JudikaturOGH

4Ob63/24d – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Januar 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Mag. Helmut Gruber, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch Mag. Rolf Gabron, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen Unterlassung (Streitwert 6.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2024, GZ 3 R 216/23h 40, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 3. Juli 2023, GZ 5 C 180/21m 34, mit einer Maßgabe bestätigt wurde,

I. den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben, soweit damit eine Nichtigkeit der Berufungsentscheidung geltend gemacht wird. Das angefochtene Urteil wird als nichtig aufgehoben, soweit das Berufungsgericht im Rahmen einer „Maßgabe“ den Einschub in Punkt 2. „welche nicht der laufenden Verwaltung zuzuordnen sind“ entfallen ließ; insofern wird das Ersturteil wieder hergestellt.

II. zu Recht erkannt:

Im Übrigen wird der Revision der beklagten Partei nicht Folge gegeben.

Das erstinstanzliche Urteil hat daher in der Hauptsache unter Einschluss des weiteren, bereits in Rechtskraft erwachsenen Punktes 1. und mit einer Maßgabe bei der Grundstücksbezeichnung sowie bei der Abweisung des Mehrbegehrens wie folgt zu lauten:

1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, die einseitige Ausübung von Verwaltungs- und Verfügungsbefugnissen, welche eigenmächtige Handlungen betreffen, betreffend die Liegenschaft samt Wohnhaus auf dem Grundstück *, in Hinkunft ohne Einwilligung der Klägerin zu unterlassen, wird abgewiesen.

2. Die beklagte Partei ist schuldig, die einseitige Beauftragung und Durchführung von Bauarbeiten, welche nicht der laufenden Verwaltung zuzuordnen sind, betreffend die Liegenschaft samt Wohnhaus auf dem Grundstück *, in Hinkunft ohne Einwilligung der Klägerin zu unterlassen.

3. Das Eventual Mehrbegehren, die beklagte Partei allgemein für schuldig zu erkennen, die einseitige Beauftragung und Durchführung von Bauarbeiten betreffend die in Punkt 2. genannte Liegenschaft samt Wohnhaus in Hinkunft ohne Einwilligung der Klägerin zu unterlassen, wird abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 877,90 EUR (darin enthalten 146,32 EUR an USt) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist seit dem Jahr 2015 durch Schenkung grundbücherliche Alleineigentümerin einer in Österreich gelegenen Liegenschaft mit einem Wohnhaus. Diese Liegenschaft stand zuvor im Alleineigentum ihres Sohnes, der sie während aufrechter Ehe mit der Beklagten anschaffte und gemeinsam mit der Beklagten als Feriendomizil nutzte. Die Ehe, die im Jahr 2013 geschieden wurde, und damit auch die Liegenschaft, unterlag slowenischem Ehegüterrecht; ein Aufteilungsverfahren nach slowenischem Recht wurde bislang nicht durchgeführt. Seit die Beklagte nach der Trennung im Jahr 2013 eigenmächtig die Liegenschaft bezog, um dort ihren neuen Hauptwohnsitz zu begründen, kam es zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten.

[2] Im gegenständlichen Verfahren erklärte der Senat bereits zu 4 Ob 53/22f den streitigen Rechtsweg für ein Unterlassungsbegehren der Klägerin für zulässig.

[3] Nach mehreren Klagsmodifikationen begehrte die Klägerin zuletzt, die Beklagte für schuldig zu erkennen, „die einseitige Ausübung von Verwaltungs- und Verfügungsbefugnissen, welche eigenmächtige Handlungen betreffen, betreffend die Liegenschaft samt Wohnhaus [...] in Hinkunft ohne Einwilligung der Klägerin zu unterlassen“ ; in eventu „die einseitige Beauftragung und Durchführung von Bauarbeiten betreffend die Liegenschaft samt Wohnhaus [...] in Hinkunft ohne Einwilligung der Klägerin zu unterlassen“ .

[4] Auch wenn das gemeinsame Vermögen der Eheleute nach slowenischem Ehegüterrecht im Gesamthandeigentum stehe, könne die Klägerin ungerechtfertigte Eingriffe der Beklagten in ihr Alleineigentum abwehren. Die Beklagte habe eigenmächtig nicht notwendige und unangemessen teure Reparaturarbeiten beauftragt und verlange nun von ihr die Hälfte dieser Kosten. Die Wiederholungsgefahr sei zu vermuten.

[5] Die Beklagte beantragte die Klage abzuweisen, und berief sich auf ihr Gesamthandeigentum nach slowenischem Ehegüterrecht und ein daraus abgeleitetes Nutzungsrecht, das die Klägerin bei Schenkung der Liegenschaft gekannt habe. Die Sanierung der morschen Holzterrasse sei wegen Gefahr im Verzug notwendig gewesen und der Klägerin mehrfach angekündigt worden.

[6] Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab und erkannte die Beklagte für schuldig, „die einseitige Beauftragung und Durchführung von Bauarbeiten, welche nicht der laufenden Verwaltung zuzuordnen sind , betreffend die Liegenschaft samt Wohnhaus [...] in Hinkunft, ohne Einwilligung der Klägerin, zu unterlassen“ .

[7] Es ging davon aus, dass das (nach österreichischem Sachenrecht begründete) Alleineigentum der Klägerin durch ein (aus dem slowenischen Ehegüterrecht abgeleitetes und durch die Schenkung nicht untergegangenes) Nutzungsrecht der Beklagten eingeschränkt werde.

[8] Während das Erstgericht das Hauptbegehren für unschlüssig und unbestimmt und in Widerspruch zu slowenischem Recht stehend qualifizierte, erachtete es die Klägerin hinsichtlich des Eventualbegehrens „mit Einschränkungen“ im Recht. Die Beauftragung einer vollständigen Terrassensanierung um 64.000 EUR, ohne dass Gefahr im Verzug festgestellt hätte werden können, sei kein Fall einer laufenden Verwaltung, zu der die Beklagte nach Ansicht des Erstgerichts auch alleine berechtigt sei. Die Beklagte habe durch diese eigenmächtige Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung, die auch als „Bauarbeiten“ im Sinne des Eventualbegehrens verstanden werden könne, ihr Nutzungsrecht überschritten. Da sie nicht unter Beweis stellen habe können, dass sie in Zukunft von weiteren (außergewöhnlichen) Reparatur- oder Sanierungsaufträgen Abstand nehmen werde, liege Wiederholungsgefahr vor. Das Eventualbegehren sei aber „zur allgemeinen Klarstellung und aufgrund der dargestellten Erwägungen dahingehend einzuschränken […], dass vom Begriff der Bauarbeiten solche auszunehmen waren, die der laufenden (ordentlichen) Verwaltung zuzuordnen sind“.

[9] Gegen diese Entscheidung erhob ausschließlich die Beklagte eine Berufung , mit der sie eine vollständige Klagsabweisung erreichen wollte, und in der sie ua geltend machte, dass das Erstgericht unzulässiger Weise ein Aliud und kein Minus zugesprochen habe, zumal es auch kein Mehrbegehren abgewiesen habe.

[10] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und bestätigte das Ersturteil mit der „Maßgabe“, dass es den Einschub „welche nicht der laufenden Verwaltung zuzuordnen sind“ entfallen ließ und daher dem Eventualbegehren in der von der Klägerin zuletzt begehrten Fassung stattgab. Dieser Einschub begründe weder eine Nichtigkeit, noch einen Verfahrensmangel, zumal es gar nicht auf die Unterscheidung zwischen laufender und außerordentlicher Verwaltung ankomme. Die Beklagte dürfe bei einem gemeinschaftlichen Vermögen nämlich Bauarbeiten unabhängig von deren Zuordnung nicht eigenmächtig vornehmen, sondern sei auf gemeinsames Handeln beschränkt. Der vom Erstgericht hinzugefügten Einschränkung bedürfe es daher nicht, vielmehr sei das Eventualbegehren in seiner letzten Fassung berechtigt. Daher könne auch kein Verstoß gegen § 405 ZPO vorliegen, und der Spruch des Ersturteils sei im Rahmen einer Maßgabebestätigung zu modifizieren.

[11] Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision wegen einer Einzelfallbezogenheit der Fragestellungen nicht zu.

[12] Mit ihrer außerordentlichen Revision macht die Beklagte eine Nichtigkeit, in eventu Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung wegen Überschreitung der Berufungsanträge geltend und im Übrigen eine unrichtige rechtliche Beurteilung und begehrt die Abweisung des Eventualbegehrens; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[13] Die Klägerin beantragt in ihrer vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die Revision ist im Hinblick auf eine der Berufungsentscheidung anhaftende Nichtigkeit zulässig und – im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung – teilweise berechtigt .

I. Zur Nichtigkeit:

[15] Sowohl aus dem Spruch des Ersturteils, als auch aus den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen geht unzweifelhaft hervor, dass das Eventualbegehren der Klägerin, „die einseitige Beauftragung und Durchführung von Bauarbeiten […] ohne Einwilligung der Klägerin zu unterlassen“ , durch den vom Erstgericht eingefügten Zusatz, „welche nicht der laufenden Verwaltung zuzuordnen sind“ , eingeschränkt werden sollte. Berichtigungsfähig iSd § 419 ZPO ist angesichts dieses eindeutigen Entscheidungswillens lediglich der Umstand, dass das Erstgericht das Mehrbegehren nicht abwies, was nunmehr im Rahmen der Revisionsentscheidung als Maßgabebestätigung nachgeholt wird (vgl RS0041532).

[16] Selbst wenn man nicht davon ausgehen würde, dass das Erstgericht über das gesamte Eventualbegehren abgesprochen hat, wäre aber der von ihm nicht abgewiesene Teil mangels Berufung der Klägerin oder Ergänzungsantrag nach § 423 ZPO aus dem Verfahren ausgeschieden (vgl RS0041818, RS0041490, RS0039606; 4 Ob 218/22w).

[17] Die Beklagte bekämpft die verfehlte „Maßgabebestätigung“ durch das Berufungsgericht zutreffend mit Revision (vgl RS0134235). Soweit das Berufungsgericht dem Eventualbegehren in der von der Klägerin zuletzt beantragten, unbeschränkten Form stattgab, ist seine Entscheidung wegen eines Verstoßes gegen das Verschlechterungsverbot nichtig iSd § 477 ZPO (vgl RS0107779, RS0041170), sodass der Revision in diesem Punkt Folge zu geben und die Entscheidung des Berufungsgerichts insoweit mit Beschluss als nichtig aufzuheben ist (vgl 8 ObA 28/06k, 4 Ob 188/13w, 9 Ob 2/15g).

II. Zur Sachentscheidung:

[18] Keine Berechtigung kommt der Revision zu, soweit sie die gänzliche Abweisung des Eventualbegehrens begehrt.

[19] Zunächst ist festzuhalten, dass die Klägerin ihre Unterlassungsbegehren nach wie vor auf unberechtigte Eingriffe in ihr Alleineigentum stützt, und der streitige Rechtsweg ungeachtet der mehrfachen Klagsänderungen für die konkreten Begehren (weiterhin) zulässig ist.

[20] Auf den von der Beklagten in der Berufung behaupteten Verstoß gegen § 405 ZPO wegen Zuspruchs eines Aliuds durch das Erstgericht sowie die Qualifikation der Terrassensanierung als Maßnahme der „außerordentlichen Verwaltung“ kommt die Revision nicht mehr zurück. Wenn sie damit argumentiert, dass der Gebrauch einer Sache durch einen Miteigentümer zulässig sei, soweit dadurch nicht der Gebrauch des anderen gestört werde, und die Klägerin keinen Gebrauchswunsch habe, geht sie nicht von den erstinstanzlichen Feststellungen aus, laut denen die Klägerin die Liegenschaft als Ferienhaus für die Familie nutzen und/oder vermieten wolle, und ist daher in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RS0043312).

[21] Im Übrigen lässt sich aus der Argumentation der Beklagten zum Gebrauch einer Sache sowie zum slowenischen Ehegüterrecht und den österreichischen Regelungen zum Miteigentum nicht schlüssig nachvollziehen, warum sie für Bauarbeiten, die über die laufende Verwaltung hinausgehen, nicht die Zustimmung der Klägerin als Alleineigentümerin der Liegenschaft bedürfte.

[22] Im Ergebnis ist daher das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen, wenn auch mit der oben erläuterten Maßgabe, dass das Eventual Mehrbegehren abzuweisen ist. Weiters war bei der Neufassung des Spruchs zu berücksichtigen, dass es sich unstrittig um die EZ * der KG * und nicht der KG * handelt.

III. Zur Kostenentscheidung:

[23] 4.1 Bei einer Wiederherstellung des Ersturteils ist nach ständiger Rechtsprechung (RS0036069 [T1]; zuletzt 6 Ob 142/23k) auf die Argumente einer Kostenrüge Bedacht zu nehmen, die das Berufungsgericht wegen der Abänderung bzw Aufhebung in der Hauptsache (hier: wegen der verfehlten „Modifikation“) nicht zu behandeln hatte.

[24] Dabei kann den Vorinstanzen gefolgt werden, dass der Streitwert des Eventualbegehrens jenem des Hauptbegehrens entspricht, nämlich 6.000 EUR (vgl RS0109031).

[25] Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts steht der Klägerin für das erstinstanzliche Verfahren aber schon deswegen kein voller Kostenersatz nach § 41 ZPO (gemeint wohl: § 43 Abs 2 1. Fall ZPO, vgl RS0109703, RS0110839) zu, weil sie lediglich mit einem Teil ihres Eventualbegehrens obsiegte. Da die Klägerin nur ein Verbot hinsichtlich „außerordentlicher“ Bauarbeiten erreichte, die Beklagte jedoch ihren Rechtsstandpunkt hinsichtlich der laufenden Verwaltung durchsetzen konnte, ist von einem im Wesentlichen gleichteiligen Obsiegen und einer Kostenaufhebung iSd § 43 Abs 1 ZPO auszugehen. Der Klägerin sind daher lediglich 50 % ihrer Barauslagen (Pauschalgebühr für die Klage) zuzusprechen, das sind 167,50 EUR.

[26] 4.2 Das Verfahren über die Berufung der Beklagten hatte aufgrund der rechtskräftigen Teilabweisung demzufolge einen Streitwert von 3.000 EUR.

[27] Die Klägerin war insoweit zur Gänze erfolgreich und erhält daher Kostenersatz für ihre Berufungsbeantwortung auf dieser Basis gemäß § 41 iVm § 50 ZPO (sohin 731,90 EUR, darin 121,98 EUR an 20%iger USt gemäß § 3a Abs 7 UStG).

[28] Die Beklagte verzeichnete gesonderte Kosten im Kostenrekursverfahren, in dem sie im Ergebnis mit 3.133,50 EUR erfolgreich war. Ihr sind daher Kosten nach TP 3A auf dieser Basis zuzusprechen, sohin 333,70 EUR, darin 55,62 EUR an USt (vgl § 11 RATG; 7 Ob 112/09k, 6 Ob 142/23k mwN).

[29] 4.3 Im Revisionsverfahren war die Beklagte nur in Bezug auf die (teilweise) Nichtigkeit des Berufungsurteils erfolgreich, wobei insofern mit Kostenaufhebung gemäß § 51 Abs 2 ZPO vorzugehen ist, weil kein Verschulden einer Partei iSd § 51 Abs 1 ZPO vorliegt (vgl 8 ObA 28/06k). Der Beklagten waren in diesem Rahmen 190,50 EUR an anteiligen Pauschalgebühren zuzubilligen.

[30] In der Hauptsache waren der Klägerin wiederum Kosten für ihre erfolgreiche Revisionsbeantwortung gemäß § 41 iVm § 50 ZPO auf Basis von 3.000 EUR zuzusprechen, das sind 502,70 EUR (darin 83,78 EUR an USt).

Rückverweise