JudikaturOGH

11Ns38/25i – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in der Strafvollzugssache des * D* betreffend den zwischen dem Landesgericht Innsbruck, AZ 35 BE 14/25m, und dem Landesgericht Salzburg, AZ 48 BE 140/25d, geführten Kompetenzkonflikt nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Landesgericht Innsbruck ist weiterhin zur Führung der Strafvollzugssache des * D* zuständig.

Text

Gründe:

[1] Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 27. März 2025, GZ 35 BE 14/25m-9, wurde * D* mit Wirksamkeit zum 15. April 2025 aus der in der Justizanstalt Innsbruck verbüßten Freiheitsstrafe unter Anordnung der Bewährungshilfe und Erteilung einer Weisung bedingt entlassen.

[2] Mit Verfügung vom 16. April 2025 (ON 15) trat das Landesgericht Innsbruck die Strafvollzugssache unter Hinweis auf den Bericht des Vereins Neustart und der eingeholten Auskunft aus dem Zentralen Melderegister (ON 11 und 13), wonach * D* „Wohnsitz“ an einer näher bezeichneten Adresse in S* genommen habe und dort (seit Oktober 2017) gemeldet sei, an das Landesgericht Salzburg ab (ON 15).

[3] Mit Verfügung vom 16. April 202 5 (ON 1.7) legte dieses Landesgericht – unter Verweis auf die am 4. Mai 2025 bevorstehende Abschiebung des Genannten nach Serbien (vgl ON 14) – die Akten gemäß § 38 dritter Satz StPO iVm §§ 17 Abs 1 Z 3, 180 Abs 1 StVG dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

[4] Das Vollzugsgericht, das die bedingte Entlassung bewilligt hat, bleibt grundsätzlich auch für das Verfahren danach zuständig.

[5] Wird einem Verurteilten im Zusammenhang mit einer bedingten Entlassung ein Bewährungshelfer bestellt oder werden ihm Weisungen erteilt und nimmt der Verurteilte unmittelbar nach seiner – im Fall der (wie hier) schon zuvor eingetretenen Rechtskraft der Entscheidung über die bedingte Entlassung und die damit zusammenhängenden Anordnungen: tatsächlich erfolgten (RIS-Justiz RS0088481 [T1, T2, T5]) – Entlassung seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel eines Landesgerichts, das nicht im selben Bundesland liegt wie das Vollzugsgericht, so geht die Zuständigkeit zur weiteren Führung der Vollzugssache auf dieses Landesgericht über (§ 179 Abs 1 StVG; Pieber in WK 2 StVG § 179 Rz 1, 3 ff mwN).

[6] Für die Begründung eines Wohnsitzes (vgl § 66 Abs 1 JN; § 1 Abs 6 MeldeG) bedarf es (ua) des subjektiven Moments der – nach außen hin erkennbaren – Absicht der betreffenden Person, an dem jeweiligen Ort ihren bleibenden Aufenthalt zu nehmen (vgl Nordmeyer , WK-StPO § 25 Rz 4 f). Ein solches ergibt sich aus dem Akt nicht (vgl insbesondere die Ankündigung des Verurteilten, im Falle der bedingten Entlassung Österreich [ wegen eines Aufenthaltsverbots] zu verlassen; ON 2.3).

[7] Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person (vgl § 66 Abs 2 JN; § 29 JGG) bestimmt sich nicht nach ihrem Willen zur Aufenthaltsnahme, sondern ausschließlich nach tatsächlichen Umständen. Um aber den Aufenthalt zu einem „gewöhnlichen“ zu machen, müssen diese tatsächlichen Umstände – bei objektiver ex-ante-Betrachtung – darauf hindeuten, dass die Person nicht bloß vorübergehend, sondern längere Zeit an dem betreffenden Ort bleiben wird (wofür eine Aufenthaltsdauer von rund sechs Monaten als Orientierungshilfe gilt; RIS-Justiz RS0109116 [T6]).

[8] Nach der Aktenlage (ON 11 und 13) h ie lt sich der Verurteilte zum Zeitpunkt der Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof in S* auf, er wurde aber umgehend nach seiner Haftentlassung am 15. April 2025 seitens des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl „in ein [die Schubhaft substituierendes; vgl § 77 FPG] gelinderes Mittel genommen“ und war die Abschiebung nach Serbien für den 4. Mai 2025 geplant (ON 14).

[9] Ein gewöhnlicher Aufenthalt des Verurteilten im Sprengel des Landesgerichts Salzburg ist nach der Aktenlage somit ebenso wenig indiziert wie ein Wohnsitz (vgl 11 Ns 75/27v).

[10] Die Führung des Vollzugsverfahrens kommt daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – weiterhin dem Landesgericht Innsbruck zu.

Rückverweise