8Ob78/24i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann-Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J* W* und 2. A* W*, beide vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen (eingeschränkt) 11.400 EUR sA, über die Rekurse aller Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 24. April 2024, GZ 18 R 7/24w 31.2, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Ried im Innkreis vom 17. Jänner 2024, 7 C 253/22x 27, aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
(I.) den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.126,42 EUR (darin 179,85 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.
und (II.) zu Recht erkannt:
Dem Rekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.563,76 EUR (darin 249,68 EUR USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung und die mit 2.805,02 EUR (darin 179,85 EUR USt und 1.678,60 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekurses zu ersetzen.
Text
Begründung und Entscheidungsgründe:
[1] Die Kläger kauften im Jahr 2014 bei einem Autohändler einen Gebrauchtwagen, in dem ein von der Beklagten hergestellter Motor des Typs EA189 verbaut ist. Herstellerin des Fahrzeugs ist eine Tochtergesellschaft der Beklagten. Der Motor enthielt zunächst eine sogenannte Umschaltlogik. Diese wurde durch ein beim Fahrzeug der Kläger am 7. 9. 2017 durchgeführtes Software Update eliminiert.
[2] Die Kläger begehren von der Beklagten 11.400 EUR (= 30 % des Kaufpreises von 38.000 EUR). Diese habe durch Repräsentanten, wie Leiter von Motorenentwicklungsabteilungen, und Organe, wie ihren Vorstand, vorsätzlich das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen, nämlich einer unzulässigen Zykluserkennung (sogenannte Umschaltlogik) und einer unzulässigen temperaturabhängigen Abschalteinrichtung (sogenanntes Thermofenster), herbeigeführt und diese zur Erlangung der EG Typengenehmigung verheimlicht. Sie habe diese Manipulationen verschwiegen, um sich selbst einen Vorteil, nämlich den gesteigerten Verkauf ihrer Fahrzeuge, zu verschaffen. Sie habe als 100 %ige Muttergesellschaft der A* AG auch für deren Fehlverhalten als Fahrzeugherstellerin einzustehen. Die Kläger seien von der Beklagten vorsätzlich in die Irre geführt und geschädigt worden, zumal ihre Angaben zum Fahrzeug unrichtig gewesen seien. Hätten die Kläger von den genannten Manipulationen des Fahrzeugs durch die Beklagte gewusst, hätten sie dieses nicht um den selben Kaufpreis, sondern zu einen um 30 % geringeren Betrag erworben. Der Schaden der Kläger liege im Erwerb des überteuerten Fahrzeugs. In diesem sei im Übrigen auch eine unzulässige Taxifunktion und eine Höhenabschaltung verbaut.
[3] Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie bestritt das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen und dass ihre Repräsentanten oder Organe Arglist zu verantworten hätten. Die im Fahrzeugmotor zunächst vorhandene Umschaltlogik sei im Jahr 2017 durch das Software-Update entfernt worden; jedenfalls seither hätten die Kläger ein ihren Kauferwartungen entsprechendes Fahrzeug. Ein Schaden der Kläger sei nicht ersichtlich. Darüber hinaus wandte die Beklagte unter anderem Vorteilsausgleich ein; die Kläger benützten das Fahrzeug bereits jahrelang.
[4] Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf – über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus – umfangreiche Feststellungen zu den behaupteten Abschalteinrichtungen. Zudem stellte es – soweit für das Verständnis dieser Entscheidung relevant – insbesondere fest, dass die Kläger das Fahrzeug in Kenntnis des Vorhandenseins einer sogenannten Umschaltlogik auch zu einem geringeren Kaufpreis nicht erworben hätten, dass sie aber den Kaufvertrag mit dem selben Inhalt auch dann abgeschlossen hätten, hätten sie von dem im Motor enthaltenen Thermofenster Kenntnis gehabt. Rechtlich begründete das Erstgericht die Klageabweisung in Hinsicht auf die zunächst vorhanden gewesene Umschaltlogik damit, dass das Fahrzeug durch das Software Update der EG Typgenehmigung entspreche, in Hinsicht auf das Thermofenster damit, dass dessen Wirkungsweise dem deutschen Kraftfahrt Bundesamt (KBA) bekannt gewesen sei und ein allfälliger Rechtsirrtum der Beklagten „betreffend die Schutzgesetzverletzung […] daher entschuldbar [sei]“.
[5] Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück. Das Thermofenster sowie auch die Umschaltlogik seien eine unzulässige Abschalteinrichtung. Die Beklagte hafte als bloße Motorenherstellerin aber nur nach § 1295 Abs 2 und § 874 ABGB. Die Kläger hätten ein entsprechendes Vorbringen erstattet, das Erstgericht über dieses aber kein Beweisverfahren durchgeführt und keine Feststellungen getroffen. Wäre – was noch nicht feststehe – Ergebnis des Verfahrens, dass der Beklagten hinsichtlich der Umschaltlogik ein arglistig herbeigeführter Irrtum oder eine absichtliche Schadenszufügung in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise nachgewiesen werden würde, entfiele ihre Haftung auch nicht bei fehlendem Verschulden oder einem Mangel von Arglist oder Schädigungsabsicht hinsichtlich des Thermofensters. Der Oberste Gerichtshof habe sich zu 2 Ob 5/23h mit der Frage, ob es durch das Aufspielen des Software Updates bei einem Dieselmotor der Baureihe EA189 zu einer nachträglichen Schadensbeseitigung gekommen sei und deshalb kein Schadenersatzanspruch nach § 874 ABGB zustehe, befasst. Er sei zum Ergebnis gekommen, dass wegen des auch nach dem Software Update noch vorhandenen Thermofensters und damit einer unzulässigen Abschalteinrichtung keine Klaglosstellung vorliege; ob die Beklagte auch im Hinblick auf das Thermofenster in sittenwidriger Schädigungsabsicht gehandelt habe, sei daher nicht entscheidend. Entsprechende Feststellungen vorausgesetzt würde die Beklagte somit grundsätzlich haften. Diesfalls stellten sich Fragen der Vorteilsanrechnung.
[6] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 ZPO mit der Begründung zu, es liege keine gesicherte Rechtsprechung zur Vorteilsanrechnung vor.
[7] Gegen den Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss des Berufungsgerichts richten sich – jeweils aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung – die Rekurse aller Parteien, jener der Kläger mit einem auf Klagestattgebung, jener der Beklagten mit einem auf Klageabweisung gerichteten Abänderungsantrag.
[8] In den Rekursbeantwortungen wird jeweils die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels beantragt, hilfsweise, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
[9] Der Rekurs der Kläger ist mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der in § 519 Abs 2 ZPO geforderten Qualität nicht zulässig . Der Rekurs der Beklagten ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und auch berechtigt .
Zu I.:
[10] Die Kläger treten der Begründung des Berufungsgerichts für die Zulässigkeit des Rekurses bei.
[11] Zur Begründung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 (hier iVm § 519 Abs 2) ZPO bedarf es der Voraussetzung, dass die Entscheidung von der Lösung der angeführten Rechtsfrage abhängt (RS0088931). Dabei ist der Oberste Gerichtshof nicht gehalten, zu bloß unter Umständen möglichen, aber noch nicht feststellungsmäßig gesicherten Fallgestaltungen Stellung zu nehmen (RS0088931 [T3]).
[12] Die vom Berufungsgericht und von den Klägern als erheblich iSd § 519 Abs 2 ZPO angesehene Rechtsfrage des Vorteilsausgleichs betrifft die Schadenshöhe. Sie stellt sich erst, wenn die Beurteilung der Feststellungen ergibt, dass der Schadenersatzanspruch dem Grunde nach besteht. Dies setzte das Vorliegen von Feststellungen voraus, aus denen sich ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten iSd §§ 874 und 1295 Abs 2 ABGB ergibt, welche – insofern kann auf die Ausführungen zu Punkt II. verwiesen – als Motorenherstellerin nur nach diesen Vorschriften gegenüber den Klägern schadenersatzpflichtig sein kann. Der Frage des Vorteilsausgleichs kommt im derzeitigen Verfahrensstadium damit jedenfalls keine erhebliche Bedeutung zu (zu einer vergleichbaren Konstellation jüngst 3 Ob 140/24w [Rz 9 ff]; vgl auch 10 Ob 2/18v [Pkt 3]).
[13] Daran ändert nichts, dass – wie sogleich unter Punkt II. in Erledigung des Rekurses der Beklagten dargelegt werden wird – die Rechtssache bereits im klageabweisenden Sinn spruchreif ist. Fragen der Vorteilsanrechnung stellen sich im Lichte dessen erst recht nicht.
[14] Da die Kläger in ihrem Rekurs keine weitere Rechtsfrage von der in § 519 Abs 2 ZPO geforderten Qualität aufzeigen, ist dieser zurückzuweisen.
[15] Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen und damit Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Rekursbeantwortung (§§ 41, 50 ZPO).
Zu II.:
[16] II.1. Das Fahrzeug fällt unstrittig in den Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl L 171/1 vom 29. 6. 2007; in der Folge: VO 715/2007/EG).
[17] Gemäß Art 5 Abs 2 Satz 1 VO 715/2007/E G ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Eine Abschalteinrichtung ist nach der Legaldefinition des Art 3 Z 10 VO 715/2007/E G ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.
[18] Art 5 Abs 2 Satz 2 VO 715/2007/E G normiert drei Ausnahmetatbestände vom Verbot von Abschalteinrichtungen. Gemäß Art 5 Abs 2 lit a VO 715/2007/E G ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen dann nicht unzulässig, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Kraftfahrzeugs zu gewährleisten.
[19] Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt klargestellt, dass eine „Umschaltlogik“, wie sie auch im Fahrzeug der Kläger verbaut war, eine nach Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbotene Abschalteinrichtung darstellt und dass der damit verbundene Sachmangel auch durch ein Software-Update nicht behoben wird, wenn diese Software ein „Thermofenster“ beinhaltet, aufgrund dessen die Abgasrückführung aufgrund der in Österreich herrschenden klimatischen Verhältnisse nur in weniger als der Hälfte des Jahres uneingeschränkt funktioniert (statt vieler 8 Ob 76/23v [Rz 23] mwN).
[20] II.2. Die VO 715/2007/EG regelt wie ausgeführt die Anforderungen, welche die Hersteller von Neufahrzeugen erfüllen müssen, um eine EG-Typengenehmigung zu erhalten. Der EuGH hat zu C 100/21, QB gegen Mercedes Benz Group AG , ausgesprochen, dass diese Regelungen neben den allgemeinen Rechtsgütern auch die Interessen des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Hersteller des Fahrzeugs schützen, wenn das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann aber nur derjenigen Person oder Stelle eine Verletzung der Vorschrift des Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG über die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen zur Last gelegt werden, die im Typengenehmigungsverfahren als Herstellerin des Fahrzeugs auftrat und die Übereinstimmungsbescheinigung ausstellte (RS0134616). Hievon ausgehend hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach entschieden, dass eine deliktische Haftung aus Schutzgesetzverletzung wegen Verstoßes gegen Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG ausschließlich den Fahrzeughersteller als Inhaber der EG Typengenehmigung und Aussteller der Übereinstimmungsbescheinigung trifft, es folglich keine Haftung aus Schutzgesetzverletzung des vom Fahrzeughersteller verschiedenen Motorenherstellers gibt (RS0134616 [T2]). Eine Gleichstellung von Fahrzeug- und Motorenhersteller in Haftungsfragen kann auch nicht aus dem auch hier von den Klägern relevierten Umstand, die Beklagte sei 100%ige Gesellschafterin (somit Muttergesellschaft) der Fahrzeugherstellerin, abgeleitet werden (RS0134616 [T5]).
[21] II.3. Eine Haftung des bloßen Motorenherstellers ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur nach § 1295 Abs 2 und § 874 ABGB denkbar; sie setzt somit vorsätzliches Handeln voraus ( 6 Ob 161/22b [Rz 30, 33 f] ; 8 Ob 85/23t [Rz 7] ua). Diese Haftung ist rein deliktisch; bei ihr liegt es jedenfalls am Geschädigten, zu behaupten und zu beweisen, dass das dem Motorenhersteller angelastete Verhalten für den Ankauf des Fahrzeugs ursächlich war (3 Ob 140/24w [Rz 14]).
[22] II.4. Das Verfahren ergab, dass die Kläger den Kaufvertrag mit dem selben Inhalt auch dann abgeschlossen, hätten, hätten sie von dem im Motor auch enthaltenen (nach ihrem Standpunkt ebenso eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellenden) Thermofenster Kenntnis gehabt. Dass die Beklagte – zumindest dem Vorbringen der Kläger nach – heimlich ein Thermofenster in ihre Motoren verbaute, war daher für den Ankauf des Klagsfahrzeugs durch die Kläger nicht ursächlich. Folglich kann aber aus der vorgeworfenen Heimlichkeit des Thermofensters kein – sei es auf § 874, sei es auf § 1295 Abs 2 ABGB gestützter – Schadenersatzanspruch der Kläger abgeleitet werden ( I. Vonkilch in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang 3 [2022] § 874 Rz 13).
[23] II.5. Die Kläger hätten demgegenüber nach den Feststellungen das Fahrzeug in Kenntnis des Vorhandenseins der sogenannten Umschaltlogik auch zu einem geringeren Kaufpreis nicht erworben. Das nach ihrem Vorbringen heimlich erfolgte Verbauen der (unstrittig eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellenden) Umschaltlogik durch die Beklagte wäre daher für ihren behaupteten Schaden durch Ankauf des Fahrzeugs ursächlich. Für den Fall, dass der Beklagten bzw ihren Repräsentanten oder Organen tatsächlich zur Last fällt, arglistig das Vorhandensein der verbotenen Umschaltlogik verheimlicht zu haben, hätte sie als Dritte mithin (auch) die Kläger insofern in die Irre geführt.
[24] II.6.1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist ein im Irrtum vorgenommenes Rechtsgeschäft dann nicht mehr anfechtbar, wenn die irrig angenommene Sachlage nachträglich doch noch rechtzeitig – vor Schluss der Verhandlung erster Instanz und solange der Irrende noch Interesse an dem Geschäft hat – eingetreten ist (8 Ob 91/22y [Rz 23] = RS0012431 [T1]; 2 Ob 5/23h [Rz 41]; 7 Ob 31/24w [Rz 24]; vgl auch RS0107864). Warum die irrig angenommene Sachlage doch noch eintritt, ist nicht von Bedeutung. Maßgeblich ist, dass der Irrtum durch die Änderung der Sachlage „saniert“ wird, das heißt der Irrende tatsächlich das bekommt, was er (berechtigt) zu erhalten glaubte und somit sein Beschwerdegrund wegfällt (8 Ob 91/22y [Rz 24] = RS0012431 [T2]). Der Irrende ist durch die Änderung der Sachlage diesfalls „klaglos gestellt“. Dass er an dem Geschäft kein Interesse mehr hat und deshalb der nachträgliche Eintritt der irrig angenommenen Sachlage verspätet ist, ist vom Irrenden zu behaupten und zu beweisen (8 Ob 91/22y [Rz 24] = RS0012431 [T3]; 2 Ob 5/23h [Rz 41]).
[25] II.6.2. Die Klaglosstellung hat nicht nur für die Irrtumsanfechtung, sondern auch im Schadenersatzrecht Bedeutung, stellt sie doch nichts anderes als eine Naturalrestitution dar. Durch die Klaglosstellung erhält der Geschädigte nämlich, was er infolge seines Irrtums zu erhalten erwartet hatte ( 3 Ob 94/21a [Rz 17 f]; 8 Ob 91/22y [Rz 24] = RS0012431 [T2]; iglS Bollenberger/P. Bydlinski in KBB 7 [2023] § 871 ABGB Rz 22; siehe auch S. Kietaibl , Zur Konkurrenz von laesio enormis und Gewährleistung, ÖJZ 2022, 553 [560]: „[…] hat sich doch der Vorrang der Verbesserung [...] als äußerst robustes Prinzip erwiesen, dem nicht nur im Leistungsstörungs- und Schadenersatzrecht, sondern auch im Irrtumsrecht Rechnung getragen wird “; vgl ferner Leupold/Ramharter , Zum Verhältnis von irrtumsrechtlicher und schadenersatzrechtlicher Rückabwicklung bei Aufklärungspflichtverletzungen, ÖJZ 2010, 807).
[26] Die Klaglosstellung kann durch ein taugliches Software-Update den Ersatzanspruch somit zur Gänze vernichte n ( Riedler , Schadensberechnung im Abgasskandal: Mindestschaden 5 % – Maximalschaden 15 % des jeweiligen Kaufpreises des absichtlich betrogenen Käufers? VbR 2023, 200 [205, 210 f]). Durch sie „entfällt der Schaden“ (vgl 2 Ob 5/23h [Rz 40 iVm Rz 41] ).
[27] II.6.3. Wurde der Irrtum arglistig verursacht und war es der Vertragspartner des Getäuschten selbst, der dies tat, so ist nach der Rechtsprechung Klaglosstellung grundsätzlich ausgeschlossen. Wer den anderen durch List irregeführt hat, kann das Geschäft somit nicht dadurch aufrechterhalten, dass er es so gelten lässt, wie es der Irrende schließen wollte, wenn er nicht getäusch t worden wäre (RS0014786). Grund dafür ist, dass es dem Getäuschten nicht zumutbar ist, weiterhin an einen Vertragspartner gebunden zu sein, der ihm gegenüber bereits einmal Arglist an den Tag legte (zutr U. Neumayr , Glosse zu 2 Ob 5/23h in ZVR 2024/45 ). Will der Getäuschte aber am Vertrag festhalten, kann aber auch der listig Irreführende durch eine Klaglosstellung eine vom Getäuschten angestrebte Vertragsanpassung (durch angemessene Vergütung oder Schadenersatz gemäß § 872 bzw § 874 ABGB) hintanhalten; er muss dafür das Rechtsgeschäft nur so gegen sich gelten lassen, wie es der Getäuschte abzuschließen vermeinte ( 1 Ob 27/97w; vgl auch Bollenberger/P. Bydlinski in KBB 7 [2023] § 870 ABGB Rz 9 ).
[28] II.6.4. War der arglistig Handelnde ein Dritter und nahm der Vertragspartner an der listigen Irreführung weder teil (§ 875 Satz 2 Fall 1 ABGB) noch musste er von ihr offenbar wissen (§ 875 Satz 2 Fall 2 ABGB), so liegt nicht nur kein Grund für eine Aufhebung des Vertrags gegenüber dem Vertragspartner vor. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum der Getäuschte vom Dritten hier im Wege des Schadenersatzes Naturalrestitution (schadenersatzrechtliche Rückabwicklung des geschlossenen Kaufvertrags) oder – wenn er am Vertrag festhalten möchte – Ersatz für die Zahlung eines überhöhten Preises zu fordern berechtigt wäre, wenn sich die Sachlage geändert hat und nunmehr ein seinen berechtigten seinerzeitigen Vorstellungen entsprechender Zustand vorliegt (vgl 4 Ob 11/13s = EvBl 2013/133 [ Brenn ]: „ Da Gegenstand des arglistig herbeigeführten Irrtums das Nichtvorliegen eines den Originalzustand verändernden Umbaus durch einen Nichtfachmann war, hätte eine Klaglosstellung – wenn überhaupt – nur durch das Angebot eines Rückumbaus in einer Fachwerkstätte erfolgen können. “).
[29] II.6.5. Im vorliegenden Fall täuschten sich die Kläger in ihrer berechtigten Annahme, das von ihnen erworbene Fahrzeug wäre ordnungsgemäß. Dadurch dass in seinem Motor – vermeintlich aufgrund von Arglist der Beklagten – eine Umschaltlogik verbaut war, unterlagen sie einem (Eigenschafts-)Irrtum. Indem die Umschaltlogik durch das Software-Update eliminiert wurde, wurden sie aber grundsätzlich klaglos gestellt.
[30] II.6.6. Dies gilt freilich nur, wenn durch das Software Update tatsächlich eine völlige Klaglosstellung eintrat. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu 2 Ob 5/23h entschieden, dass dann, wenn durch ein Software-Update zwar eine als unzulässige Abschalteinrichtung zu wertende Umschaltlogik entfernt wird, aber ein ebenso als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizierendes Thermofenster verbleibt, gerade keine völlige Klaglosstellung vorliegt. Im vorliegenden Fall steht aber – anders als in 2 Ob 5/23h – fest, dass die Kläger den Kaufvertrag mit dem selben Inhalt auch dann abgeschlossen hätten, hätten sie von dem im Motor auch enthaltenen Thermofenster Kenntnis gehabt. Dass im Motor des Fahrzeugs weiterhin ein – allenfalls als unzulässige Abschalteinrichtung zu wertendes – Thermofenster vorhanden ist, steht hier – anders als im Fall 2 Ob 5/23h – daher der Klaglosstellung nicht entgegen.
[31] II.6.7. Dass der nachträgliche Eintritt der irrig angenommenen Sachlage durch Durchführung des Software-Updates verspätet erfolgte (vgl oben Pkt II.6.1.), zB weil die Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits rund drei Jahre mit einem gerade nicht unweltfreundlichen Auto gefahren seien und es ihnen auf ein umweltfreundliches Auto angekommen sei, stellten die Kläger nicht unter Beweis. Im Gegenteil geht aus dem festgestellten Sachverhalt insgesamt hervor, dass die (vermeintliche) Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugs für sie nicht von Bedeutung war. Für den Kauf des Fahrzeugs war für sie vielmehr seine beeindruckende Optik inklusive Metalllackierung und Alufelgen, seine übrige Ausstattung und seine Motorleistung von 140 PS und seine Treibstoffverbrauchswerte – mithin sein geringer Dieselverbrauch – entscheidend.
[32] II.6.8. Durch Klaglosstellung der Kläger ist einer Schadenersatzpflicht der Beklagten wegen der zunächst im Fahrzeugmotor verbauten Umschaltlogik daher der Boden entzogen. Ob das ihren Repräsentanten und Organen in Bezug auf die im Fahrzeugmotor zunächst verbaute Umschaltlogik und das darin noch vorhandene Thermofenster vorgeworfene, qualifiziert schuldhafte Verhalten iSd §§ 874 und 1295 Abs 2 ABGB vorliegt, ist damit nicht entscheidungsrelevant, weshalb die vom Berufungsgericht angenommenen sekundären Feststellungsmängel nicht vorliegen. Hinsichtlich der im Fahrzeug nach dem Vorbringen der Kläger weiters verbauten sogenannten Taxifunktion und Höhenabschaltung enthielt das Vorbringen der Kläger nie den Vorwurf, die Beklagte habe insofern heimlich bzw vorsätzlich agiert; insofern war daher bereits das Klagevorbringen nicht geeignet, eine Haftung der Beklagten nach §§ 874, 1295 Abs 2 ABGB zu begründen.
[33] In Stattgebung des Rekurses der Beklagten ist die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das die Klage abweisende – im Ergebnis richtige – Ersturteil wiederhergestellt wird.
[34] II.7. Die Abänderung der angefochtenen Entscheidung zieht die Notwendigkeit einer neuen Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens nach sich. Diese gründet auf §§ 41, 50 ZPO.
[35] Die Kläger haben weiters nach §§ 41, 50 ZPO der Beklagten auch die Kosten von deren erfolgreichen Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu ersetzen.