JudikaturOGH

5Ob99/24f – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Oktober 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Painsi als Vorsitzenden sowie den Hofrat Mag. Wurzer, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und die Hofräte Dr. Steger und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. K*, 2. W*, ebenda, beide vertreten durch Mag. Domenique Schöngrundner, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Dr. Christoph Zauhar LL.M., Mag. Heinrich Wallner LL.M., Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 7. März 2024, GZ 6 R 181/23s 33, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz Ost vom 14. September 2023, GZ 205 C 538/22i 26, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Die Kläger begehren als Hälfteeigentümer eines dienenden Grundstücks von der Beklagten als Alleineigentümerin des herrschenden Grundstücks, es zu unterlassen, mit Fahrzeugen jeglicher Art den auf der Liegenschaft der Kläger liegenden, in der Natur als Schotterweg ausgestalteten Servitutsweg mit einer höheren Geschwindigkeit als Schrittgeschwindigkeit zu befahren.

[2] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Servitutsweg sei eine Straße mit öffentlichem Verkehr, weil die Beschränkung durch die Tafel „Begehen und Befahren nur für Servitutsberechtigte“ keine individuelle Erlaubnis darstelle, wer den Weg benützen dürfe. Für eine Straße mit öffentlichem Verkehr dürften die Kläger keine Geschwindigkeitsbeschränkung verordnen.

[3] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge, hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. N ach dem Sachverhalt sei das Befahren des über das Grundstück der Kläger führenden Privatwegs nur einem bestimmten Personenkreis, nämlich den vom Erstgericht genannten „Besuchern“ der Beklagten und ihres landwirtschaftlichen Betriebs gestattet, womit der ausdrücklich als solcher gekennzeichnete Privatweg rechtlich als Straße ohne öffentlichen Verkehr zu qualifizieren sei, für die die Kläger eine Geschwindigkeitsbeschränkung ver ordnen dürften. Der Sachverhalt sei allerdings ergänzungsbedürftig, weil das Erstgericht keine Feststellungen zu der von der Beklagten beim Befahren des Servitutswegs eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit getroffen habe.

[4] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Berufungsgericht mittels Ergänzungsbeschluss mit 5.000 EUR übersteigend. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ es mit der Begründung zu, nach den Feststellungen benützten – wenngleich eher selten – nicht der Beklagten zuzuordnende Fußgänger den Weg. Nach der Rechtsprechung sei für die Frage der Qualifikation einer Straße als solche mit oder ohne öffentlichem Verkehr auf Fahrzeug und/oder Fußgängerverkehr abzustellen. Höchstgerichtlich sei noch nicht geklärt, ob ein nur gelegentlicher Fußgängerverkehr auf einem Weg/einer Straße ausreiche, um die Straße als solche mit öffentlichem Verkehr zu qualifizieren, wenn gleichzeitig das Befahren dieses Wegs/dieser Straße nur einem eingeschränkten Personenkreis gestattet sei.

[5] Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten, in dem sie die Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des abweisenden Ersturteils anstrebt.

[6] Die Kläger beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der Rekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig; er zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[8] 1.1. In der höchstgerichtlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und auch des VwGH, die schon das Berufungsgericht zitiert hat, ist geklärt, dass Straßen mit öffentlichem Verkehr gemäß § 1 Abs 1 Satz 2 StVO nur solche sind, die von jedermann – das heißt von einem nicht von vornherein bestimmten Personenkreis – unter gleichen Bedingungen benützt werden können, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung frei stehen. Auf die Besitz und Eigentumsverhältnisse am Straßengrund kommt es nicht an, ausschlaggebend ist die tatsächliche Benutzbarkeit der Verkehrsfläche (VwGH 27. 5. 2011, 2010/02/0250; 2 Ob 142/01y; RS0073076; RS0073098).

[9] 1.2. Behält sich der Verfügungsberechtigte die individuelle Zulassung bestimmter Personen zum Fahrzeug- und/oder Fußgängerverkehr auf der Straße für jedermann (etwa durch Hinweistafeln oder Schranken) erkennbar vor und stellt er die individuelle Zulassung auch im Sinn des Ausschlusses anderer Personen von dieser Benutzung durch bestimmte Maßnahmen regelmäßig sicher, liegt eine Straße ohne öffentlichen Verkehr vor (9 ObA 32/13s).

[10] 1.3. Ist die Benützung einer Straße nur bestimmten Personen oder einem bestimmten Personenkreis gestattet, so handelt es sich um eine Straße ohne öffentlichen Verkehr. Dies gilt auch, wenn der Verkehr auf die Besucher bestimmter Objekte beschränkt ist. Die Bezugnahme auf dieses Objekt stellt bei der Umschreibung des Benützerkreises eine konkrete Einschränkung dar, die dazu führt, dass keine abstrakte Umschreibung des Benützerkreises und damit kein öffentlicher Verkehr mehr vorliegt (RS0073058).

[11] 1.4. Grundsätzlich ist davon aus zugehen , dass es sich bei einer Straße dann um eine solche mit öffentlichem Verkehr handelt, wenn sie weder abgeschrankt noch als Privatstraße gekennzeichnet ist, noch auf dieser auf die Beschränkung des öffentlichen Verkehrs hinweisende Tafeln aufgestellt sind (RS0073102 [T2]).

[12] 1.5. Ob eine Straße mit öffentlichem Verkehr vorliegt oder nicht, kann naturgemäß nur nach den Gegebenheiten des Einzelfalls beurteilt werden, weshalb dies im Regelfall keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufwirft. Eine auch im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zeigt die Beklagte nicht auf.

[13] 2.1. Das Berufungsgericht ging aufgrund der im Jänner 2023 von den Klägern unbeanstandet errichteten Tafel mit der Aufschrift „Privatweg – Begehen und Befahren nur für Servitutsberechtigte“ davon aus, der Servitutsweg sei nicht nur ausdrücklich als Privatweg gekennzeichnet, sondern auch mit einem allgemein sichtbaren Benützungsverbot für nicht Servitutsberechtigte beschriftet worden. Dass nicht nur die Beklagte – die dort eine Landwirtschaft und einen Pferdeeinstellbetrieb betreibt – sondern auch deren Besucher, Einsteller und deren Freunde, Hufschmiede, Tierärzte, Physiotherapeuten, Lieferanten, Arbeiter, Paketzusteller, der Maschinenring und das die Senkgrube ausleerende Fahrzeug den Servitutsweg benutzen, wertete das Berufungsgericht jedenfalls vertretbar dahin, dass es sich dabei um den Benutzerkreis handelt , der durch die Tafeln mit dem Hinweis auf die Zulassung des Begehens und Befahrens nur für Servitutsberechtigte definiert wird und der das Begehen oder Befahren vom Servitutsrecht der Beklagten ableiten kann , es sich bei diesen N utzern des Wegs daher weitestgehend um solche handelte, die die auf der Liegenschaft der Beklagten betriebene Landwirtschaft und/oder den dort situierten Pferdeeinstellbetrieb, somit ein bestimmtes Objekt auf zusuchen beabsichtigten . Dass sich etwa zwei Mal pro Woche Personen auf den Weg verirren, die vom Navigationssystem versehentlich dorthin gelotst wurden, kann nach der im Einzelfall nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Berufungsgerichts daran nichts ändern, zumal eine Gestattung der Nutzung diesen Personen gegenüber nicht vorlag.

[14] 2.2. Aus dem Verweis auf das Erkenntnis des VwGH Ra 2014/02/0138 ist für die Beklagte nichts zu gewinnen, ging es doch dort um eine Verkehrsfläche mit dem Verkehrszeichen „Halten und Parken verboten“ und der Zusatztafel „ausgenommen Hausbewohner“. Der VwGH wertete diesen Hinweis dahin, er schränke das Befahren der gekennzeichneten Fläche nicht auf hiezu Berechtigte ein . Der Sachverhalt ist nicht vergleichbar, zumal im konkreten Fall die Hinweistafel sowohl das Begehen als auch das Befahren nur für Servitutsberechtigte explizit gestattet (und erkennbar für jedermann sonst verb ietet) . Dem Erkenntnis des VwGH 2013/02/0168 lag ebenso kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, war die Verkehrsfläche dort doch zwar als Kundenparkplatz und Lieferantenzufahrt gekennzeichnet, aber nicht einmal nach den Behauptungen des Beschwerdeführers nur für bestimmte Personengruppen benutzbar.

[15] 2.3. Dass die vom Erstgericht festgestellten Personen wie etwa Freunde der Einsteller, Hufschmiede oder Tierärzte den Weg eigenständig und unabhängig von einer Gestattung und vom Wissen der Beklagten befahren, wurde nicht behauptet und widerspricht dem festgestellten Sachverhalt. Insoweit führt die Beklagte ihre Rechtsrüge nicht gesetzesgemäß aus. Warum die Wertung des Berufungsgerichts den Begriff des nicht öffentlichen Wegs unzumutbar und in einem die Verkehrssicherheit gefährdenden Umfang ausdehnen sollte, ist nicht nachvollziehbar.

[16] 2.4. Damit kommt es aufgrund des Inhalts der von den Klägern aufgestellten Verbotstafel nicht auf die vom Berufungsgericht in der Zulassungsbegründung aufgeworfene Rechtsfrage an. Wie ein Weg einzuordnen wäre, der gelegentlich (gemeint: zulässigerweise) von Fußgängern begangen wird, wenn gleichzeitig das Befahren nur einem beschränkten Personenkreis gestattet wurde , ist hier nach dem Inhalt der festgestellten Verbotstafel nur von theoretisch abstrakter Bedeutung und vermag daher keine erhebliche Rechtsfrage aufzuwerfen (RS0111271).

[17] 2.5. Unbekämpft steht hier nämlich fest, dass der str ittige Weg seit Anfang 2023 mit der Hinweistafel „Privatweg – Begehen und Befahren nur für Servitutsberechtigte“ gekennzeichnet ist , die Kläger als Eigentümer des Wegs sich daher die individuelle Zulassung bestimmter Personen zum Fahrzeug und Fußgängerverkehr auf dem Servitutsweg für jedermann erkennbar vorbehalten haben. Selbst wenn man die Feststellung des Erstgerichts, „Fußgänger sind auf dem Weg eher selten, da es sich um keinen Spazierweg handelt, der Weg im Wald endet und sich dort im Wald kein Ziel für einen Spaziergang befindet“ so verstehen wollte, dass – entgegen dem mit dem Wort „allerdings“ eingeleiteten nächsten Satz, wonach der Weg (als Fußgänger, gemeint wohl: nur) von der Feuerwehr und dem Roten Kreuz, die Einladungen verteilen, von Wahlwerbern, Zeugen Jehovas und der Müllabfuhr, wenn sie neue Mülltonnen bringen, begangen wird – tatsächlich gelegentlich Fußgänger auf diesem Weg spazieren gehen, würde sich die durch die Verbotstafel ausgedrückte Gestattung durch die Kläger nicht auf solche Spaziergänger beziehen. Dass ein solches seltenes Begehen durch einzelne Spaziergänger für die Kläger überhaupt wahrnehmbar gewesen wäre (und sie daher rechtliche Maßnahmen dagegen ergreifen hätten können), wurde weder behauptet noch festgestellt. Dem Umstand alleine, dass es einem Fußgänger möglich ist, ungeachtet der Verbotstafel den Weg faktisch zu benützen, spielt im Gegensatz zu der offenbar von der Beklagten vertretenen Auffassung keine rechtlich relevante Rolle, weil es den Weg nach der Rechtsprechung noch nicht zu einem solchen mit öffentlichem Fußgängerverkehr machen würde. Auch insoweit ist die Entscheidung des Berufungsgerichts – als auf dem Boden der zitierten Rechtsprechungsgrundsätze fußend – nicht zu beanstanden.

[18] 3. Damit war der Rekurs zurückzuweisen.

[19] 4. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit des Rekurses nicht hingewiesen, sodass sie gemäß §§ 40, 50 ZPO die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen haben (RS0035962).

Rückverweise