JudikaturOGH

8Ob37/25m – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. April 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, Inhaberin von B* e.U., FN *, vertreten durch Mag. Klaus Hanten und Mag. Clemens Kurz, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei B*, vertreten durch Dr. Christoph H. Hackl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 19.500 EUR, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 15.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2025, GZ 14 R 137/24f 79.1, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. August 2024, GZ 27 Cg 32/21f 72, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.316,40 EUR (darin 219,40 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen wiesen übereinstimmend das Wandlungsbegehren der Klägerin – einer Gebrauchtwagenhändlerin – ab, ihr Zug um Zug gegen Rückgabe eines ihr vom beklagten Privatmann verkauften Gebrauchtautos den hierfür gezahlten Kaufpreis von 15.000 EUR sowie weitere 4.900 EUR aus dem Titel Schadenersatz zu zahlen. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Frage zu, ob – und gegebenenfalls inwiefern – ein triftiger „in der Person“ eines Gebrauchtwagenverkäufers liegender Grund für die Unzumutbarkeit einer Verbesserung des Gebrauchtwagens vorliege, wenn der Verkäufer eine über keinerlei Fachkenntnisse der Fahrzeugreparatur verfügende Privatperson (Konsument) sei, noch dazu, wenn der Gebrauchtwagenkäufer ein professioneller Händler mit eigener Reparaturwerkstätte sei.

Rechtliche Beurteilung

[2] Weder das Berufungsgericht noch die Klägerin zeigen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Revision ist daher entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

[3] 1.1. Vorauszuschicken ist, dass schon das Erstgericht die von der Klägerin in erster Instanz ins Treffen geführten Anspruchsgrundlagen (listige) Irreführung, Schadenersatz und Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes als nicht gegeben erachtet hatte, wogegen sich schon die Berufung der Klägerin nicht mehr gewendet hatte.

[4] Das Berufungsgericht hat weiters darauf hingewiesen, dass die Berufung der Klägerin auf die erstinstanzliche Abweisung des Schadenersatzanspruchs von 4.500 EUR wegen für erfolglose Reparaturversuche frustriert aufgewandten Kosten nicht mehr zurückgekommen ist, weshalb dieser Anspruch aus dem Prozess ausgeschieden sei. Auch dagegen wendet sich die Klägerin in ihrer Revision nicht mehr.

[5] Ungeachtet der sich auf das Berufungsurteil „zur Gänze“ beziehenden Anfechtungserklärung macht die Revision somit ausschließlich Gewährleistungsansprüche von 15.000 EUR zum Gegenstand des Revisionsverfahrens.

[6] 1.2. Auf den am 26. 2. 2020 abgeschlossenen Kaufvertrag zwischen den Parteien sind die Bestimmungen des Gewährleistungsrechtes in der Fassung vor dem Gewährleistungsrichtlinien Umsetzungsgesetz (GRUG; BGBl I 2021/175; vgl das GewRÄG, BGBl I 2001/48) anzuwenden (§ 1503 Abs 20 ABGB), worauf sich alle folgenden Zitate beziehen.

[7] 2.1. Gemäß § 932 Abs 2 und 4 ABGB kann der Übernehmer zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen. Durch den Vorrang der Verbesserung wird sichergestellt, dass der Übergeber zunächst die Gelegenheit bekommt, den vertragsgemäßen Zustand herzustellen. Die Rechtsbehelfe der zweiten Stufe, Preisminderung oder Wandlung, kann der Übernehmer nur geltend machen, wenn die Verbesserung und der Austausch nicht möglich sind, für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wären oder wenn er dem Verlangen des Übernehmers nicht oder nicht in angemessener Frist nachkommt. Ferner kann der Übernehmer diese Rechtsbehelfe der zweiten Stufe fordern, wenn die primäre Abhilfe für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wäre oder wenn ihm die Verbesserung oder der Austausch aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen nicht zumutbar ist; der Übergeber soll also grundsätzlich eine „zweite Chance“ haben, den vertragsgemäßen Zustand herzustellen (7 Ob 37/21y; 6 Ob 85/05a; RS0120246; vgl ErläutRV 422 BlgNR 21. GP 15 ff).

[8] 2.2. Damit die Verbesserung aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen unzumutbar ist, muss es sich um einen qualifizierten Verlust des Vertrauens in die Kompetenz des Übergebers handeln; die Mangelhaftigkeit der Leistung allein reicht noch nicht aus und berechtigt für sich noch nicht zur Wandlung (RS0120247; vgl auch 8 Ob 5/21z Rz 37), jedoch können die Art des Mangels, sein Zustandekommen und andere Umstände die Untüchtigkeit des Übergebers nahelegen, wenn dieser etwa eine schlampige, zu einem Bremsversagen führende Reparatur an der Bremsanlage eines Kfz durchgeführt oder sonstige Fehler begangen hat, die eine besondere Sorglosigkeit und Nachlässigkeit des Übergebers nahelegen (vgl nochmals ErläutRV 422 BlgNR 21. GP 18).

[9] Ein sekundärer Gewährleistungsbehelf ist auch dann möglich, wenn der Übergeber die Verbesserung der mangelhaften Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, mag er auch irrtümlich der Ansicht sein, dass keine Nacherfüllungspflicht besteht; wenn er jedoch bloß rechtliche Zweifel äußert, ob die Leistung überhaupt mangelhaft ist und somit eine Verbesserungsfrist besteht, liegt noch keine endgültige Erfüllungsverweigerung vor (8 Ob 145/10x mwN). Da der mit einem Mängelvorwurf des Übernehmers konfrontierte Übergeber ohne Überprüfung der Sache die Richtigkeit des Vorwurfes nicht beurteilen kann, muss er Gelegenheit haben, die Sache auf den angeblichen Mangel hin zu untersuchen, bevor von ihm erwartet werden kann, dass er eine Verbesserungspflicht anerkennt, ohne dass darin eine (endgültige) Verweigerung eines Verbesserungsanspruchs zu erblicken wäre (vgl 8 Ob 5/21z Rz 27 und 37; RS0133663).

[10] 2.3. Wer Gewährleistung geltend macht, muss konkrete Mängel zumindest durch Beschreibung der auf ihr Vorhandensein hinweisenden Folgen behaupten (3 Ob 150/04m = RS0018731 [T3]) und darauf Bezug nehmend ein konkretes Begehren auf Verbesserung dieses konkreten Mangels erheben (vgl 8 Ob 36/24p). Für das Vorliegen der Voraussetzungen einer sofortigen Inanspruchnahme eines sekundären Gewährleistungsbehelfs ist der Übernehmer behauptungs und beweispflichtig (RS0122927 [T4]; 8 Ob 145/10x).

[11] 2.4. Ebenso wie die Auslegung einzelfallbezogener rechtsgeschäftlicher Parteienerklärungen keine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung hat (vgl RS0042936; RS0044358), beruht auch die Frage, ob eine Leistungsverweigerung vorliege, auf der einzelfallbezogenen Bewertung des jeweiligen Verhaltens der Streitteile (vgl schon zur Rechtslage vor dem GewRÄG: 5 Ob 195/09a = RS0018722 [T5] = RS0120247 [T3] = RS0018702 [T8] = RS0122927 [T5] = RS0016577 [T3]), und wirft daher – vom (hier nicht vorliegenden) Fall unvertretbarer Fehlbeurteilung abgesehen – keine erheblichen Rechtsfragen auf.

[12] 3.1. Die Klägerin hatte mehr als ein halbes Jahr nach Übergabe dem Beklagten gegenüber vorerst unsubstanziiert behauptet, das Auto sei „nicht in Ordnung und total kaputt“, dies jedoch nicht näher erläutert, keine Verbesserung verlangt und dem Beklagten das Fahrzeug nach Übergabe auch nie wieder überlassen. Mehr als ein Jahr nach Übergabe erhob sie unmittelbar ein Wandlungsbegehren, was sie im ersten Rechtsgang gar nicht und erst über Auftrag des Berufungsgerichts im weiteren Rechtsgang damit begründete, dass der Beklagte eine Verbesserung verweigert habe und zudem selbst kein Automechaniker sei, weshalb eine Mängelverbesserung durch ihn nicht zumutbar wäre.

[13] 3.2. Die Vorinstanzen haben zu dieser Sachverhaltskonstellation übereinstimmend die Ansicht vertreten, dass die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines sekundären Gewährleistungsbehelfs nicht vorlägen.

[14] Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der Rechtsprechung sowie des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums, ohne dass erhebliche Rechtsfragen zu beantworten wären.

[15] 3.3. Die vom Berufungsgericht aufgeworfene – und als Schwerpunkt der Revision aufgegriffene – Zulassungsfrage stellt sich nicht, weil dem Gesetz nicht einmal ansatzweise zu entnehmen ist, dass der Übergeber eine Verbesserung – von hier nicht vorliegenden Sonderkonstellationen abgesehen, in welchen die Art des Mangels, sein Zustandekommen oder andere konkrete Umstände eine relevante Untüchtigkeit des Übergebers selbst nahelegen würden – jedenfalls höchstpersönlich zu erbringen hätte. Wollte man dies annehmen, so könnten etwa einem Verbraucher gegenüber regelmäßig sogleich sekundäre Gewährleistungsbehelfe geltend gemacht werden, was dem Gesetz aber nicht ernsthaft unterstellt werden kann. Vielmehr wird etwa ein Verbraucher wie der Beklagte als Übergeber eines Fahrzeuges regelmäßig fachlich nicht in der Lage sein, selbst eine Verbesserung vorzunehmen, weshalb er sich eines entsprechend geeigneten Professionisten bedienen wird und darf; das Verhalten und die Fähigkeiten solcher Erfüllungsgehilfen sind nämlich grundsätzlich ebenso wie Verhalten und Fähigkeiten des Übergebers selbst zu behandeln (vgl 8 Ob 14/08d mwN). Von dieser klaren Rechtslage geht die Rechtsprechung auch aus, wenn sie – im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Selbstverbesserung des Übernehmers – festhält, dass ein privater Verkäufer, der nicht über die Möglichkeiten verfügt, die Verbesserung selbst vorzunehmen, grundsätzlich die Kosten einer angemessenen Verbesserung durch entsprechende Professionisten aufzuwenden hat (RS0123969).

[16] 3.4. Dass in der Prozessführung (Bestreitung des Gewährleistungsanspruchs dem Grunde nach) nicht zwingend eine im Sinne der eingangs dargelegten Rechtsprechung endgültige Verweigerung der Verbesserung zu erblicken wäre, ist zumindest vertretbar. Die Revision kann nicht nachvollziehbar erklären, warum trotz des klaren Wortlautes des Gesetzes, wonach die Klägerin primär eine Verbesserung „verlangen“ hätte müssen (§ 932 Abs 1 ABGB), es hier am Beklagten gelegen sein sollte, eine Verbesserung „anzubieten“, obwohl niemals ein konkretes Verlangen auf Verbesserung eines konkreten Mangels (vgl 8 Ob 36/24p Rz 11) erhoben, an den Beklagten herangetragen oder zum Gegenstand des Klagebegehrens gemacht worden ist.

[17] Warum anstelle der Wandlung der andere sekundäre Gewährleistungsbehelf – die bislang auch nicht „hilfsweise“ begehrte Preisminderung – berechtigt sein sollte, ist nicht nachvollziehbar.

[18] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision konkret hingewiesen (vgl RS0112296). Gegenstand des Revisionsverfahrens wurden aber – wie eingangs (Pkt 1.1.) dargelegt – nur Gewährleistungsansprüche von 15.000 EUR (Ansatz TP 3C daher 729,60 EUR).

Rückverweise