JudikaturOGH

11Os106/24h – OGH Entscheidung

Entscheidung
Wirtschaftsrecht
22. Oktober 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Oktober 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und die Hofrätinnen und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wachter als Schriftführerin in der Strafsache gegen C* I* und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 fünfter Fall, Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten C* I* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Mai 2024, GZ 14 Hv 8/24g 167.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten C* I* fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde C* I* mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 [richtig] Abs 1 Z 1 fünfter Fall [US 47], Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (I/) sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (III/) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er ab Februar 2020 in W* – gekürzt wiedergegeben –

I/ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und (unter Verwirklichung der Kriterien des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schweren Betruges (§ 147 Abs 2 StGB [US 21 und 24]) längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die Nachgenannte in dem 5.000 Euro übersteigenden Betrag von zumindest 203.986,85 Euro am Vermögen schädigten, und zwar

A/ Verfügungsberechtigte des Arbeitsmarktservice zur Gewährung und Auszahlung von Kurzarbeitsbeihilfen gemäß § 37b Arbeitsmarktservicegesetz für die Mitarbeiter des protokollierten Einzelunternehmens T*-Restaurant e.U., indem er in einer Vielzahl von Angriffen für im Urteil namentlich angeführte Mitarbeiter Kurzarbeitsbeihilfe beantragte, anschließend am Ende eines jeden Monats in den eingereichten Abrechnungsunterlagen unrichtige Informationen, nämlich eine geringere Arbeitsstundenanzahl als die tatsächlich geleistete und/oder ein höheres Bruttoentgelt als das tatsächlich ausbezahlte, übermittelte, wodurch dem Rechtsträger ein Gesamtschaden von 85.393,01 Euro entstand;

B/ Verfügungsberechtigte des Arbeitsmarktservice zur Gewährung und Auszahlung von Eingliederungsbeihilfen gemäß § 34 Arbeitsmarktservicegesetz für im Urteil namentlich genannte Mitarbeiter des protokollierten Einzelunternehmens T*-Restaurant e.U., indem er in einer Vielzahl von Angriffen für diese Eingliederungsbeihilfe beantragte, in weiterer Folge diesen Mitarbeitern entgegen den Förderungsbestimmungen jedoch nicht das ihnen zustehende Gehalt und/oder Urlaubsgeld und/oder Weihnachtsremuneration vollständig und/oder rechtzeitig ausbezahlte, bzw diese tatsächlich nie beschäftigte, wobei er dies bei der jeweiligen Antragstellung bereits geplant hatte, wodurch dem Rechtsträger ein Gesamtschaden von 112.994,84 Euro entstand;

C/ Verfügungsberechtigte der Österreichischen H* GmbH zur Auszahlung einer Förderung im Rahmen der „Gastgärtenoffensive“ von 1.700 Euro, die die Republik Österreich in einem nicht mehr feststellbaren Betrag am Vermögen schädigte, indem er vorgab, nur Gartenmöbel und eine Einfriedung für den Gastgarten der T*-Wien e.U. in der Höhe von 8.208 Euro erneuert zu haben, ein entsprechendes Ansuchen für die Förderung des Projekts stellte und eine inhaltlich unrichtige Rechnung, sohin ein falsches Beweismittel, zur Untermauerung seines angeblichen Anspruchs übermittelte, von der entgegen den Förderungsrichtlinien auch Einrichtungsgegenstände für den Innenbereich des Lokals umfasst waren;

D/ Verfügungsberechtigte der W* AG zur Auszahlung einer Versicherungsleistung in Höhe von 5.599 Euro, indem er vorgab, seine Ehefrau A* I* sei am 24. Februar 2020 ausgeraubt worden, wobei ihr Wertgegenstände, Bargeld, Schmuck sowie Urkunden weggenommen und ein Mantel beschädigt worden seien, und der genannten Versicherung eine entsprechende Schadensmeldung übermittelte, obwohl der Raub tatsächlich nie stattgefunden hatte;

III/ * W* gefährlich mit zumindest einer Verletzung an der Freiheit bedroht, um diesen in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihm gegenüber äußerte, dass er seine Vorgeschichte kenne, zur Polizei gehen und ihm anhängen werde, dass er Leuten Drogen verkaufe, er kenne genug Leute in der Szene und wisse, wo er wohne.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Der Mängelrüge (Z 5) zuwider ist die Feststellung, wonach das von C* I* gemeinsam mit seiner Ehefrau A* Is* eröffnete und als Einzelunternehmen betriebene Restaurant „T*“ faktisch von C* I* geführt wurde, während A* Is* nur als offizielle (gewerberechtliche) Geschäftsführerin auftrat (US 15; I/A/ bis C/), nicht „undeutlich“ (Z 5 erster Fall). Es wurde vielmehr unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass A* Is* bloße Scheinunternehmerin und Gehilfin war, während C* I* alle wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen traf, die Förderungsanträge bearbeitete und einreichte, das Personal auswählte und bezahlte und nach der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise der wahre Machthaber des Unternehmens war (US 15, 32, 46). Dass dem Nichtigkeitswerber dies aus „rechtlichen Überlegungen“ nicht überzeugend erscheint, begründet keine Undeutlichkeit des Urteils (Z 5 erster Fall; RIS-Justiz RS0089983; Ratz , WK StPO § 281 Rz 419).

[5] Inwiefern die Konstatierung , wonach der Arbeitgeber nach den Förderungsbedingungen zu wahrheitsgemäßen Angaben bei der Antragstellung und bei der Übermittlung der Abrechnungsdateien verpflichtet ist (US 17), „unklar“ sein sollte, lässt die Beschwerde nicht erkennen.

[6] Auch der Hinweis auf eine „eheliche Beistandspflicht“ und auf die „besseren Sprachkenntnisse“ des Nichtigkeitswerbers (vgl US 42) spricht kein (aus Z 5 beachtliches) Begründungsdefizit an (RIS-Justiz RS0099455).

[7] Die (zu I/A/) vermisste Behandlung der Frage, „aus welchen Überlegungen“ der Nichtigkeitswerber „unrichtige Daten dem Arbeitsmarktservice übermittelt“ hat, inwiefern diese „tatsächlich als 'unrichtig' anzusehen gewesen wären“ und „aus welchen Gründen“ ihm dies „überhaupt bekannt sein konnte oder bekannt war“, findet sich auf den US 17 ff, 33 f, 38 f, 46.

[8] Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) wurde die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer einerseits in den monatlichen Abrechnungsdateien eine geringere Stundenanzahl als die tatsächlich geleistete angab und andererseits den Mitarbeitern geringere Gehälter auszahlte, obwohl er die Differenz zum ursprünglichen Lohn im Wege der Kurzarbeitsförderung erhielt (US 17; I/A/), auf die bezughabenden Projektunterlagen, die Schadensberechnung des AMS, die Angaben mehrerer Zeugen sowie auf die Einlassung der Mitangeklagten gestützt (US 33 ff) und die subjektive Tatseite des Beschwerdeführers aus dem äußeren Geschehen erschlossen (US 38 f).

[9] Die (zu I/B/ vorgetragene) Kritik, es gelte „gleiches“ „für die Wiedereingliederungshilfen, da die Feststellungen des Erstgerichts in diesem Punkt sowohl zur subjektiven Tatseite als auch zur Datengewinnung“ nicht „tragfähig sind, die Verurteilung nachvollziehbar zu begründen“, zeigt weder deutlich und bestimmt (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) auf, welche konkreten Feststellungen entscheidender Tatsachen (vgl US 22 ff) kritisiert werden, noch worin das vermeintlich geortete Begründungsdefizit konkret bestehen soll.

[10] Der insofern erhobene Einwand, die Feststellung der Gewährung von Förderungen über „rund sechs bis acht Monate“ (US 22) biete „keine für eine Verurteilung nötige Sicherheit“, spricht keinen Begründungsmangel (Z 5) an; als materiell-rechtliche Urteilskritik (Z 9 lit a) verstanden blendet diese Kritik nur prozessordnungswidrig sämtliche weiteren (zu I/B/ getroffenen) Feststellungen aus (US 22 bis 25; RIS-Justiz RS0099810).

[11] Unter dem Aspekt einer „unzureichenden Begründung“ reklamiert die Beschwerde (zu I/B/), das Gericht habe zwar konstatiert, dass der Angeklagte beschlossen hat, durch die Beantragung und die Nichtbefolgung der Förderungsbedingungen Forderungsbeträge zu lukrieren (US 23), habe aber „unterlassen“, sowohl „hinsichtlich der subjektiven Tatseite als auch hinsichtlich der objektiven Tatseite überhaupt nachvollziehbare Feststellungen auszuführen“ ( der Sache nach Z 9 lit a); auch insofern wird nur erneut die darauf bezogene Tatsachenbasis des Urteils übergangen (US 22 bis 25; abermals RIS-Justiz RS0099810).

[12] Die von der Beschwerde (zu I/D/) vermisste Konstatierung, wonach der Angeklagte C* I*, dass der behauptete Raub tatsächlich nicht stattgefunden hat (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a), findet sich auf US 29. Diese Feststellung wurde – logisch und empirisch einwandfrei – auf das auffällige Verhalten des Genannten und den Einsatz „zufällig“ passender Rechnungen seiner Schwester bei der von ihm erstatteten Versicherungsmeldung, die unrealistische Häufung angeblicher Schadensfälle im Haushalt des Angeklagten sowie eine im Familienverband als lebensnah erachtete Kenntnis über tatsächlich bestehendes Eigentum an den gegenüber der Versicherung als geraubt gemeldeten Wertgegenständen (US 6 und 28 f) gegründet (US 41 ff).

[13] Soweit die Beschwerde in Ansehung der inkriminierten Drohung (III/) eine Begründung für die in objektiver Hinsicht getroffenen Konstatierungen sowie überdies zur subjektiven Tatseite (jeweils US 30) vermisst, vernachlässigt sie die auf die Angaben mehrerer Zeugen gegründeten tatrichterlichen Erwägungen sowie den aus dem äußeren Tatgeschehen (insbesondere der Wortwahl der Äußerung) gezogenen Schluss auf die subjektive Tatseite des Angeklagten (US 43 f).

[14] Der überdies in Zweifel gezogene Umstand, ob es im „Ermessen“ des Angeklagten liegen würde, „ob überhaupt ein Strafverfahren [gegen W*] mit (allfälligen) Freiheitsbeschränkungen eingeleitet werden würde“, ist ebenso ohne rechtliche Relevanz wie die Frage, ob eine tatsächliche Einschüchterung des Opfers (iSd Eintritts eines nachhaltigen, das ganze Gemüt ergreifenden, peinvollen Seelenzustands) eingetreten ist (RIS-Justiz RS0092392 [T10, T11, T12]).

[15] Mit dem Verweis auf das Vorbringen zur Mängelrüge (Z 5) verkennt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die verschiedenen Ansätze der Nichtigkeitsgründe (RIS-Justiz RS0115902). Soweit sie im Übrigen die ihr missliebigen Urteilskonstatierungen in objektiver und subjektiver Hinsicht (vgl US 17 ff) teils vernachlässigt und teils bestreitet, verfehlt sie den im festgestellten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materiell rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

[16] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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