JudikaturOGH

14Os116/24a – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Januar 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Jänner 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin FI Jäger in der Strafsache gegen M* H* wegen Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 19. September 2024, GZ 7 Hv 40/24b 23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Linz zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde mit dem angefochtenen Urteil M* H* zweier Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB (I./1./ und 2./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in P*

I./ gegen die nachstehenden Personen länger als ein Jahr fortgesetzt Gewalt ausgeübt, und zwar

1./ in den Jahren 2017 bis 2023 gegen seine am * 2006 geborene, sohin bis Mitte Dezember 2020 unmündige Stieftochter J* H*, indem er anfangs ein bis zwei Mal monatlich und später teils wöchentlich grundlos oder wegen Kleinigkeiten an ihren Ohren und Haaren riss, ihr Schläge mit der flachen Hand versetzte, wiederholt gegen ihre Oberschenkel trat, sie fest an ihren Oberarmen packte und schubste und sie schließlich zu Silvester 2022/2023 mit dem Kopf gegen eine Wand stieß, in den Schwitzkasten nahm und sodann über mehrere Minuten derart heftig würgte, dass sie nahezu ihr Bewusstsein verlor und Blut hustete, wobei er sie im Rahmen der fortgesetzten Gewaltausübung wiederholt in Form von Hämatomen insbesondere an den Oberarmen verletzte;

2./ in den Jahren 2017 bis 2023 gegen seinen am * 2010 geborenen, sohin unmündigen Sohn Ma* H*, indem er anfangs zumindest ein Mal und ab 2021 mehrmals wöchentlich grundlos oder wegen Kleinigkeiten an seinen Ohren und Haaren riss, ihm Schläge mit der flachen Hand insbesondere in das Gesicht versetzte, wiederholt gegen seine Oberschenkel trat, ihn schubste und wiederholt durch die sinngemäße Äußerung, dass er ihn umbringen werde, gefährlich zumindest mit einer Körperverletzung bedrohte, um ihn dadurch in Furcht und Unruhe zu versetzen, wobei er ihn im Rahmen der fortgesetzten Gewaltausübung wiederholt in Form von Hämatomen insbesondere am Oberschenkel, aber auch am Schienbein und beim Handgelenk, sowie in Form von Nasenbluten verletzte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Der Tatsachenrüge (Z 5a) voranzustellen ist, dass diese nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung – durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel unter gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiserwägungen – verhindern soll. Rügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung durch den Obersten Gerichtshof abzielen, beantwortet dieser – um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen – ohne eingehende Erwägungen (RIS Justiz RS0118780).

[5] Der Beschwerdeführer kritisiert zunächst, dass sich das Schöffengericht auch auf eine im Rahmen der kontradiktorischen Vernehmung der Zeugin J* H* abgespielte Tonaufnahme von einem Vorfall am 26. Dezember 2023 gestützt hat (US 11), obwohl die vom Mobiltelefon der Zeugin abgespielte Aufnahme größtenteils unverständlich gewesen sei, die Stimmen den am Vorfall beteiligten Personen nicht eindeutig zuordenbar gewesen seien und n icht überprüfbar gewesen sei, von wann diese stammte. Aus Sicht des Beschwerdeführers sei nur eindeutig hörbar gewesen, dass er von seinem Sohn als „Du Hurensohn“ beschimpft worden sei .

[6] Er vernachlässigt zunächst die Gesamtheit der diesbezüglichen Erwägungen der Tatrichter, wonach die Tonaufnahme ermöglicht habe, sich „ ein eindrückliches Bild von einem derart eskalierenden Streit zwischen dem Angeklagten und Ma* H* (zu) machen“, und aufgrund dieser „in Zusammenschau mit den nachvollziehbaren Angaben des Opfers Ma * und A* H*“ davon auszugehen sei, dass bei diesem Vorfall Gewalt in Form eines Schlages ins Gesicht stattgefunden hat (US 11). Darüber hinaus ist der Umstand, dass aus von den Tatrichtern angeführten Prämissen auch für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen hätten gezogen werden können, für sich allein nicht geeignet, erhebliche Bedenken iSd Z 5a aufzuzeigen (RIS Justiz RS0099674).

[7] Gleiches gilt für Überlegungen zum Beweiswert der vom Erstgericht berücksichtigten (US 11), Verletzungen des Ma* H* dokumentierenden Lichtbilder. Vielmehr erschöpfen sich Erwägungen, wonach aus den Bildern weder der Zeitpunkt der Entstehung der Verletzungen und Narben noch deren Ursache ableitbar seien, und „Buben in diesem Alter bei jedem Fußballspiel oder bei jeder Radausfahrt derartige Mini-Narben nach Hause bringen können“, in Beweiswürdigungskritik nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) – Schuldberufung.

[8] I m Zusammenhang mit den beiden zuvor genannten Beweismitteln kritisiert die Beschwerde auch, dass die Tonaufnahme von der Polizei weder sichergestellt noch in ein Wortdokument übertragen worden sei, und hinsichtlich der Lichtbilder weder von der Ermittlungsbehörde noch vom Gericht „eine medizinische Befundung oder sonstige fachliche Beurteilung“ derselben veranlasst worden sei, obwohl eine solche „ im Hinblick auf den vom Erstgericht zweifelsfrei hergestellten Konnex zwischen dem inkriminierten Vorfall vom 26.12.2023 und derartigen Verletzungsfolgen laut Bildern am 15.01.2024 geboten“ gewesen wäre . Das Erstgericht habe sich auf die Beweismittel bezogen, „ohne hierzu im Rahmen der Verfahrens- und Verhandlungsf ührung ausreichende Aufklärungsarbeit zu leisten“.

[9] Mit den bloßen Behauptungen, es sei „selbstredend, dass der Angeklagte nicht angehalten sein kann, möglicherweise sich stärker belastende Beweisanträge zu stellen“, und die Vorsitzende habe eine Belehrung des Angeklagten unterlassen , dass diese (vermeintlich harmlosen) Lichtbilder ernsthaft als belastende und maßgebliche Beweismittel in Erwägung“ gezogen würden, andernfalls „ein entsprechender Beweisantrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens“ eingebracht werden hätte können, legt die Beschwerde – im Hinb lick auf die Subsidiarität der Aufklärungsrüge gegenüber der Verfahrensrüge – nicht dar, dass der Angeklagte an seinen Antragsrechten in der Hauptverhandlung tatsächlich gehindert gewesen wäre (RIS Justiz RS0114036, RS0115823).

[10] Soweit die Beschwerde einen „ Wertungswiderspruch im Rahmen der Beweiswürdigung“ ortet, weil zwar zum Schuldspruch zu I./ die Aussagen der Opfer als in sich konsistent und überzeugend übernommen, hingegen zum den Freispruch betreffenden Sachverhalt „genau die gleichen Aussagen der Opfer“ als „völlig unglaubwürdig“ beurteilt worden seien, wird von Vornherein kein Nichtigkeitsgrund zur Darstellung gebracht, sondern in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik geübt (vgl im Übrigen RIS Justiz RS0098372). Gleiches gilt für Hinweise auf die Begründung der Staatsanwaltschaft zur Einstellung des gegen den Angeklagten geführten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der fortgesetzten Gewaltaus übung auch zum Nachteil von weiteren Kindern desselben.

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise