JudikaturOGH

5Ob172/24s – OGH Entscheidung

Entscheidung
Vertragsrecht
08. Oktober 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Mag. Painsi als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Wurzer, Dr. Weixelbraun Mohr, Dr. Steger und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. K*, vertreten durch die Poduschka AnwaltsgmbH in Linz, gegen die beklagte Partei V* AG, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 4.050 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 16. Mai 2024, GZ 2 R 47/23a 23, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Urfahr vom 27. Juni 2023, GZ 17 C 288/22b 17, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 597,52 EUR (darin enthalten 95,40 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Mit Kaufvertrag vom 26. 8. 2014 erwarb der Kläger bei einem Händler einen V* um 13.500 EUR. Es handelte sich um ein Gebrauchtfahrzeug, in dem ein Dieselmotor des Typs EA189 verbaut ist, der vom sogenannten „Dieselskandal“ betroffen ist. Die Beklagte ist die Herstellerin sowohl des Motors als auch des Fahrzeugs. Mittels eines Software Updates wurde im Jahr 2020 die ursprünglich vorhanden gewesene Abschaltfunktion (Umschaltlogik) entfernt, nicht jedoch die Regulierung des Abgasverhaltens in Abhängigkeit von der Außentemperatur (Thermofenster).

[2] Der Kläger begehrte 4.050 EUR an Schadenersatz und die Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden aus dem Einbau der unzulässigen Abschaltvorrichtung. Der begehrte Ersatzbetrag entspricht einer Minderung des von ihm bezahlten Kaufpreises von 30 %.

[3] Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts, mit der es das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen hatte, ab und sprach dem Kläger 1.350 EUR zu. Das Zahlungsmehr sowie das Feststellungsbegehren wies es ebenfalls ab. Die Höhe des Schadenersatzbetrags sei gemäß § 273 ZPO zu schätzen und mit 10 % des Kaufpreises angemessen. Für ein Feststellungsbegehren verbleibe kein Raum.

[4] Die Revision erklärte das Berufungsgericht über Antrag des Klägers gemäß § 508 ZPO für zulässig, weil zur Frage, „ob die Berechnung des Schadens nach der relativen Berechnungsmethode bei zusätzlich vorliegender Schutzgesetzverletzung in den Hintergrund tritt bzw treten kann“, höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht auffindbar sei.

Rechtliche Beurteilung

[5] Dagegen richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers, die entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) – des Berufungsgerichts nicht zulässig ist.

[6] 1. Die vom Berufungsgericht in seinem Zulassungsausspruch als erheblich im Sinn von § 502 Abs 1 ZPO erachtete Rechtsfrage ist aus Anlass der Revision des Klägers nicht zu erörtern (dazu im Folgenden). Eine im Einzelfall durch den Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung kann der Kläger mit seinen Ausführungen zur Höhe des ihm vom Berufungsgericht zuerkannten Ersatzbetrags ebenfalls nicht aufzeigen:

[7] 2. Hält der Getäuschte – wie hier der Kläger – am Vertrag fest, ist der Schaden gemäß § 874 ABGB aufgrund der relativen Berechnungsmethode (vgl dazu RS0107864; RS0014750) zu ermitteln. Auch das Berufungsgericht hat auf diesen Grundsatz hingewiesen.

[8] 2.1. Der getäuschte Käufer hat demnach Anspruch auf Ersatz des Minderwerts, der sich aus dem Verhältnis des vereinbarten zum herabgesetzten Preis im Vergleich zum Verhältnis des Werts der Sache mit und ohne Mangel errechnet. Nach den Feststellungen lag der Wert des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Ankaufs 5 % bis 15 % unter dem von ihm bezahlten Preis. Da der Kläger auch nicht geltend macht, dass der Wert seines Fahrzeugs im mängelfreien Zustand bei Kauf nicht dem von ihm bezahlten Preis entsprochen hätte, errechnet sich für sein Fahrzeug nach der relativen Berechnungsmethode ein Minderwert in einer Bandbreite von 675 EUR bis 2.025 EUR. Weshalb zwingend und ausschließlich die festgestellte Obergrenze von 15 % in die Berechnung ihres Ersatzanspruchs einfließen müsste, kann der Kläger in seinem Rechtsmittel nicht schlüssig darstellen und ergibt sich auch nicht aus dem Sachverständigengutachten, das insoweit den Feststellungen zugrunde liegt.

[9] 2.2. Damit mag es zwar zutreffen, dass das Berufungsgericht zu Unrecht auf die Schadensermittlung Bezug genommen hat, die nach der Rechtsprechung bei einer Haftung für eine Schutzgesetzverletzung aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben zum Tragen kommt (dazu RS0134498). Im Ergebnis ist es bei dieser Sachlage aber nicht zu beanstanden, dass es unter Heranziehung der Bestimmung des § 273 Abs 1 ZPO den Ersatzbetrag mit 1.350 EUR und damit innerhalb der Bandbreite der aus den Vorgaben des Sachverständigen auch nach der relativen Berechnungsmethode resultierenden Werte festgesetzt hat. Damit kann auch die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage dahin stehen. Inwieweit das Berufungsgericht das ihm nach § 273 ZPO eingeräumte Ermessen überschritten hätte, sodass allenfalls eine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung vorläge, kann der Kläger mit den in seiner Revision – zum Teil ohne jeden Bezug auf die hier zu klärenden Rechtsfragen – zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs nicht nachvollziehbar darstellen.

[10] 2.3. Jede Feststellungsklage erfordert nach § 228 ZPO ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder Rechts. Regelmäßig verneint wird das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger seinen Anspruch zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann (RS0038817). Mit der Begründung des Berufungsgerichts, das im Ergebnis ein Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung verneinte, setzt sich der Kläger in seiner Revision nicht auseinander. Damit ist dem Obersten Gerichtshof eine Überprüfung dieser Frage mangels gesetzmäßiger Rechtsrüge verwehrt (RS0043603 [T16]).

[11] 3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

[12] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte wies auf die Unzulässigkeit der Revision hin und hat damit Anspruch auf Ersatz ihrer darauf entfallenden Kosten.

Rückverweise