9ObA13/24p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Elisabeth Schmied (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Hauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG in Linz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich *, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17–19, 1011 Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 11. Dezember 2023, GZ 11 Ra 50/23m 19, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels vom 7. September 2023, GZ 16 Cga 26/23h-14, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.259,50 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin war ab 7. 4. 2014 als Vertragsbedienstete bei der Beklagten beschäftigt. Sie war ab 16. 11. 2021 durchgehend wegen Krankheit vom Dienst abwesend. Mit Schreiben vom 5. 8. 2022 teilte ihr die Beklagte mit, dass das Dienstverhältnis mit Ablauf des 15. 11. 2022 enden werde, wenn sie bis dahin weiterhin krank sei, da die Krankheit dann ein Jahr andauere.
[2] Die Klägerin vereinbarte daraufhin mit der Beklagten eine Wiedereingliederungsteilzeit für 1. 10. 2022 bis 31. 3. 2023. Dieser Zeitraum wurde in der Folge auf 17. 10. 2022 bis 16. 4. 2023 abgeändert. Nach dieser Vereinbarung sollte die Klägerin 20 Stunden pro Woche, aufgeteilt auf Dienstag, Mittwoch und Donnerstag, arbeiten.
[3] Am ersten Arbeitstag, dem 18. 10. 2022, konsumierte die Klägerin Urlaub. Am 19. 10. 2022 und 20. 10. 2022 arbeitete sie. Am 25. 10. 2022 war sie krank. Am 27. 10. 2022, 2. 11. 2022 und 3. 11. 2022 arbeitete sie. In der darauffolgenden Woche konsumierte sie am Dienstag Erholungsurlaub und war Mittwoch und Donnerstag krank. Am 15. 11. 2022 arbeitete sie. Am 16. und 17. 11. 2022 war sie krank. Am 22. 11. 2022 trat sie ihren Dienst um 7:35 Uhr an und war anschließend ab 9:40 Uhr bis einschließlich 1. 12. 2022 krank.
[4] Am 6. 12. 2022, 7. 12. 2022 und 13. 12. 2022 arbeitete sie. Am 14. 12. 2022 blieb sie der Dienststelle fern. Ab 15. 12. 2022 war sie krank. Mit Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 17. 1. 2023 wurde sie ab 20. 12. 2022 bis 28. 1. 2023 krank geschrieben.
[5] Mit Schreiben vom 18. 1. 2023 informierte die Beklagte die Klägerin, dass ihr Dienstverhältnis nach einjähriger Dienstverhinderung mit 19. 1. 2023 ende.
[6] Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihr Dienstverhältnis über den 19. 1. 2023 hinaus im Rahmen der vereinbarten Wiedereingliederungsteilzeit mit Teilzeitbeschäftigung von 20 Wochenstunden und über den 1. 4. 2023 hinaus auf unbestimmte Zeit mit Vollbeschäftigung aufrecht sei. Durch die Vereinbarung einer Wiedereingliederungs-teilzeit habe die Beklagte auf die Auflösungsmöglichkeit nach § 24 Abs 9 VBG 1948 verzichtet.
[7] Die Beklagte bestreitet. Die Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit sei nicht - auch nicht implizit - als Vereinbarung der Fortsetzung des Dienstverhältnisses im Sinn des § 24 Abs 9 VBG 1948 anzusehen, zumal die Wiedereingliederungsteilzeit tatsächliche Dienstfähigkeit voraussetze.
[8] Das Erstgericht wies die Klage ab. Durch den Abschluss einer Wiedereingliederungsteilzeitvereinbarung verzichte der Dienstgeber nicht auf eine Beendigung gemäß § 24 Abs 9 VBG 1948 für den Fall einer neuerlichen Erkrankung des Vertragsbediensteten. Das Dienstverhältnis der Klägerin habe daher mit Ablauf des 19. 1. 2023 geendet.
[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin gegen diese Entscheidung nicht Folge. Gemäß § 24 Abs 9 VBG 1948 ende dann, wenn Dienstverhinderungen wegen Unfall oder Krankheit ein Jahr dauern, das Dienstverhältnis des Vertragsbediensteten mit Ablauf dieser Frist, es sei denn, dass vorher seine Fortsetzung vereinbart worden sei. Bei der Berechnung der einjährigen Frist gelte eine Dienstverhinderung, die innerhalb von sechs Monaten nach Wiederantritt des Dienstes eintrete, als Fortsetzung der früheren Dienstverhinderung. Entgegen der Ansicht der Klägerin stelle die Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit keine (konkludente) Fortsetzungsvereinbarung im Sinn des § 24 Abs 9 VBG 1948 dar. Dem Abschluss einer Wiedereingliederungsteilzeitvereinbarung liege für ihren Geltungszeitraum die Annahme der Dienstfähigkeit des Dienstnehmers im vereinbarten eingeschränkten Arbeitszeitausmaß zu Grunde. Die Klägerin habe aufgrund des Abschlusses dieser Vereinbarung nicht darauf vertrauen dürfen, dass der beklagte Dienstgeber (schlüssig) auf eine Anwendung des § 24 Abs 9 VBG 1948 verzichtet, weil sie auch eine Arbeitsverpflichtung, wenn auch im eingeschränkten Ausmaß, getroffen habe. Damit habe sie weiterhin mit einer automatischen Vertragsauflösung rechnen müssen, wenn sie nicht einmal zur Erbringung der zeitlich eingeschränkten Arbeitsverpflichtung in der Lage sei.
[10] Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil zur Frage, ob der Abschluss einer Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit als Fortsetzungsvereinbarung im Sinn des § 24 Abs 9 VBG 1948 anzusehen sei, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
[11] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass der Klage stattgegeben wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[12] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
[13] Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[14] 1. Nach § 24 Abs 9 VBG 1948 endet das Dienstverhältnis eines Vertragsbediensteten, wenn Dienst-verhinderungen (unter anderem) wegen Unfall oder Krankheit ein Jahr gedauert haben, mit Ablauf dieser Frist, es sei denn, dass vorher seine Fortsetzung vereinbart wurde. Bei der Berechnung der einjährigen Frist gilt eine Dienstverhinderung, die innerhalb von sechs Monaten nach Wiedereintritt des Dienstes eintritt, als Fortsetzung der früheren Dienstverhinderung. Der Dienstgeber hat den Vertragsbediensteten spätestens drei Monate vor Ablauf der Frist nachweislich vom bevorstehenden Ende des Dienstverhältnisses zu verständigen.
[15] 2. Bereits im Berufungsverfahren war die Erfüllung der zeitlichen Voraussetzungen des § 24 Abs 9 VBG 1948 nicht mehr strittig. Ebenso wenig, dass die Beklagte ihrer Verständigungspflicht entsprochen hat.
[16] Strittig ist nur die Frage, ob die Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit eine Fortsetzungsvereinbarung iSd § 24 Abs 9 VBG 1948 darstellt.
[17] 3. Nach § 20c Abs 1 VBG 1948 kann eine Vertragsbedienstete oder ein Vertragsbediensteter nach einer mindestens sechswöchigen ununterbrochenen Dienstverhinderung wegen Unfall oder Krankheit (Anlassfall) mit dem Dienstgeber schriftlich eine Herabsetzung ihrer oder seiner regelmäßigen Wochendienstzeit um mindestens ein Viertel und höchstens die Hälfte (Wiedereingliederungsteilzeit) für die Dauer von mindestens einem Monat bis zu sechs Monaten vereinbaren, wenn das Dienstverhältnis ununterbrochen drei Monate gedauert hat. Die Wiedereingliederungsteilzeit muss spätestens einen Monat nach dem Ende der Dienstverhinderung im Sinne des ersten Satzes angetreten werden. Ausdrückliche Voraussetzung für den Abschluss einer solchen Vereinbarung ist eine Bestätigung über die Dienstfähigkeit der oder des Vertragsbediensteten für die Zeit ab Beginn der Wiedereingliederungsteilzeit.
[18] Nach den ErläutRV 196 BlgNR 26. GP 13 schafft die Ausübung der Wiedereingliederungsteilzeit keinen Sonderstatus zwischen „dienstfähig“ und „dienstunfähig“. Im Rahmen der Wiedereingliederungsteilzeit gilt die oder der Vertragsbedienstete als absolut dienstfähig. Voraussetzung für den Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit ist daher eine ärztliche Bestätigung über die Dienstfähigkeit der oder des Vertragsbediensteten. Diese muss zum Antrittszeitpunkt gegeben sein.
[19] 4. Die Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit entspricht daher im Wesentlichen der normalen Rückkehr ins Dienstverhältnis nach Wiederherstellung der Dienstfähigkeit. Der Unterschied liegt nur in der Herabsetzung der Arbeitszeit, die es dem Dienstnehmer nach einem Unfall oder einer Erkrankung erleichtern soll, in den Arbeitsprozess zurückzukehren.
[20] Damit besteht aber kein Unterschied zwischen dem Wiederantritt des Dienstes aufgrund einer vollständigen Genesung und dem aufgrund der Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit. Dementsprechend greift daher die Grundregelung des § 24 Abs 9 VBG 1948, dass bei der Berechnung der einjährigen Frist eine Dienstverhinderung, die innerhalb von sechs Monaten nach Wiederantritt des Dienstes eintritt, als Fortsetzung der früheren Dienstverhinderung gilt.
[21] 5. Dagegen liegt der in § 24 Abs 9 1. Satz VBG 1948 vorgesehenen Möglichkeit der Vereinbarung einer Fortsetzung des Dienstverhältnisses trotz einer mehr als ein Jahr andauernden Dienstverhinderung regelmäßig ein zu erwartendes Fortbestehen eben dieser Dienstverhinderung zugrunde. Der Dienstnehmer kann zwar den Dienst mangels Dienstfähigkeit nicht wieder antreten, dessen ungeachtet soll – etwa wegen eines absehbaren Endes der Dienstunfähigkeit oder zur Unterstützung des Genesungsprozesses – die Beendigung durch Zeitablauf verhindert werden.
[22] Dieser Fall liegt – wie dargelegt – bei der Wiedereingliederungsteilzeit gerade nicht vor. Entgegen der Revision bedarf es im Fall der Wiedereingliederungsteilzeit üblicherweise gerade keiner Fortsetzungsvereinbarung und keines Verzichts auf die Auflösungsmöglichkeit, weil der Dienst ja wieder verrichtet werden kann.
[23] 6. Da die Wiedereingliederungsteilzeit-vereinbarung die Möglichkeit der Erbringung der Dienstleistung voraussetzt, ist keine Vergleichbarkeit mit einer Karenzierungsvereinbarung, nach der keine Dienstleistung zu erbringen ist, gegeben. Auf die diesbezüglichen Argumente in der Revision muss daher nicht weiter eingegangen werden.
[24] 7. Die Klägerin übersieht auch, dass Wiedereingliederungsteilzeitvereinbarungen nach dem Gesetz schon nach einem mindestens sechswöchigem Krankenstand möglich sind und daher nicht notwendiger Weise im Zusammenhang mit dem Ablauf der Jahresfrist nach § 24 Abs 9 VBG 1948 geschlossen werden. Damit gibt es aber im Normalfall für den Dienstnehmer allein aufgrund des Abschlusses einer solchen Vereinbarung keinen Grund davon auszugehen, dass der Dienstgeber auf eine Zusammenrechnung von Krankenständen vor und nach Abschluss der Vereinbarung im Hinblick auf die Jahresfrist verzichtet.
[25] Auch wenn bei der Klägerin ein zeitlicher Zusammenhang zum Ablauf der Jahresfrist bestand, konnte auch sie nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Vereinbarung nach § 20c VBG 1948 einen solchen Verzicht des Dienstgebers darstellt. Daneben gab es aber nach den Feststellungen keine anderen (auch nur mündlichen) Vereinbarungen.
[26] 8. Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass der Abschluss einer Vereinbarung über Wiedereingliederungsteilzeit nach § 20c VBG 1948 keine Vereinbarung nach § 24 Abs 9 1. Satz VBG 1948 und damit keinen Verzicht des Dienstgebers auf die Geltendmachung der Beendigung des Dienstverhältnisses aufgrund einer ein Jahr dauernden Dienstverhinderung im Fall neuerlicher Krankenstände darstellt. Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
[27] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.