9ObA37/24t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. A*, vertreten durch lawpoint Hütthaler-Brandauer Akyürek Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, Rathausstraße 4, 1082 Wien, vertreten durch Mag. Dieter Kieslinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, in eventu Feststellung (Streitwert: 53.389,06 EUR) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 28. Februar 2024, GZ 9 Ra 109/23z 48, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 12. Oktober 2023, GZ 26 Cga 25/21t 44, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.685,48 EUR (darin enthalten 447,58 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger war bei der Beklagten ab 14. 1. 2019, zunächst befristet bis 13. 1. 2020, ab 14. 1. 2020 unbefristet beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis ist das Wiener Bedienstetengesetz (W BedG) anzuwenden.
[2] Am 10. 1. 2019 wurde die Tochter des Klägers geboren. Der Kläger beantragte am 3. 10. 2019 einen Karenzurlaub gemäß § 68 W BedG vom 16. 12. 2019 bis 14. 2. 2020 zur Betreuung seiner Tochter, der ihm auch gewährt wurde.
[3] Am 27. 7. 2020 beantragte der Kläger eine Teilzeitbeschäftigung gemäß § 59 W BedG ab 1. 11. 2020 zur Betreuung seiner Tochter im Ausmaß von 32 Wochenstunden bei einer 4 Tage Woche von Dienstag bis Freitag. Mit Mail vom 23. 10. 2020 teilte die Dienststellenleitung dem Kläger mit, dass „wie bereits mitgeteilt“ sein Antrag auf Teilzeitbeschäftigung „aus dienstlichen Gründen in der vorliegenden Form nicht genehmigungsfähig“ sei. Es werde „daher für Anfang November ein Termin unter Einbindung der Stabstelle Personal angesetzt werden“. Ab 3. 11. 2020 befand sich der Kläger mit Ausnahme des 20. 11. 2020 durchgehend im Krankenstand.
[4] Mit Schreiben vom 9. 4. 2021, dem Kläger zugegangen am 16. 4. 2021, kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis zum 30. 6. 2021.
[5] Grund für die Kündigung war weder der Antrag des Klägers auf Karenzurlaub , noch der Antrag des Klägers auf Elternteilzeit, sondern alleine der Umstand, dass der Kläger der B eklagten aufgrund seines mehrmonatigen Krankenstands nicht zur Verfügung stand und die B eklagte erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses mit dem Kläger d en Dienstposten nachbesetzen konnte.
[6] Der Kläger begehrt die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären, in eventu das aufrechte Fortbestehen des Dienstverhältnisses über den 30. 6. 2021 hinaus festzustellen. Er bringt – soweit für das Revisionsverfahren noch von Relevanz – vor, die Kündigung sei aufgrund de s von ihm in Anspruch genommenen Karenzurlaubs gemäß § 68 W BedG, d er de facto eine Eltern-Karenz iSd § 53 W BedG gewesen sei, erfolgt. Darin liege eine Diskriminierung wegen des Geschlechts, die zur Anfechtung der Kündigung berechtige.
[7] Er habe einen Antrag auf Elternteilzeit gestellt und daher Kündigungsschutz gemäß § 129 Abs 6 und 7 W BedG. Die dreijährige Wartefrist für den Anspruch auf Elternteilzeit gelte gemäß § 59 Abs 2 W BedG nicht, wenn der Bedienstete für das Kind, für das er die Teilzeitbeschäftigung beantrage, Anspruch auf Eltern-Karenz gemäß § 53 W BedG gehabt habe. Auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Eltern-Karenz gemäß § 53 W BedG komme es nicht an. Der Kündigungsschutz habe mit der Einbringung des Antrags begonnen und laufe bis 10. 2. 2024, also einen Monat nach Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes. Das W-Bed G regle nicht, was im Fall eines Anspruchs auf Elternteilzeit, dem vom Dienstgeber nicht entsprochen werde, zu geschehen habe. Es sei jedoch davon auszugehen, dass die beantragte Elternteilzeit zustehe, wenn die Beklagte deren Ablehnung nicht gerichtlich durchsetze. Überdies werde das Klagebegehren „auch auf § 22 iVm § 119 W BedG gestützt“.
[8] M it Schriftsatz vom 16. 3. 2023 (ON 33) brachte der Kläger vor, er sei wegen seines Krankenstands gekündigt worden. Darin liege eine Diskriminierung bei der Beendigung des Dienstverhältnisses wegen einer Behinderung iSd § 22 Abs 1 Z 7 W BedG. Der lang dauernde Krankenstand des Klägers erfülle die Voraussetzungen des § 22 Abs 2 W BedG.
[9] Die Beklagte bestreitet und wendet zusammengefasst ein, die Kündigung sei weder wegen des Karenzurlaubs noch wegen des Antrags auf Elternteilzeit, sondern wegen einer mangelhaften Arbeitsleistung des Klägers erfolgt. Die vom Kläger beantragte Teilzeitbeschäftigung von 32 Wochenstunden sei aus dienstlichen Gründen abgelehnt und d em Kläger eine Reduktion der Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden angeboten worden. Diesen Vorschlag habe er abgelehnt. Daraufhin sei eine schriftliche Ablehnung der beantragten Teilzeitbeschäftigung erfolgt. In der Folge habe sich der Kläger durchgehend im Krankenstand befunden.
[10] Der Kläger habe keinen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung zur Betreuung seines Kindes gemäß § 59 W BedG. Die dreijährige Wartefrist des § 59 Abs 2 W BedG entfalle nur, wenn der Bedienstete für das Kind, für das Elternteilzeit begehrt werde, Anspruch auf Eltern-Karenz gemäß § 53 W BedG gehabt habe. Mangels Antragstellung habe der Kläger e inen solchen Anspruch nicht gehabt.
[11] Eine Diskriminierung wegen einer Behinderung sei erstmals mit Schriftsatz vom 16. 3. 2023 und damit nicht in der vierwöchigen Anfechtungsfrist geltend gemacht worden. Es werde daher V erfrist ung eingewendet . Darüber hinaus liege keine Behinderung des Klägers vor. Die Kündigung sei für den Fall des Vorliegens einer Behinderung jedenfalls auch gerechtfertigt. Der Kläger sei für die dienstvertragliche Tätigkeit gesundheitlich ungeeignet.
[12] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger könne sich zwar auf den Entfall der dreijährigen Warte frist des § 59 Abs 2 W BedG berufen, weil es nach dem zweiten Fall dieser Bestimmung nur auf den Anspruch auf Eltern-Karenz gemäß § 53 W BedG ankomme, den der Kläger gehabt, wenn auch nicht in Anspruch genommen habe. Daraus folge ein Anspruch des Klägers auf Elternteilzeit. Der Kündigungsschutz des § 129 Abs 7 W BedG beginne mit der Einbringung des Antrags auf Elternteilzeit und ende einen Monat nach Ende der Elternteilzeit, spätestens aber einen Monat nach Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes. Ein früheres Ende des Kündigungsschutzes trete ein, wenn keine Einigung über die Bedingungen der Teilzeitbeschäftigung zustande komme und der Arbeitnehmer dagegen keine rechtlichen Schritte unternehme. Der Kläger sei gegen die Ablehnung seines Antrags bis zu der am 16. 4. 2021 zugegangenen Kündigung nicht vorgegangen. Obwohl das W BedG keine entsprechenden Vorgaben enthalte, sei davon auszugehen, dass der Kläger gegen die Ablehnung seines Antrags im Sinne einer Aufgriffsobliegenheit hätte gerichtlich vorgehen müssen. Da er dies über mehr als sechs Monate nicht getan habe, könne er sich nicht auf den Kündigungsschutz des § 129 Abs 7 W BedG berufen.
[13] Das Erstgericht verneinte weiters sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Beendigungsdiskriminierung aufgrund einer Behinderung. Die Kündigung wegen der Krankenstände des Klägers s ei gemäß § 22 Abs 4 W BedG gerechtfertigt. Darüber hinaus habe er eine Diskriminierung wegen Behinderung erst nach Ablauf der vierwöchigen Anfechtungsfrist des § 123 W BedG geltend gemacht.
[14] Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge. Gemäß § 59 Abs 2 W BedG in der anzuwendenden Fassung vor der 2. Dienstrechts-Novelle 2023, LGBl 16/2023, bestehe ein Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung nur, wenn das Dienstverhältnis zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung ununterbrochen drei Jahre gedauert habe. Diese Wartefrist gelte nur dann nicht, wenn der Bedienstete für dieses Kind Anspruch auf Eltern-Karenz gemäß § 53 W BedG gehabt habe. Der vom Kläger in Anspruch genommene Karenzurlaub gemäß § 68 W BedG unterscheide sich von einer Eltern-Karenz gemäß § 53 Abs 1 W BedG und erfülle damit diese Voraussetzung nicht. Der Anspruch auf Eltern-Karenz sei nicht an eine Mindestbeschäftigungsdauer geknüpft. Offenbar deshalb normiere der Landesgesetzgeber analog zu § 12 VBO 1995 auch in § 59 Abs 2 W BedG eine Ausnahme von der dreijährigen Wartefrist.
[15] Übe der Bedienstete sein Gestaltungsrecht nicht aus, stelle er also keinen entsprechenden Antrag, entstehe auch der Anspruch auf Eltern-Karenz nicht. Die bloße Möglichkeit, Eltern Karenz erfolgreich geltend machen zu können, genüge nicht für einen Anspruch auf Elternteilzeit. Ob eine beantragte Eltern Karenz auch tatsächlich konsumiert worden sein müsse, um zum Entfall der Wartefrist zu führen, könne dahingestellt bleiben. Der Kläger erfülle diese Voraussetzungen nicht, weshalb auch kein Kündigungsschutz nach § 129 Abs 6 und 7 W BedG bestehe.
[16] Ein Nachschieben von Anfechtungsgründen nach Ablauf der Anfechtungsfrist sei unzulässig. Dagegen könne ein fristgerecht vorgebrachter Anfechtungsgrund auch noch nach Fristablauf konkretisiert werden. Zwar werde in der Klage das Klagebegehren auch auf „§ 22 iVm § 119 W BedG“ gestützt, weder das sonstige Klagsvorbringen an sich noch die Systematik der Darstellung gäben jedoch einen Hinweis darauf, dass das als Hauptbegehren erhobene Anfechtungsbegehren nicht nur auf eine Diskriminierung wegen des Geschlechts (§ 3 Z 7 W GBG) gestützt werde. Auch könne der Klage nicht entnommen werden, auf welches geschützte Merkmal und auf welchen in § 22 W BedG genannten Diskriminierungstatbestand der Kläger sich berufen wolle. Erstmals im Schriftsatz ON 33 habe er ein Vorbringen erstattet, das erkennen l asse , dass er sich auch auf g rund einer Behinderung als diskriminiert erachte. Damit habe der Kläger den Anfechtungsgrund der Diskriminierung wegen Behinderung aber verspätet geltend gemacht.
[17] Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 59 Abs 2 W BedG vorlieg e .
[18] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass der Klage stattgegeben wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[19] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht F olge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[20] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
[21] 1. Voranzustellen ist, dass die vom Kläger in erster Instanz relevierten Mobbingvorwürfe nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens sind. Darauf muss daher nicht weiter eingegangen werden.
[22] 2. Nach § 59 Abs 2 W BedG in der hier anzuwendenden Fassung vor der 2. Dienstrechts-Novelle 2023, LGBl 2023/16, hat die bzw der Bedienstete einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung nach Abs 1 dieser Bestimmung, wenn das Dienstverhältnis zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung ununterbrochen drei Jahre gedauert hat; diese Wartefrist gilt nicht, wenn die bzw der Bedienstete für dieses Kind Anspruch auf Eltern Karenz gemäß § 53 W BedG gehabt hat.
[23] 3. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass d er vom Kläger in Anspruch genommene Karenzurlaub nach § 68 W BedG diese Voraussetzung nicht erfüllt und eine Eltern-Karenz iSd § 53 W BedG von ihm nicht beantragt und nicht in Anspruch genommen wurde. Weiters erfüllte der Kläger zum Zeitpunkt des beabsichtigten Antritts der Teilzeitbeschäftigung die dreijährige Wartefrist nicht.
[24] Zu prüfen bleibt daher, w ie die Formulierung „wenn die bzw der Bedienstete für dieses Kind Anspruch auf Eltern-Karenz gemäß § 53 W BedG gehabt hat“, zu verstehen ist und ob der Kläger diese Voraussetzung erfüllt.
[25] 4 . Nach § 53 Abs 1 W-BedG i dF LGBl 2017/33 gebührt der bzw dem Bediensteten auf Antrag eine Eltern-Karenz (gegen Entfall der Bezüge) bis zum Ablauf von zwei Jahren nach der Geburt des Kindes. Die Eltern-Karenz kann einmalig in der Dauer von einem Monat aus Anlass des Wechsels der Betreuungsperson durch beide Elternteile gleichzeitig in Anspruch genommen werden; dies gilt auch, wenn der Anspruch auf (Eltern-)Karenz eines Elternteiles auf einer gleichartigen Rechtsvorschrift beruht.
[26] Abs 4 leg cit sieht vor, dass d ie Eltern-Karenz gemäß Abs 1 und 2 frühestens acht Wochen nach der Geburt des Kindes beginnt und mindestens zwei Monate betragen muss.
[27] Nach Abs 5 ist d er Antrag auf Eltern-Karenz
1. bei einer Eltern-Karenz gemäß Abs 1 und 2 spätestens acht Wochen nach der Geburt des Kindes,
…
3. wenn die Gemeinde Wien oder die Arbeitgeberin bzw der Arbeitgeber des anderen Eltern-, Adoptiveltern- oder Pflegeelternteiles eine Teilzeitbeschäftigung gemäß § 59 dieses Gesetzes oder anderen gleichartigen Rechtsvorschriften ablehnt, spätestens acht Wochen nach der Ablehnung zu stellen. Möchte die bzw der Bedienstete im Anschluss an eine nach Abs 1 bis 3 oder nach anderen gleichartigen Rechtsvorschriften in Anspruch genommene (Eltern-)Karenz des anderen Elternteiles oder im Anschluss an eine nach § 59 oder nach anderen gleichartigen Rechtsvorschriften in Anspruch genommene Teilzeitbeschäftigung des anderen Elternteiles Eltern-Karenz nach Abs 1 bis 3 in Anspruch nehmen, kann sie bzw er diese bis spätestens drei Monate, dauert die (Eltern-)Karenz oder die Teilzeitbeschäftigung jedoch weniger als drei Monate, bis spätestens zwei Monate vor Ende der (Eltern-)Karenz oder der Teilzeitbeschäftigung des anderen Elternteiles beantragen.
[28] 5 . Die Regelung zur Teilzeitbeschäftigung zur Betreuung eines Kindes nach § 59 W BedG sollte nach den Gesetzesmaterialien „weitgehend“ § 12 VBO 1995 entsprechen (Beilage 19/2017 zu LGBl 2017/33 15). Eine § 12 VBO 1995 im Wesentlichen wörtlich entsprechende Bestimmung findet sich auch in § 28 DO 1994. Dabei sollte jeweils eine Anpassung der für die Wiener Gemeindebediensteten geltenden Rechtslage an jene des Bundes (Beilage 37/2005 zu LGBl 2006/14 11) und damit an das MSchG und VKG erfolgen.
[29] 6. Nach herrschender Ansicht handelt es sich beim Anspruch auf Karenz nach dem MSchG bzw VKG, denen § 53 W-BedG nachgebildet ist, um ein einseitiges Gestaltungsrecht (vgl RS0133605; Bauer in Burger Ehrnhofer/Schrittwieser/Bauer , Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz 3 [2020] § 15 MSchG Rz 27, § 2 VKG Rz 3, 11). Gestaltungsrechte verleihen ihrem Inhaber die Rechtsmacht, durch einseitige (außergerichtliche oder gerichtliche) Willenserklärung ohne Mitwirkung eines anderen eine Veränderung der bestehenden Rechtslage herbeizuführen, Rechte zum Entstehen oder zum Erlöschen zu bringen oder zu ändern (RS0013908).
[30] Das Gestaltungsrecht wird in diesem Fall durch das an den Arbeitgeber gerichtete Verlangen auf Karenzierung ausgeübt (8 ObA 115/20z). Das Gesetz ist in diesem Umfang einseitig zwingend, da die Ausübung des Gestaltungsrechts und die Bestimmung über Ausmaß und Dauer der Karenz im Ermessen der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers liegt (vgl Bauer in Burger-Ehrnhofer/Schrittwieser/Bauer , Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz 3 [2020] § 15 MSchG Rz 28). Diese Grundsätze gelten auch für die Eltern-Karenz nach § 53 W BedG.
[31] 7. Das bedeutet aber, dass der „Anspruch auf Eltern-Karenz“ nach § 53 W BedG erst mit der Ausübung des Gestaltungsrechts entsteht. Dem entspricht auch, dass der Antrag auf Eltern-Karenz nur in einem engen zeitlichen Rahmen gestellt werden kann. Wird die Frist nicht eingehalten oder konnte sie etwa im Fall des § 53 Abs 5 Z 1 W BedG, weil das Kind mehr als acht Wochen vor Beginn des Dienstverhältnisses geboren wurde, von vorneherein nicht eingehalten werden, hat der Dienstnehmer keinen Anspruch auf Eltern Karenz auch wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt wären.
[32] Wenn die Revision damit argumentiert, dass der Anspruch von dessen Inanspruchnahme zu unterscheiden ist, so trifft das grundsätzlich zu. Sie übersieht dabei jedoch, dass bei einem einseitigen Gestaltungsrecht, der Anspruch erst durch die Ausübung des Gestaltungsrechts entsteht. Ob dieser durch die Ausübung des Gestaltungsrechts entstandene Anspruch dann in weiterer Folge auch „in Anspruch genommen werden muss“, um die Ausnahme von der Wartefrist nach § 59 Abs 2 W-BedG in der Fassung vor der 2. Dienstrechts-Novelle 2023, LGBl 2023/16, zu begründen, ist, worauf das Berufungsgericht bereits hingewiesen hat, im vorliegenden Fall nicht zu prüfen.
[33] 8. Im Übrigen wäre bei einer anderen Auslegung die dreijährige Wartefrist weitestgehend sinnlos, da die theoretische Möglichkeit zur Inanspruchnahme einer Eltern Karenz jedenfalls für sämtliche nach Begründung des Dienstverhältnisses geborene Kinder und über die Möglichkeit der geteilten Karenz auch für die meisten innerhalb von zwei Jahren vor Begründung des Dienstverhältnisses geborenen Kinder besteht. Demgegenüber wollte der Gesetzgeber offenbar den Eltern, die bereits eine Eltern-Karenz in Anspruch genommen haben, durch die leichtere Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Elternteilzeit die Wahrnehmung von Betreuungspflichten bei gleichzeitigem Wiedereinstieg ins Arbeitsleben erleichtern.
[34] Entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers ist diese Auslegung durch den äußerst möglichen Wortsinn (RS0016495) des § 59 Abs 2 Satz 1 zweiter Halbsatz W BedG gedeckt. Diese Bestimmung stellt nämlich nicht bloß darauf ab, dass die bzw der Bedienstete einen Anspruch auf Eltern Karenz gemäß § 53 W BedG „hat“, sondern formuliert, dass sie bzw er einen solchen Anspruch „gehabt hat“. Diese Formulierung steht im Einklang mit dem dargestellten Wesen des Gestaltungsrechts, mit dessen Ausübung der Anspruch auf Eltern Karenz entstanden ist, sodass ihn die oder der Bedienstete (erst dadurch) „gehabt hat“.
[35] 9. Wenn die Revision darauf hinweist, dass das Gesetz in § 59 Abs 5 W-BedG im Zusammenhang mit der aufgeschobenen Eltern-Karenz den Begriff „Inanspruchnahme“ verwendet und damit selbst eine Unterscheidung zwischen dem Recht und dessen Inanspruchnahme trifft, übergeht sie die Regelung des § 55 Abs 5 W BedG, der die Anzeige der Absicht, aufgeschobene Eltern-Karenz in Anspruch zu nehmen, von der Inanspruchnahme unterscheidet. Es bedarf daher auch in diesem Fall einer Ausübung des Gestaltungsrechts vor einer Inanspruchnahme des damit entstandenen Rechts.
[36] 10. Dem Argument des Revisionswerbers, nach den Regelungen des MSchG und des VKG sei die Inanspruchnahme von Elternteilzeit unabhängig davon möglich, ob zuvor Karenz in Anspruch genommen wurde, ist entgegenzuhalten, dass dies auch im Anwendungsbereich des § 59 W BedG so ist. Bedienstete, die zuvor Eltern Karenz in Anspruch genommen haben, werden jedoch durch den Entfall der Wartezeit begünstigt, wodurch der Landesgesetzgeber den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben nach einer Karenz erleichtern will. Die in diesem Zusammenhang behauptete Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes liegt nicht vor.
[37] 11. Das bedeutet, dass es zu einem Entfall der dreijährigen Wartefrist nur kommt, wenn die Voraussetzungen einer Eltern-Karenz nach § 53 W BedG vorlagen und der Dienstnehmer eine solche auch beantragt hat. Das trifft auf den Kläger unstrittig nicht zu. Damit hatte der Kläger keinen Anspruch auf Teilzeit nach § 59 W BedG und daher auch keinen Kündigungsschutz nach § 129 Abs 6 und 7 W BedG.
[38] 12. Auf die Einhaltung der Aufgriffsobliegenheit kommt es daher nicht mehr an.
[39] 13. Nach § 123 Abs 1 W BedG ist eine Kündigung, die unter Verletzung des Diskriminierungsverbots ausgesprochen wurde, innerhalb von vier Wochen nach Zugang derselben bei Gericht anzufechten. Das Nachschieben von Anfechtungsgründen nach Ablauf der Anfechtungsfrist ist unzulässig und eine Klagsänderung durch Geltendmachung eines neuen Anfechtungsgrundes ausgeschlossen. Es ist aber in dem Rahmen, in dem eine erweiterte Anleitung und Belehrung durch das Gericht zu erfolgen hat, eine Konkretisierung der fristgebundenen Anfechtungsgründe zulässig, wenn diese von dem allgemeinen Anfechtungsvorbringen umfasst sind (RS0106300).
[40] 14. Unstrittig hat der Kläger ein konkretes Vorbringen zu einer Diskriminierung wegen einer Behinderung erst nach Ablauf der vierwöchigen Frist erstattet. Dieses Vorbringen kann entgegen der Rechtsauffassung des Klägers aber auch nicht als Konkretisierung eines schon in der Klage erstatteten Vorbringens angesehen werden.
[41] Zwar enthält die Klage den Satz: „Das Klagebegehren wird auch auf § 22 iVm § 119 Wiener Bedienstetengesetz gestützt.“ Der Kläger hat sich dessen ungeachtet in seiner Klagserzählung nur auf eine Diskriminierung wegen des Geschlechts gestützt. Dass mit der Klage daher auch eine Anfechtung wegen einer Diskriminierung aufgrund einer Behinderung beabsichtigt war, lässt sich dem nicht entnehmen. Die bloße Nennung einer gesetzlichen Bestimmung, die mehrere Tatbestände aufweist, reicht zur Einhaltung der Frist für die Geltendmachung eines Diskriminierungstatbestands nicht aus, wenn gleichzeitig ein umfassendes Tatsachenvorbringen erstattet wird, das mit diesem Diskriminierungstatbestand in keinem Zusammenhang steht.
[42] Die inhaltliche Berechtigung eines solchen Anspruchs war daher wegen verspäteter Geltendmachung nicht zu prüfen.
[43] 15. Der insgesamt nicht berechtigten Revision des Klägers war daher nicht Folge zu geben.
[44] 16. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.