JudikaturOGH

14Os39/24b – OGH Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht, Strafrecht
08. Oktober 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Oktober 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Farkas in Gegenwart des Schriftführers Dr. Jetzinger in der Strafsache gegen * C* wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. Februar 2024, GZ 145 Hv 9/18h 82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * C* von der wider ihn erhobenen Anklage (ON 65) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, er habe seit einem festzustellenden Zeitpunkt im Jahr 2014 bis zum 27. Juli 2014 in W* und an anderen Orten

I./ sich als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an einer terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs 3 StGB), nämlich der in der UN-Sanktionsliste aufscheinenden Terrororganisation IS-Islamic State, wobei der IS-Islamic State aus der seit zumindest 2004 bestehenden Terrororganisation Al Qaida im Irak hervorging und darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung eine oder mehrere terroristische Straftaten (§ 278c StGB) ausgeführt werden oder Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) betrieben wird, auf andere Weise beteiligt, wobei er in dem Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) handelte, durch seine Beteiligung die Vereinigung IS-Islamic State oder deren strafbare Handlungen zu fördern, indem er zwischen 9.  und 21. Juni 2014 über Bulgarien und die Türkei auf dem Landweg in das vom IS-Islamic State kontrollierte Gebiet nach Syrien reiste und sich dort dem bewaffneten Kampf anschloss sowie sonstige Unterstützungshandlungen ausführte und vor seiner Rückkehr nach Österreich zusagte, den IS Islamic State von Europa bzw Österreich aus weiterhin zu unterstützen;

II./ durch die zu I./ genannte Tat sich an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, nämlich der international agierenden terroristischen Vereinigung IS-Islamic State, als Mitglied in dem Wissen auf andere Weise beteiligt (§ 278 Abs 3 StGB), dass er dadurch die Vereinigung in ihrem Ziel, im Irak, in Syrien, im Libanon, in Jordanien und in „Palästina“ einen radikal-islamischen Gottesstaat (Kalifat) zu errichten, und deren terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB zur Erreichung dieses Ziels förderte, die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, sowie schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit ua Kampfmitteln, insbesondere dem tatsächlichen kriegerischen Einsatz erlangter Waffen, ausgerichtet ist, indem sie seit Sommer 2011 insbesondere in Syrien und im Irak unter Anwendung besonderer Grausamkeit durch terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB durch ihre Kräfte die Zerstörung des syrischen und irakischen Staats betreibt, in den eroberten Gebieten in Syrien und im Irak die sich nicht ihren Zielen unterordnende Zivilbevölkerung tötet und vertreibt, sich deren Vermögen aneignet, durch Geiselnahme große Geldsummen erpresst, die vorgefundenen Kunstschätze veräußert und Bodenschätze, insbesondere Erdöl und Phosphat, zu ihrer Bereicherung ausbeutet, die durch all diese Straftaten eine Bereicherung im großen Umfang anstrebt und Dritte durch angedrohte und ausgeführte Terroranschläge insbesondere in Syrien und im Irak, aber auch in Europa, einschüchtert und sich auf besondere Weise, nämlich durch Geheimhaltung ihres Aufbaus, ihrer Finanzstruktur, der personellen Zusammensetzung der Organisation und der internen Kommunikation, gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abschirmt.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die dagegen erhobene, auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verfehlt ihr Ziel .

[3] Das Erstgericht hat den Freispruch im Wesentlichen darauf gestützt, es könne nicht festgestellt werden, „dass der Angeklagte zwischen 10. Juni 2014 und 21. Juni 2014 über den Landweg in das vom Islamic State kontrollierte Gebiet nach Syrien reiste und sich dort dem bewaffneten Kampf anschloss sowie sonstige Unterstützungshandlungen ausführte und vor seiner Rückkehr nach Österreich zusagte, den Islamic State von Europa bzw Österreich aus weiterhin zu unterstützen“. „Somit“ habe auch nicht festgestellt werden können, dass der Angeklagte „sich wissentlich als Mitglied des IS – Islamic State beteiligt hat, um dessen Ziele zu fördern“ (US 7 f).

[4] Enthält ein freisprechendes Urteil keine (positiven oder negativen) Konstatierungen zu sämtlichen Tatbestandselementen, so ist hinsichtlich der fehlenden unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen (vgl RIS Justiz RS0127315, RS0118580).

[5] Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht, weil sie es unterlässt, zu den zur Erfüllung der Tatbestände des § 278a StGB und des § 278b StGB – neben der von den Tatrichtern verneinten Wissentlichkeit in Bezug auf die Förderung der Ziele des IS-Islamic State durch die Beteiligung als Mitglied – jeweils erforderlichen weiteren subjektiven Tatbestandsmerkmalen (vgl Plöchl in WK 2 StGB § 278a Rz 29 und § 278b Rz 13; Reindl Krauskopf/Salimi , SbgK § 278a Rz 76, 78; Sadoghi , SbgK § 278b Rz 125, 128) einen Feststellungsmangel geltend zu machen.

[6] Im Übrigen bleibt zur Behauptung der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe vorhandene Widersprüche in den Aussagen des Zeugen * M* „ weder gewürdigt noch erörtert“ und „in keinster Weise dargelegt“, weshalb es der Darstellung des Zeugen in der Hauptverhandlung folgte, obwohl Teile seiner (gemeint ursprünglich anderslautend e Aussage schon nach den Feststellungen des Gerichts tatsächlich zutreffend waren, anzumerken, dass sie weder die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 8 ff) in den Blick nimmt (so aber RIS-Justiz RS0119370), noch ein (in der Hauptverhandlung vorgekommenes) erhebliches Verfahrensergebnis aufzeigt, welches das Erstgericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung unberücksichtigt gelassen hat (RIS-Justiz RS0098646 ). Vielmehr wird die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) – Schuldberufung bekämpft, was auch für den Einwand gilt, es sei „absolut unglaubwürdig und lebensfremd“, dass der Zeuge „unter Drogen- und Medikamenteneinfluss diese doch sehr konkreten und den Tatsachen entsprechenden Umstände gänzlich zufällig frei erfunden hat“, zumal seine Aussagen am 12. und 18. August 2020 „vom Bedeutungsinhalt übereinstimmend“ seien.

[7] Die Forderung nach einer Auseinandersetzung „mit der durch Chatprotokolle belegten nachweislichen Abneigung des Angeklagten gegen die Jesiden“, welche der Zeuge M* in seiner Vernehmung am 18. August 2020 ebenfalls vorgebracht haben soll, bezieht sich übrigens nicht auf eine erhebliche Tatsache, also eine solche, die für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache von Bedeutung sein könnte (RIS Justiz RS0116877).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Rückverweise