11Os94/24v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. September 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Faulhammer, LL.M. (WU) als Schriftführer in der Strafsache gegen * K* wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen und im Verfahren zu dessen strafrechtlicher Unterbringung in einem forensisch therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. Juli 2024, GZ 31 Hv 57/24p 70.1, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I/) sowie je mehrerer Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB idF BGBl I 2009/40 (II/) und nach „§ 207a Abs 3 erster und zweiter Fall StGB“ ( erkennbar gemeint: teils erster Satz [erster und zweiter Fall] und teils zweiter Satz [erster und zweiter Fall]) idF BGBl I 2017/117 (III/) schuldig erkannt, unter Bedachtnahme auf ein (näher bezeichnetes) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien aus dem Jahr 2023 zu einer (Zusatz )Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB die Unterbringung des Angeklagten in einem forensisch therapeutischen Zentrum angeordnet.
[2] Danach hat er in W*
I/ am 15. Juli 2013 an einer unmündigen Person außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er mit seinen Fingern die Vagina und den Anus der am * 2005 geborenen * C* intensiv betastete;
II/ am 15. Juli 2013 pornographische Darstellungen einer minderjährigen Person, und zwar wirklichkeitsnahe Abbildungen geschlechtlicher Handlungen an * C*, hergestellt, indem er von den zu I/ angeführten Handlungen zwei Videos anfertigte;
III/ in der Zeit von 15. Juli 2013 bis 20. März 2023 sich pornographische Darstellungen „unmündiger minderjähriger Personen“ (US 5: mündiger und unmündiger Minderjähriger) verschafft und besessen, indem er „1.700 Video und 245.000 Bilddateien“, die „ u nmündige Minderjährige“ (US 5: mündige und unmündige Minderjährige) beim Oral , Vaginal und Analverkehr sowie reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte, von anderen Lebensäußerungen losgelöste und der sexuellen Erregung des Betrachters dienende Aufnahmen der Genitalien oder der Schamgegend Unmündiger (US 5: und mündiger Minderjähriger) zeigen, aus dem Internet herunterlud und auf verschiedenen Datenträgern abspeicherte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Allein gegen die Unterbringung richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Die Sanktionsrüge (nominell Z 11 iVm Z 5; der Sache nach Z 11 zweiter Fall) reklamiert, das Erstgericht hätte mit Blick auf die Urteils aussagen , wonach die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Angeklagte „binnen Monaten bis längstens zu einem Jahr“ unter dem maßgeblichen Einfluss seiner näher bezeichneten Störung schwerwiegende Sexualstraftaten gegen unmündige Minderjährige bis hin zu Vergewaltigungsdelikten begehen werde (US 7), das Kriterium der Absehbarkeit der Prognosetat für die Gefährlichkeitsprognose verkannt.
[5] Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall liegt bloß vor, wenn die Gefährlichkeitsprognose eine der in § 21 Abs 1 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person und Zustand des Rechtsbrechers sowie Art der Tat) vernachlässigt oder die aus den gesetzlich angeordneten Erkenntnisquellen gebildete Feststellungsgrundlage (vgl dazu 12 Os 124/23m, 11 Os 80/23h; Ratz, WK StPO § 281 Rz 684 f und Rz 719; Ratz , EvBl 2024/18, 62) die Ableitung der Befürchtung, das heißt der rechtlichen Wertung einer hohen Wahrscheinlichkeit für die Sachverhaltsannahme, der Rechtsbrecher werde in absehbarer Zukunft eine oder mehrere bestimmte Handlungen begehen, welche ihrerseits rechtlich als mit Strafe bedroht und entsprechend sozialschädlich (mit schweren Folgen) zu beurteilen wären, als willkürlich erscheinen lässt (vgl RIS Justiz RS0113980, RS0118581; Ratz, WK StPO § 281 Rz 715 ff ).
[6] Die mit dem MVAG 2022, BGBl I 2022/223, eingefügte Wortfolge „in absehbarer Zukunft“ betont, dass die Gefahr der Begehung der Prognosetat aktuell sein muss.
[7] Fallbezogen bejahte das Erstgericht das Kriterium hoher Wahrscheinlichkeit der in absehbarer Zukunft zu befürchtenden Begehung einer im Urteil genannten Prognosetat ua wegen der beim Angeklagten bestehenden schwerwiegenden und nachhaltigen pädophilen Nei g ung und der „unfassbar großen Zahl von schwerst pädophilen Dateien“ sowie der „Dateien des konkreten von ihm selber durchgeführten Missbrauchs“, die sich (bis zur Hausdurchsuchung am 20. März 2023; US 6) in seinem Besitz befanden (US 6 f und 9 iVm dem psychiatrischen Sachverständigengutachten ON 60.2 S 31 ff und ON 70 S 8 f).
[8] Dass dies – auf der Basis der aus den gesetzlich angeordneten Erkenntnisquellen (Person [US 4 f] und Zustand [US 6 f] des Rechtsbrechers sowie Art der Tat [US 5 f]) gebildeten Feststellungsgrundlage (US 6 f) – willkürlich erfolgt wäre (vgl RIS Justiz RS0113980 [T7]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 718 f), wird in der Beschwerde (zu Recht) nicht behauptet.
[9] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.