankheit nicht in Betracht. Insofern sei eine teleologische Reduktion des Wortlauts der Nr 38 der Anlage 1 vorzunehmen.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[8] 1. Die behauptete Aktenwidrigkeit des Berufungsverfahrens liegt – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Berufungsgericht stützte sich nur hilfsweise auf eine von der Beklagten vorgelegte Urkunde, wonach sich die Räumlichkeiten, in denen sich der Kläger aufgehalten hatte, „im hinteren Teil des Campus“ befunden hatten, sondern vor allem auf das Vorbringen des Klägers, er sei außerhalb des Labors beschäftigt gewesen. Eine unrichtige Wiedergabe des Akteninhalts liegt darin nicht ( RS0043421 ).
[9] 2. Der Kläger setzt sich im Übrigen in seiner Revision mit den die Entscheidung tragenden rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, dass er bei der Seminarteilnahme gar nicht in einen abstrakten Gefahrenbereich gekommen sei, nicht auseinander, sodass keine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge vorliegt ( RS0043605 ). Vielmehr beschäftigt sich das Rechtsmittel ausschließlich mit der Frage, ob die Wortfolge „Laboratorien für wissenschaftliche und medizinische Untersuchungen und Versuche“ im Sinne des Berufungsgerichts zu reduzieren und nur auf Laboratorien zu beziehen sei, in denen im Hinblick auf Infektionskrankheiten eine erhöhte Ansteckungsgefahr bestehe. Der Kläger stützt sich somit lediglich auf die vom Berufungsgericht nur am Rande angeführte fragliche teleologische Reduktion hinsichtlich solcher Labore, in denen es tatsächlich zu einer Infektion kommen könne. Wie aber bereits das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung ausführte, kann es dahinstehen, ob im Zusammenhang mit einem Labor, das sich mit Strahlung und Strahlenschutz beschäftigt, eine abstrakt erhöhte Infektionsgefahr besteht, hat doch der Kläger selbst vorgebracht, dass er sich außerhalb des Labors in einem Lehrsaal des Unternehmens aufgehalten hat. Damit unterscheidet sich der hier vorliegende Fall auch von der Entscheidung 10 ObS 114/24y, weil dort die Schulung im Krankenhaus (also im Gebäude des geschützten Unternehmens) stattgefunden hat.
[10] 3. Eine erhebliche Rechtsfrage wird somit nicht aufgezeigt. Die Revision war daher zurückzuweisen.