11Os92/24z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. September 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Faulhammer LL.M. (WU) in der Strafsache gegen * B* wegen Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3a Z 1 erster Fall, Abs 4 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. Juni 2024, GZ 91 Hv 18/24v-46.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu II/ wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3a Z 1 erster Fall, Abs 4 zweiter Fall StGB zum Nachteil der I*, demzufolge im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im Privatbeteiligtenzuspruch zugunsten I* aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Mit der weiteren auf den Schuldspruch zu II/ bezogenen Nichtigkeitsbeschwerde und mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Soweit sie sich gegen den Schuldspruch zu I/ wendet wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* eines Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (I/) und dreier Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3a Z 1 erster Fall, Abs 4 zweiter Fall StGB (II/) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit hier von Bedeutung – in W* gegen nachgenannte Personen eine längere Zeit hindurch, bis zuletzt am 29. Jänner 2024, fortgesetzt Gewalt ausgeübt, und zwar
I/ gegen seine Ehefrau F* seit dem 1. Juni 2009, indem er sie immer wieder wiederholt am Körper verletzte oder zu verletzen versuchte, insbesondere indem er einmal ein Trinkglas in Richtung ihres Kopfes warf und diesen nur knapp verfehlte, ihr einmal einen Faustschlag gegen die Lippe versetzte und sie einmal mit einem Bleistift gegen die Stirn attackierte, wodurch sie in zahlreichen Fällen Verletzungen, insbesondere Hämatome, sowie einmal auch einen gebrochenen Finger und einmal eine blutige Lippe erlitt, sowie indem er die Genannte auch nach Ende der körperlichen Übergriffe mehrmals monatlich mit dem Umbringen bedrohte;
II/ gegen (seine drei Töchter, darunter) I*, geboren am 22. April 2014, seit dem Jahr 2014, indem er […] ihr zumindest regelmäßig Ohrfeigen versetzte und (alle Töchter, somit auch) sie regelmäßig – bei gleichzeitiger Abnahme der körperlichen Gewalt – mit zunehmender Häufigkeit mit dem Umbringen bzw damit bedrohte, er werde ihr das Leben zur Hölle machen, sie sohin am Körper misshandelte, zu verletzten versuchte und mit Verletzungen am Körper bedrohte, wodurch er vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben sowie die Freiheit gegen sie setzte, diese Taten teils gegen unmündige Personen beging und die Gewalt gegen Unmündige länger als ein Jahr ausübte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen I/ und II/ – insoweit eingeschränkt auf I* – richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Zu I/
[4] Die Subsumtionsrüge (Z 10) reklamiert, die Feststellungen zu Dauer, Dichte und Intensität der Gewaltausübungen gegen F* würden die Subsumtion nach § 107b Abs 1 StGB nicht tragen, weshalb allenfalls „eine Verurteilung nach den §§ 83, 107 StGB“ in Betracht käme.
[5] Sie macht aber nicht deutlich, warum die Konstatierungen, wonach der Beschwerdeführer die Genannte „mehrmals monatlich mit dem Umbringen [bedrohte]“, die „fortgesetzte Gewaltausübung in Form tatsächlicher oder angedrohter Verletzungshandlungen von entsprechender Regelmäßigkeit bis hin zu mehrmals im Monat geprägt war“ und über mehr als 14 Jahre ausgeübt wurde (US 5 f), bei einzelfallbezogener Gesamtbetrachtung (vgl RIS-Justiz RS0127377) für die Subsumtion unter den (Grund-)Tatbestand des § 107b Abs 1 StGB nicht genügen und warum es der Feststellung eines exakten Tatzeitraums bedürfen sollte (vgl RIS-Justiz RS0116565).
[6] Die Nichtigkeitsbeschwerde zu I/ des Schuldspruchs war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Zu II/
[7] Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) macht zu Recht eine fehlende oder offenbar unzureichende Begründung der Feststellung zu Art, Häufigkeit und Dauer der gegen I* gerichteten „Gewalt“ im Sinn des § 107 Abs 2 StGB geltend.
[8] Sie zeigt nämlich zutreffend auf, dass das Schöffengericht nicht zu erkennen gab, wie es aus den im Urteil zur Begründung herangezogenen Aussagen (US 8 f) zur bezeichneten Feststellung gelangte (vgl RIS Justiz RS0099413 [insb T9]), zumal darin entweder keine konkretisierten Angaben über Wahrnehmungen zu Intensität, Frequenz und Dauer von „Gewaltakten“ des Angeklagten (just) gegen I* enthalten sind (ON 31, 13; ON 32, 21) oder nur Wahrnehmungen zu einem einzelnen Angriff gegen diese geschildert werden (ON 2.6, 5, ON 30, 17; ON 46.1, 20).
[9] Eines Eingehens auf die weitere Argumentation zum Schuldspruch II/ bedarf es daher nicht.
[10] In Ansehung des erfolgreichen Teils des Rechtsmittels war das Urteil bei der nichtöffentlichen Beratung in dem im Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben, eine neue Hauptverhandlung anzuordnen und die Sache an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).
[11] Mit der weiteren auf den Schuldspruch zu II/ bezogenen Nichtigkeitsbeschwerde und mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO (RIS Justiz RS0101342).